WM-Stadien in Russland:Sankt Petersburger Zweitligist zieht eben mal ans Schwarze Meer

Lesezeit: 3 min

  • Was passiert mit den Stadien der elf russischen Austragungsorte?
  • "Wir werden uns besonders darum kümmern, wie wir das Fußballerbe weiterentwickeln", sagt Präsident Wladimir Putin.
  • Aber selbst in der Moskauer Luschniki-Arena fällt es schwer, regelmäßige Nutzer zu finden.

Von Johannes Aumüller, Sotschi

Es ist noch viel los rund um dieses Fischt-Stadion von Sotschi, und das wird sich so schnell nicht ändern. Wie der Mittelpunkt dieses aus dem Boden gestampften Urlaubsareals liegt die Arena im Ortsteil Adler direkt am Schwarzen Meer. Auf der einen Seite wandern in Scharen junge Familien an der Promenade und am kieseligen Strand vorbei, und auf der anderen Seite ist ein Freizeitpark mit Riesenrad und Achterbahnen aufgebaut. Sotschi ist der traditionsreiche Erholungsort des Landes, und wann immer in Russland Ferienzeit ist, wird dies eine beliebte Ecke sein.

Aber es ist ja weniger die Frage, was rund herum, sondern vielmehr, was in dem teuren Stadion künftig los sein wird. Immerhin ist es für eine stolze Summe von 700 Millionen Euro für die Olympischen Winterspiele vor vier Jahren neu errichtet und für die diesjährige WM umgebaut worden. Aber bei dieser Frage ist es deutlich schwieriger mit der Prognose.

Die mangelnde Nutzung von Arenen und Wettkampfstätten nach sportlichen Großveranstaltungen gehört zu den klassischen Problemen, unter denen Ausrichterländer zu leiden haben. Die sogenannten weißen Elefanten prägen die Landschaft von Athen (Sommerspiele 2004) bis Südafrika (WM 2010). Und jetzt drohen ein paar dieser Exemplare auch in den insgesamt elf russischen Austragungsorten zu entstehen, in denen in den Um- und Neubau von Stadien für die WM zirka sechs Milliarden Euro flossen. "Wir werden uns besonders darum kümmern, wie wir das Fußball-Erbe weiterentwickeln", erklärte Staatschef Wladimir Putin zwar jüngst, aber das wird in einigen Fällen schwierig.

Sotschi spielt dabei aufgrund seiner jüngeren Vergangenheit als WM-und Olympia-Stadt sowie als ein Ort, an dem sich Putin gerne aufhält, eine eigene Rolle. Der Plan besagt, dass russische Nationalteams dort künftig ein paar Trainingseinheiten und Heimspiele austragen sollen. Außerdem soll es verstärkt Events geben, zum Beispiel Konzerte. Aber selbst wenn das so eintritt, ist es keine dauerhafte Nutzung. Dafür braucht es einen lokalen Fußball-Klub. Doch Schemtschunia Sotschi als einziger höherklassiger Verein der Stadt ging vor fünf Jahren in die Insolvenz.

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Also wurde beschlossen, der Stadt einen neuen Klub zu schenken. Der Zweitligist Dynamo, der bisher in Sankt Petersburg beheimatet war, zieht mal eben 2000 Kilometer gen Süden und nennt sich fortan FK Sotschi. Interessant daran ist, dass hinter diesem Projekt finanziell Boris Rotenberg steckt, ein Geschäftsmann und Teil eines berüchtigten Bruder-Duos, das mit Staatspräsident Putin lange befreundet ist. Innerhalb von zwei Jahren soll der Aufstieg in die erste Liga gelingen, das Budget sei bereits erhöht worden, berichten russische Medien; das klingt bei dieser Unterstützung nicht unbedingt verwegen. Andererseits blieben auch schon sportliche Projekte Rotenbergs unvollendet. Und in jedem Fall ist die Frage, wie der Klub, der bisher vor 3000 Zuschauern kickte, als Zweitligist ein Stadion füllen will, in das nach einigen Umbauten zirka 40 000 passen.

In anderen Städten ist die Lage noch unklarer. Das hat viel damit zu tun, wie Russland und die Fifa an das Turnier herangegangen sind. Da waren einerseits die üblichen Vorgaben, dass ein Stadion ein bestimmtes Fassungsvermögen braucht, obwohl die Zuschauerzahlen in Russlands Liga-Alltag zuletzt im Schnitt nur 14 000 betrugen. Dazu kamen konkrete Merkwürdigkeiten. In Krasnodar zum Beispiel, neben Moskau und Sankt Petersburg das Fußball-Zentrum des Landes, wurde mit dem Geld des lokaler Oligarchen ohnehin ein Stadion gebaut. Das fasst 33 000 Zuschauer und ist vergleichsweise gut gefüllt. Doch den Verantwortlichen der WM passte Krasnodar aus strategischen Gründen als Austragungsort nicht, die Stadt musste sich damit zufrieden geben, während der WM als Teamquartier für Spaniens Nationalmannschaft zu dienen.

Sogar das Moskauer Lischniki-Stadion findet keinen regelmäßigen Nutzer

Dafür wurden andernorts Stadien mit Kapazitäten von 45 000 Zuschauern gebaut, bei denen sich die Sinnfrage stellt. Schon für gewöhnliche Erstligisten wie Kasan oder Rostow sind die Stadien zu groß, weil zu ihren Heimspielen im Schnitt nur etwa 12 000 Zuschauer kommen - auch wenn die Verantwortlichen hoffen, dass der WM-Schwung zu einer Steigerung verhilft. Aber neben Sotschi gibt es mit Kaliningrad, Nischnij Nowgorod, Saransk und Wolgograd vier weitere Austragungsorte mit neuen Stadien, die gar keinen Erstligisten beherbergen, sondern nur Vertreter der zweiten oder dritten Division. So viele Klubs können nicht mal die Rotenbergs umsiedeln. Alleine für die Unterhaltung werden künftig einige Millionen Euro pro Jahr fällig, auch wenn die meisten Stadien etwas zurückgebaut werden sollen.

Aber nicht nur bei den Klubs aus der Provinz gibt es Debatten wegen der künftigen Nutzung, sondern auch ums größte Stadion des Landes, dem für 300 Millionen Euro für die Weltmeisterschaft renovierten Moskauer Luschniki mit einer Kapazität von 80 000 Zuschauern. Es soll das "führende Fußball-Stadion" bleiben, heißt es. Zugleich aber räumt der Chef des Moskauer Baudezernates ein, dass dies "eine schwierige Frage" sei. Gibt es doch niemanden, der im Luschniki regelmäßig seine Heimspiele austrägt. Vom Traditionsklub Spartak über den aktuellen Meister Lokomotive bis zu ZSKA und Dynamo haben inzwischen alle Hauptstadt-Vereine ihre eigene Arena.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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