WM-Sieg der deutschen Männer-Staffel:Heißgelaufen in der Sauna

Biathlon World Championships

Auf Händen getragen: die siegreiche deutsche Männer-Staffel Erik Lesser, Daniel Boehm, Arnd Peiffer und Simon Schempp (von links)

(Foto: dpa)
  • Die deutschen Biathlon-Männer holen ersten WM-Titel in der Staffel nach elf Jahren.
  • Sie sind froh, dass ihnen ein Zielsprint wie bei Olympia erspart bleibt.
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Von Joachim Mölter, Kontiolahti

"Kontiolahti ist noch nie nett zu Simon Schempp gewesen" - daran erinnerte das Fachmagazin biathlonnews.com noch einmal, als der 26 Jahre alte Uhinger bei den Weltmeisterschaften im 10-Kilometer-Sprint bloß 77. geworden war. Nach hinten geweht vom tückischen Wind, der sieben seiner zehn Kugeln verblasen hatte. In Kontiolahti war Simon Schempp aber auch vorher nie weit vorne gelandet bei einem Weltcup-Einsatz.

Am Samstagabend hat er seinen Frieden mit der ostfinnischen Kleinstadt geschlossen: Da ist er mit der deutschen 4x7,5-Kilometer-Staffel Weltmeister geworden. Als Schlussläufer sorgte er zwar noch einmal für eine Schrecksekunde, weil er im letzten Stehendanschlag einmal die Scheibe verfehlte und nachladen musste. Aber sein Vorsprung vor Norwegen und Frankreich war letztlich groß genug, um eine deutsche Fahne entgegenzunehmen, noch bevor er im Stadion auf die Zielgerade einbog. Dort nahmen ihn dann seine Vorläufer Erik Lesser, Daniel Böhm und Arnd Peiffer mit offenen Armen in Empfang. "Wir können alle sehr stolz sein heute", sagte Schempp erleichtert.

Zum ersten Mal seit elf Jahren, seit der Heim-WM in Oberhof, sind die deutschen Biathleten also wieder Staffel-Weltmeister. Danach gab es zwar noch den Olympiasieg 2006 in Turin, aber seitdem haben die Männer kein größeres Erfolgserlebnis mehr gefeiert, nicht einmal im Weltcup hatte es in den vergangenen vier Jahren zu einem Sieg gereicht. Ein "überragendes, phänomenales Gefühl" sei das jetzt, berichtete Erik Lesser nachdem diese lange Serie beendet war.

Für die Biathlon-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) war es bereits die dritte Goldmedaille in Kontiolahti nach dem Verfolgungssieg von Lesser am vorigen Sonntag und dem Staffelerfolg der Frauen tags zuvor. So viele hat es nicht einmal bei der Heim-WM 2012 in Ruhpolding gegeben, mehr zuletzt 2011 in Chanty-Mansijsk (vier). Nach den Tiefpunkten bei der WM 2013 in Nove Mesto sowie den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi, wo die deutschen Skijäger ohne Titel geblieben waren und jeweils nur zwei Medaillen gewonnen hatten, geht es nun offensichtlich wieder bergauf.

Zumal die junge Laura Dahlmeier, 21, bei dieser WM auch schon eine Silbermedaille in der Verfolgung beigetragen hat und beim Massenstart am Sonntag (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) ebenfalls nicht chancenlos an den Start geht. Nach dem beflügelnden Staffelsieg ist in diesem Wettbewerb wohl auch mit den deutschen Männern zu rechnen (16.15 Uhr).

Die hatten sich viel vorgenommen für das Staffelrennen. "Ich habe mich am Vormittag noch vier Stunden in die Sauna gesetzt, damit ich richtig heiß bin", hatte Daniel Böhm am Freitag launig verkündet. Verfolgungschampion Lesser hatte das Ziel ernsthafter ausgegeben: "Wenn man sieht, wie viele Podestplätze wir in den letzten Jahren geholt haben, wird es langsam mal Zeit für uns. Irgendwann sind wir mal dran."

Die Konkurrenten schwächeln alle

Nun ist es aber auch im Biathlon nicht so, dass einem die Konkurrenz freiwillig den Titel überlässt wegen fleißigem Bemühen und bravem Anstehen - man muss sich schon selbst nach vorne drängen. "Wir setzen dabei auf Erfahrung", sagte der deutsche Co-Trainer Andreas Stitzl bei der Bekanntgabe der Besetzung und erinnerte: "Die Staffel hat bei Olympia den zweiten Platz belegt."

Vor einem Jahr in Sotschi wurden Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer, Simon Schempp knapp geschlagen Zweiter, weil Russlands Schlussläufer Anton Schipulin im Finish seine Skispitze etwas eher über die Ziellinie schob als Schempp. Dass ihm das abermals passieren würde, musste der Schwabe diesmal nicht fürchten: Russlands Startläufer Jewgeni Garanitschew handelte sich schon beim Liegendschießen eine Strafrunde ein, fortan liefen die verbliebenen Olympiasieger hinterher und mussten sich mühsam nach vorne arbeiten, am Ende wurden sie immerhin noch Vierter. "Man darf sich keinen Fehler mehr erlauben", sagte Lesser mit Hinweis auf die Leistungsdichte im internationalen Männer-Biathlon, "sonst ist der Kuchen gegessen."

Alle Konkurrenten des DSV-Quartetts erlaubten sich Fehler im Verlauf des Rennens oder zeigten Schwächen. Die Österreicher rannten wie die Russen von Anfang an hinterher, weil ihr routinierter Startläufer Daniel Mesotitsch, 38, eine Strafrunde drehen musste. Die lange mithaltenden Italiener fielen nach einer Strafrunde ihres dritten Läufers, Thomas Bormolini, zurück. Bei den Tschechen musste Schlussläufer Ondrej Moravec zu oft nachladen, um den Anschluss halten zu können. Bei den Franzosen schaffte es der junge Quentin Fillon Maillet, 22, nicht, in Sichtweite der Führenden zu bleiben, ehe er an seinen überragenden Landsmann Martin Fourcade übergeben konnte. Und die Norweger, die Gewinner aller WM-Titel seit 2009, waren nach diversen Krankheiten einfach nicht in der Form, um die Deutschen zu gefährden. "Sie waren einfach besser", bekannte ihr Schlussmann Emil Hegle Svendsen.

"Irgendwann wird der Fleißige doch belohnt"

"Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg war unsere Ausgeglichenheit", bilanzierte der ehemalige Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer: "Wir waren heute alle vier auf hohem Niveau unterwegs." Insgesamt mussten die DSV-Athleten nur dreimal nachladen (Böhm zweimal, Schempp einmal), ein Beleg für ihr Selbstvertrauen. "Das haben wir uns im Saisonverlauf erarbeitet", erklärte Peiffer und erinnerte an die bisherigen Weltcup-Auftritte: "Wir waren dreimal Zweiter, immer knapp dran."

An diesem Samstagabend waren sie dann richtig dran. "Irgendwann", sagte Erik Lesser, "wird der Fleißige halt doch belohnt."

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