WM-Spielort Curitiba:Risse im Fundament

Workers are pictured inside the Arena da Baixada soccer stadium as it is being built to host matches of the 2014 World Cup in Curitiba

Großbaustelle: Das Stadion im WM-Spielort Curitiba

(Foto: REUTERS)

Mysteriöse Brände auf Baustellen, überforderte Politiker, finanzielle Engpässe: Im jüngst auserwählten WM-Spielort Curitiba und andernorts türmen sich immer neue Probleme auf. Der Eindruck einer chaotischen Turniervorbereitung verstärkt sich.

Von Thomas Kistner

Dass Jérôme Valcke sie letztlich nur noch bestätigen durfte, die lang ersehnte Botschaft, weil sie ja von Curitibas PR-bewusstem Bürgermeister Gustavo Fruet fröhlich ausgeplappert worden war - darauf kam es gar nicht mehr an. Im WM-Veranstalterland haben der Generalsekretär des Fußball-Weltverbandes Fifa und seine Mitstreiter in den Augen-zu-und-durch-Modus geschaltet, also darf die Arena da Baixada von Curitiba eine der zwölf brasilianischen Austragungsstätten bleiben. Wer weiß, spötteln Insider, womöglich hat sich die Fifa damit ja nur Freiraum zur Behandlung von größeren Problemen verschafft, die noch kommen könnten.

Probleme in Curitiba, das die nächsten drei Monate unter Vollüberwachung steht - aber auch in anderen Regionen des Landes, das mit den Vorbereitungen derart in Verzug ist, dass dem WM-Turnier schon jetzt hohe Kabarettreife prognostiziert werden könnte, wäre die Lage weniger ernst.

Das von überforderten Politikern und geschäftstüchtigen Funktionären angerichtete Chaos findet niemand mehr lustig: Zehn-, vielleicht Hunderttausende Menschen, versammelt in Aktivistengruppen und Bürgerkomitees, wollen die WM mit ständigem Protest begleiten. Und trotzdem blamiert sich der Veranstalter Woche für Woche erneut vor der Welt, die eigentlich ja das strahlende Gesicht eines aufstrebenden Brasilien erleben sollte.

Stattdessen wurden dem Veranstalterland die Dopingtests (und dem Labor in Rio de Janeiro die Wada-Akkreditierung) entzogen, finanzielle Engpässe kündigen den Ausfall von Fanfesten mit Public Viewing in Recife und anderswo an; sogar bei der Installation der TV-Einrichtungen traten massive Hindernisse auf: In bereits fertige Gebäude wollte WM-Host-Broadcaster HBS noch Glasfasernetze einziehen. Zu spät. Ob nun die Bildqualität leidet? Die Fifa selbst musste an anderer Stelle schon als Notfinanzier einspringen; auch dieses Problem betrifft ihr Kerngeschäft, die globalen TV-Bilder. Valcke sagte beim Team-Workshop der Fifa in Florianopolis am Dienstag, man habe 20 Millionen Dollar in die Energieversorgung von Stadien und Fernsehzentrum gesteckt. Es geht offenbar an die Substanz.

Auch das grüne Licht für Curitiba hatte bis zur Inspektion am Wochenende eher auf rot gestanden; als von der Fifa erwählte Ausweichstationen kursierten bereits São Paulo und Porto Alegre. Am Ende siegte wohl die Gesamtrechnung: Das logistische Chaos, das die Umwidmung all der WM-Tickets für vier WM-Gruppenspiele, für schon gebuchte Reisen und Hotels in Gang gesetzt hätte, wäre so enorm gewesen wie die Imagedelle, die auch die Fifa als ständiges Aufsichtsorgan betroffen hätte.

Widersprüchliche Berichte, irritierte Staatsanwälte

"Jetzt kommt es darauf an, dass die Arbeiten auf dem erreichten Niveau fortgesetzt werden und die kollektiven Bemühungen aller Beteiligten anhalten", flötete die Fifa per Pressetext. "Es ist ein ganz knapper Wettlauf mit der Zeit, der laufende Überwachung erfordert, aber wir setzen auf das Engagement von Atlético Paranaense, der Stadt Curitiba und dem Bundesstaat Paraná" ließ sich Valcke vernehmen. Die Stadionarbeiten würden intensiviert, mindestens 1500 Arbeiter sollen ranklotzen und ein Tempo vorlegen, dass die Fertigstellung bis Mitte Mai sichert.

Aber: Curitiba ist nur eins der Probleme. Schon schwenkt der Fokus auf die Arena Pantanal in Cuiabá, im heißen Matto Grosso. Im Herbst gab es ein Feuer, womöglich Brandstiftung; nun wird auch hier verzweifelt gegen die Uhr geschuftet. Indes wurde jetzt ein 18-seitiger Bericht der Staatsanwaltschaft des Bundesstaats publik, aus dem Reuters zitiert: "Ein durch den Brand erlittener Stabilitätsverlust kann die allgemeine Konstruktion gefährden."

Keine strukturellen Schäden - oder doch?

Zwar sieht die beauftragte Baufirma "keine strukturellen Schäden". Doch soll der Prüfbericht sogar Fotos von tragenden Pfeilern im Untergeschoss der Westtribüne zeigen, wo die Umkleiden sind - mit substantiellen Rissen im Zement. Die Ermittler hätten daher "stark empfohlen", über Belastbarkeitstests festzustellen, "ob die tatsächlichen Schäden an der Struktur nachhaltig sind", heißt es in der Studie. Sie wurde im Dezember dem WM-Sondersekretär übergeben.

Was seither geschah, ist offenbar nicht mal Clovis de Almeida bekannt - weshalb der zuständige Staatsanwalt jüngst irritiert mitteilte: "Wir werden dafür sorgen, dass kein Spiel stattfindet, bis die Sicherheit vollständig gewährleistet sein kann."

Dagegen nimmt sich der Ärger mit Porto Alegre wie ruhiges Tagesgeschäft aus. Erstligist SC Internacional, dem die Arena Beira-Rio gehört, will nicht für die von der Fifa geforderten temporären Bauten rund ums Stadion wie Zelte für Medien und Volunteers aufkommen. Es geht um elf Millionen Euro, die auch die Kommune nicht zu zahlen bereit ist. Denn in der Hauptstadt Brasília läuft ein Verfahren mit dem Ziel, dass öffentliche Gelder nur für Bauten mit langfristiger Nutzung freigegeben werden dürfen. Langfristig: Das dürfte im WM-Land vor allem der Ärger über ein Turnier werden, das schon vor dem Anpfiff immer mehr verfluchen. Vermutlich auch die Fifa.

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