WM-Qualifikation:Zehn von zehn - besser geht's nicht

Deutschland - Aserbaidschan

In der zweiten Halbzeit sichtlich glücklicher als noch zu Beginn: Lars Stindl, Leroy Sané, Sandro Wagner und Leon Goretzka nach dem zwischenzeitlichen 2:1.

(Foto: dpa)

Von Philipp Selldorf, Kaiserslautern

Vorher viel Pomp und viel Andrang auf dem Rasen: Fahnen mit Nationalfarben (für die beiden Teams), Fahnen mit Sternen (für die vier WM-Titel), eine Fahne mit Stern (für den Hauptsponsor), Fanfarenklänge und eine Big Band der Bundeswehr - das Gepränge könnte beim Staatsfeiertag mit Präsident und Kanzlerin nicht größer sein. Aber zumindest während der ersten Halbzeit gab eine chaotisch agierende deutsche (B-)Mannschaft keinen Anlass für feierliche Gefühle. Erst die viertelstündige Beruhigungspause versetzte den Gastgeber in die Lage, die bisher makellose WM-Qualifikation standesgemäß zu Ende zu bringen. Der 5:1-Sieg gegen Aserbaidschan markiert den zehnten Sieg im zehnten Spiel, besser geht's nicht.

Wie angekündigt, hatte der Bundestrainer erheblich umgebaut in seiner Elf. Aus der Mannschaft, die 3:1 in Belfast gewonnen hatte, blieben nur Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller und Sandro Wagner übrig. Auf eine klassische Abwehrreihe verzichtete Löw. Niklas Süle und Shkodran Mustafi sollten es allein richten, Kimmich unterstützte von der rechten Seite aus, von der erneuten Aufstellung des Linksverteidigers Marvin Plattenhardt sah der Bundestrainer (ausdrücklich?) ab. Die Linie bediente stattdessen der Angreifer Leroy Sané.

Viele hatten ein langweiliges Spiel erwartet, die Erfüllung einer Pflichtaufgabe. Aber die erste Halbzeit war äußerst abwechslungsreich, von deutscher Seite allerdings vorwiegend unfreiwillig. Das erste Alarmzeichen setzte Süle mit einem Stockfehler, bei dem er sich obendrein den Muskel zerrte, er spielte aber zunächst weiter. Dann folgte das 1:0, ein Tor der Sonderklasse: Goretzka traf mit einem aufgesetzten Hackentrick fast in den Torwinkel (9. Minute). Jubelstimmung kam auf, man erwartete ein lustiges Torfestival.

Stattdessen häuften sich die Momente, in denen Jogi Löw seinen Unterstand verließ, um an der Seitenlinie seinen Ärger loszuwerden. Wie ein Lehrer schwenkte er den Zeigefinger, eher drohend als bloß mahnend, aber Ruhe und Disziplin wollten sich deshalb nicht einstellen im konfusen, hochnervösen deutschen Spiel. Professionelle Ordnungshüter wie Toni Kroos und Sebastian Rudy wurden schmerzlich vermisst. Vor allem die Hinterleute Süle und Mustafi sowie ihr Verbindungsmann Emre Can formierten sich zum Panikorchester, Torwart Bernd Leno machte fleißig mit. Einheimische, die eine Pause von den Untaten ihres FCK erhofft hatten, stöhnten auf. Auch das Wiedersehen mit Angreifer Wagner, der einst in der Pfalz nicht glücklich wurde, fiel erst mal zwiespältig aus: Nach einem tollen Doppelpass zwischen Stindl und Müller traf der Mittelstürmer erst den Pfosten des leeren Tores und setzte dann auch den Abpraller daneben.

Der angeschlagene Süle hatte inzwischen das Feld geräumt, aber sein Nachfolger Antonio Rüdiger machte dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hatte. Mit Folgen: Im Zweikampf mit Aserbaidschans Linksaußen Ramil Sheydaev hatte Rüdiger mehrere Male das Nachsehen, und schließlich lag der Ball im Netz, weil Leno dabei denkbar schlecht aussah. Zu allem Überfluss verletzte sich Mustafi; Matthias Ginter ersetzte ihn. Es war die Pointe einer denkwürdigen, aber aus deutscher Sicht unerwünschten ersten Halbzeit.

Jogi Löw wirkt zwischenzeitlich verstört

Mangel an gutem Willen brauchte der Bundestrainer nicht beklagen, daran hatte es nicht gelegen; bei einigen Spielern, Sané zum Beispiel, artete es vielmehr in Übereifer aus. Die schnellen Sololäufe des Linksaußen zeigten auf Dauer immerhin zermürbende Wirkung beim Gegner, und mit etwas Anlauf setzte sich nun auch die Klasse der deutschen Spieler durch. Nach ein paar vergebenen Chancen gelang Wagner mit einem Kopfball die erneute Führung (55.), Rüdiger legte nach Kimmichs Eckstoß ebenfalls per Kopf nach (64.), Goretzka erhöhte auf 4:1 (66.).

Zwischendurch ein technisch anspruchsvoller Schuss gegen den Pfosten von Stindl (60.) - die Deutschen hatten jetzt nicht nur Kontrolle über den Gegner, sondern auch über sich selbst. Kapitän Müller, verbessert gegenüber dem unglücklichen Auftritt in Nordirland, durfte Feierabend machen, als Nachfolger setzte er Kimmich ein. Emre Cans Gewaltschuss zum 5:1 - es war sein erstes Tor für die DFB-Elf - ließ dann sogar den zwischenzeitlich verstörten Bundestrainer wieder lachen.

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