WM-Quartier-Check: Paraguay:Goleo, Caipi-Night und Bayernstube

Die Mannschaft aus Südamerika hat sich in der Sportschule Oberhaching bei München einquartiert. Sie sind das einzige Team, das auf Hotelkomfort verzichtet - dafür aber alles unter einem Dach hat.

Thomas Becker

Nach Paraguay? Treppe hoch, nach links, am Kuchenbuffet vorbei und dann immer geradeaus in den C-Bereich. 40 Einzel-, fünf Doppelzimmer und ein Appartement hat die Nationalelf Paraguays vom 3. Juni an reserviert, hier in der Sportschule Oberhaching. Die Südamerikaner sind somit das einzige Team, das nicht in einem Hotel Quartier macht. "Sportschulen haben immer noch dieses Negativ-Image", sagt Geschäftsführer Hermann Brunner, "wir sehen uns mehr als Leistungszentrum." Samt W-Lan, Plasmabildschirm und Beachsoccer-Platz - aber auch Goleo-Bettwäsche. Welcome to Bavaria!

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Nicht wenig stolz sind sie in der 13.000-Seelen-Gemeinde zwölf Kilometer südlich von München, dass sie als einziges Quartier Oberbayerns einen WM-Teilnehmer abbekommen haben. Bürgermeister Stefan Schelle will gar die wichtigsten spanischen Redewendungen im Gemeindeblatt veröffentlichen. Ansonsten gibt sich die Gemeinde eher unaufgeregt. Im "Mexicanos Bargrill" an der Kybergstraße ist mittwochs zwar "Caipi-Night" (4,50 Euro), aber mit den künftigen Gästen aus Südamerika hat das wohl weniger zu tun. Auch im Gasthaus Forstner am Kirchplatz geht das Leben den gewohnten Gang: Man schenkt wie immer Bier vom Tegernsee aus (0,5 Liter: 2,70 Euro). Und der Getränke-Abholmarkt Tremmel ganz in der Nähe der Sportschule hat sein Sortiment auch noch nicht auf Paraguay umgestellt.

Ja, selbst im Leistungszentrum tut sich nicht allzu viel: Man ist gerüstet, komme wer wolle. Der FC Barcelona war schon mal da, Ajax Amsterdam und vergangenes Jahr die riesige Delegation des israelisch-palästinensischen Jugendteams. Geschäftsführer Brunner: "Die einzige Veränderung, die von Paraguay gewünscht wurde: breitere Betten, 140 statt 90 Zentimeter." Das war's auch schon, der Rest kann so bleiben: die 17 Quadratmeter großen Doppelzimmer mit Dusche, Balkon, Berg- oder Waldblick und leergeräumter Mini-Bar. Der Aufenthaltsbereich mit den Ledersofas und dem Mega-Fernseher (108 Zentimeter Bildschirmdiagonale). Das insgesamt 220.000 Quadratmeter große Gelände mit fünf Rasenplätzen, mehreren Sporthallen, Tennis- und Squashplätzen, Kegelbahnen, Sauna, Solarium sowie einem 25 Meter langen und zehn Meter breiten Schwimmbecken inklusive Entmüdungssbecken. Der 300 Quadratmeter große medizinische Bereich, in dem schon zahlreiche Größen des Weltsports ihre Wehwehchen behandeln ließen. Die Kicker- und Billardtische im Untergeschoß auf dem Weg in die gerade mal fünf Monate alte alpenländische "Bayernstube".

Alles unter einem Dach: Das ist in Oberhaching das Prinzip der Sportlerbetreuung. Amateure zahlen für eine Übernachtung mit Vollpension 90 Euro - für die Paraguayos wird es nicht ganz so günstig werden. Brunner und seine 36 Angestellten können sich über mangelende Nachfrage auch nicht beschweren: "80 Prozent unserer 254 Plätze sind übers Jahr ausgebucht", sagt der Geschäftsführer, "das sind 40.000 Gäste, der Großteil davon sind Lehrer-Lehrgänge und Fortbildungen - in insgesamt 42 Sportarten." 1994 wurde die Sportschule erbaut und wird nun vom Landesportverband und dem Bayerischen Fußballverband betrieben.

Dessen Präsident Rainer Koch hatte sich für den Standort als WM-Quartier stark gemacht, und so wollte schon bald neben Paraguay auch die Ukraine einziehen. "Es war eine schnelle Entscheidung", erzählt Brunner, "im November waren der Verbandspräsident mit seinem Stellvertreter und dem Teamarzt hier, danach noch einmal der Trainer und der Teammanager - und dann war alles klar." Einen eigenen Koch wird die Mannschaft noch mitbringen, und sei ansonsten "unwahrscheinlich unproblematisch", sagt Brunner.

Und einen Paraguayer kennen sie hier ja schon bestens: Roque Santa Cruz. Der Bayern-Stürmer wohnt nur fünf Minuten entfernt und war wegen seiner zahllosen Verletzungen oft im Reha-Bereich der Sportschule. Auch Neu-Bayer Julio Dos Santos wird zu den Gästen zählen, die am Pfingstsamstag zu einem Welcome-Spiel in Unterhaching gegen eine Bayern-Auswahl auflaufen, bevor es eine Woche später in Franfurt ernst wird: Im Auftaktspiel geht's gegen England. Und danach wieder in den C-Trakt: Treppe hoch, nach links, am Kuchenbuffet vorbei und dann immer geradeaus.

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