WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose:Der alte Stürmer und das Tor

World Cup 2014 - Germany vs Ghana

Fußspitze rein - und Tor: Miroslav Klose.

(Foto: dpa)

Seine Rolle als Ergänzungsspieler hat Miroslav Klose klaglos hingenommen. Doch als der Bundestrainer ihn am dringendsten braucht, ist er da und schießt sein 15. WM-Tor. Die Geschichte eines Stürmers aus einer anderen Generation, der anders tickt als seine jungen Kollegen.

Von Thomas Hummel, Fortaleza

Dieses Tor im Nordosten Brasiliens hatte seinen Ursprung in der Westpfalz vor 18 Jahren. Wie alles im Leben des Miroslav Klose seinen Ursprung dort hatte. "So wie ich am Anfang mit dem Körper umgegangen bin", erzählt Klose, "das kommt mir jetzt noch zugute."

So kam es, dass der Bundestrainer des Jahres 2014 in einer sehr heiklen Situation nicht etwa die Kraft- und Sprintmänner André Schürrle oder Lukas Podolski einwechselt. Das hätte jedermann verstanden, denn Schürrle und Podolski platzen in diesen Tagen vor Energie und Wille. Ihnen wäre es zuzutrauen gewesen, dass sie einer schlingernden deutschen Mannschaft wieder auf die Beine hätten helfen können. Nein, Joachim Löw brachte für den Angriff Miroslav Klose. 36 Jahre alt.

Nicht einmal zwei Minuten dauerte es, da erwies sich die Entscheidung als richtig. Eckball Toni Kroos, Benedikt Höwedes köpft den Ball Richtung Tor, da prescht Klose heran und spitzelt die Kugel über die Linie. Es war das dringend notwendige 2:2 im zweiten Gruppenspiel dieser WM. In einer Phase, als die Deutschen in den Kontern der Ghanaer unterzugehen drohten.

Natürlich hatte der Fußspitzler auch diese historische Dimension. Mit dem 15. Treffer bei Weltmeisterschaften stellte Klose den Rekord des Brasilianers Ronaldo ein. Er benötigte für diese 15 Treffer nur 20 Partien. "Das ist schön. Wer mich kennt, der weiß, dass mich das reizt, juckt. Dass ich da Erster sein will", erklärte er.

Damit zurück zur Westpfalz. Miroslav Klose gehört einer Generation an, die viele seine Mitspieler heute nur vom Hörensagen kennen. Eine Generation, die nicht mit 18 Jahren bestens geschult einem Internat entschlüpften und sogleich zwischen abkippender Sechs, falscher Neun und herausrückender Vier unterscheiden konnten. Miroslav Klose spielte mit 18 Jahren bei der SG Blaubach-Diedelkopf in der Bezirksliga.

Ein junger Mann, der ob seiner polnischen Herkunft bisweilen schwer um Anerkennung kämpfen musste. Einer, der schon damals sehr auf seinen Körper, seine Ernährung und Lebenswandel achtete. Der sich heute sicher ist, dass ihn diese Haltung bis nach Brasilien im Jahr 2014 gebracht hat: "Ich habe mich fit gehalten. Mit meinen 36 bin ich bei der vierten WM dabei. Das war mein großes Ziel."

Klose kommt entgegen, dass der deutsche Fußball jahrelang so mit der Ausbildung von technisch perfekten, offensiven Mittelfeldspielern beschäftigt war, dass er das Ausbilden von Stürmern vergaß. Geht man die Mannschaftsteile des deutschen WM-Kaders durch, so steht unter der Rubrik "Angriff" bekanntermaßen genau ein Name: Miroslav Klose. Es ist die große Unbekannte in dieser brasilianischen Mission. Kann man mit nur einem Stürmer, der dazu stramm auf den Kicker-Ruhestand zugeht, eine gute Weltmeisterschaft spielen?

"Ich bin außer Übung"

Man kann jedenfalls ein Spiel wieder in eine halbwegs richtige Richtung lenken. Denn bis zu dieser 69. Minute war ja dieser Klose noch gar nicht aktiv beteiligt gewesen an dieser WM. Wurde wie immer von Joachim Löw in den Fußball-Himmel gelobt, durfte aber weder gegen Portugal mitwirken, noch zu Beginn gegen Ghana. Per Mertesacker beschrieb die Rolle des Dienstältesten so: "Er ist voll motiviert in jedem Training. Er ist für jeden da, zu jeder Sekunde bringt seine Erfahrung ein. Das verlangen wir auch von ihm."

Die Disziplin, die Klose schon damals in Blaubach-Diedelkopf vorlebte, verlangt er auch von den Internats-Bubis von heute. Und als diese ihn notwendig brauchten, war er da. Zusammen mit Bastian Schweinsteiger lief Klose auf den Platz und selten konnte man die Wendung eines Spiels so an einem Doppel-Wechsel festmachen. Zwei Spieler, die trotz ihrer ruhmreichen Vergangenheit ihre Ersatzspieler-Rolle bislang klaglos annahmen, zogen ihre Kameraden aus dem Schlamassel.

Schweinsteiger brachte Präsenz, Ruhe und Energie ins Mittelfeld, Klose schoss gleich das Tor. "Schön für mich, dass ich reinkomme und gleich die richtige Nase habe als Stürmer", sagte er. Er habe in der Situation ein wenig spekuliert, dass ein Mitspieler den Ball aufs Tor bringt. Höwedes tat ihm den Gefallen, und "ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht im Abseits stehe und habe den Ball reingemacht." Der 36-Jährige zeigte daraufhin seine Sprinterqualitäten, rannte an den deutschen Fans vorbei und führte vor, was er eigentlich nie wieder vorführen wollte: den Salto.

Es habe ihn "irgendwie dann doch genommen", erklärte er später. Eine Regung, eine Wallung der Gefühle, die Freude, die Erleichterung - es musste raus wie damals gegen Saudi-Arabien 2002, als er seine ersten WM-Tore erzielt hatte und danach hüpfte wie ein Turner. "Dann hab ich das Ding mal versucht, aber ich bin außer Übung." Er landete geradewegs auf dem Hintern, aber immerhin hatte er sich nicht verletzt.

Klose versicherte glaubhaft, dass er beim Jubel weniger an den Ronaldo-Rekord als an den Ausgleich gedacht habe. Der fiel in dieser Phase überraschend, hatten sich die Deutschen doch nach der eigenen Führung übertölpeln lassen vom Gegner. Plötzlich stand es 2:1 für Ghana, die Afrikaner drohten den müden deutschen Favoriten zu überrennen.

Selten war ein Klose-Tor so wertvoll wie in diesem Moment. "Klose hat mit seinem Tor nach nur zwei Minuten bewiesen, welche Klasse er hat und dass er für uns enorm wertvoll ist", lobte Löw. Sein Stürmer hätte sogar beinahe noch den Siegtreffer erzielt, doch bei der tollen Chance kurz vor Schluss schloss er zu hektisch ab und schoss vorbei.

Ob der alte Klose nun bessere Aussichten hat, vielleicht schon gegen die USA im letzten Gruppenspiel von Beginn an dabei zu sein, bleibt ungewiss. Er selbst sehe das "total entspannt". Einen Wunsch aber, denn hege er schon: "Ich hoffe, dass ich noch die ein oder andere Möglichkeit haben werde, zu treffen." Dann wäre der Junge aus der Westpfalz alleiniger, bester Torschütze der WM-Geschichte.

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