WM-Standort Salvador:Kräftige Brise im Hufeisen

WM 2014 - Spielort Salvador

Gute Stimmung in Salvador, auch schon beim Confed-Cup 2013.

(Foto: dpa)

Von Süden pfeift der Wind hinein, mit der Torlinientechnik gibt es noch leichte Probleme, die letzten Verkaufsstände werden zusammengeschraubt. Das Stadion von Salvador, in dem die DFB-Elf gegen Portugal aufläuft, ist fast bereit für die WM - und hat eine bewegte Geschichte. Ein Ortsbesuch.

Von Thomas Hummel, Salvador

Auf der Avenida Vasco da Gama sitzen die Frauen mit ihren fahrenden Kühlboxen und verkaufen süße Limonade. Man bekommt auch Zigaretten, Wasser oder Acarajé, die frittierten Bällchen aus Bohnen gefüllt mit Gemüse, Shrimps und scharfer Soße.

Die Reihe der kleinen Wagen ist ein typisches Bild in Salvador da Bahía. Mit dem am Freitag aller Voraussicht nach (in Brasilien weiß man nie) Schluss sein wird. Denn der Fußball-Weltverband Fifa achtet penibel darauf, dass in und um eines WM-Stadions nichts verkauft wird, was nicht zu seinem Sponsorenkreis gehört und einen Haufen Geld für dieses Privileg bezahlt. Die Hersteller eines frittierten Bohnenbällchens gehören definitiv nicht zu den Geldgebern der Fifa.

Vor dem Zaun läuft in den Tagen vor dem ersten Spiel in der Arena Fonte Nova das Leben wie gewohnt. Im südlich gelegenen See Dique do Tororó stehen die übergroßen Orixá-Figuren, Frauen in bunten Gewändern, die in der Religion Condomblé als ansprechbare Götter gelten. Busse, Autos und Motorräder drücken sich durch die meist zu enge Vasco da Gama, daneben erheben sich die Hügel mit den ärmlichen Behausungen der Favela-Bewohner.

Das Stadion Fonte Nova liegt nicht irgendwo draußen auf der grünen Wiese, sondern mitten in Salvador. An diesem Freitag, zum ersten WM-Spiel Spanien gegen die Niederlande, ist ein Sicherheitsring von etwas zwei Kilometern rund um die Arena angekündigt, die Präsenz der Polizei dürfte enorm sein, denn so ein Stadtzentrum lässt sich kaum isolieren.

Von irgendeinem Chaos ist in Salvador aber keine Spur. Keine streikenden U-Bahn-Fahrer, was daran liegen könnte, dass die erste Linie der Drei-Millionen-Stadt erst am Mittwoch eröffnet wurde. Nach 14 Jahren Bauzeit. Oben im Stadtteil Pelourinho tanzt eine Gruppe Capoeira und bittet die Touristen um ein paar Real. Alles wie immer.

Das Stadion ist längst fertig, es wurde schon im April des vergangenen Jahres eingeweiht und beherbergte Partien des Konföderationen-Pokals. Damit haben es die Baihanos wesentlich weiter gebracht als beim ersten Versuch, ein WM-Spiel in der Stadt auszutragen.

Auch zur Weltmeisterschaft 1950 sollten Partien in der ehemaligen Hauptstadt des Landes stattfinden - die Bauarbeiten verzögerten sich allerdings so enorm, dass erst 1951 erstmals hier Fußball gespielt wurde. Die WM in Salvador fiel damals aus.

Alles auf Fifa-Norm getrimmt

In den siebziger Jahren fanden mehr als 100 000 Menschen Platz im Fonte Nova, es war eines dieser Stadien des Volkes, selbst arme Leute konnten sich den Eintritt leisten. Im November 2007 feierten 60 000 den Aufstieg des Esporte Clube Bahía in die zweite Liga, als eine Tribüne einstürzte und sieben Menschen starben. Das Stadion wurde gesperrt, bis mit Hilfe eines Braunschweiger Architektenbüros das neue Fonte Nova gebaut wurde. Stimmen die offiziellen Baukosten von 230 Millionen Euro, dann wurde das geplante Budget im Vergleich nur moderat überschritten.

Als die letzten Vorbereitungen laufen, bemühen sich die Arbeiter, alles auf Fifa-Norm zu trimmen. Riesige Lastwagen-Container stehen vor dem Stadion, die Getränke der Fifa-Sponsoren werden in Dosen herangekarrt, die dazugehörigen Verkaufsstände zusammengeschraubt. Der sattgrüne Rasen liegt dort wie gemalt, darauf testen Männer in Anzügen die neue Torlinientechnologie.

Es stellt sich heraus, dass es selbst mit der Hand und aus einem Meter Entfernung nicht ganz leicht ist, ein Wembley-Bloemfontein-Tor zu simulieren. Zweimal klatscht der Ball von der Latte nicht auf die Torlinie, sondern gegen den Kopf eines Anzugträgers.

Die TV-Sender kontrollieren die Kabelwege, auf den Leinwänden läuft die ewige Werbung der Sponsoren. Ein paar Gruppen lassen sich herumführen und freuen sich ungemein, wenn der Leinwand-Chef sie zwischen der Werbung einfängt und in Großformat zeigt. Wer seinen Platz ganz oben auf der Tribüne hat, sollte einen Windschutz mitnehmen, denn dort wirkt das von den Architekten geplante Belüftungssystem: Das Stadion ist in Hufeisenform gebaut, mit einer Öffnung nach Süden in Richtung See, da bläst eine ordentliche Brise herein.

Plötzlich dröhnt eine tiefe Stimme durch das leere Rund: "Please welcome to the Fifa world cup 2014 the teams of Spain and the Netherlands." Die Anzugträger gehen gerade gemächlich hinüber zum anderen Tor, auch dort muss noch eine Technologie getestet werden. Und draußen an der Avenida Vasca da Gama, ein paar Meter hinter dem Stadionzaun, verkauft eine Frau noch eine Orangenlimonade.

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