WM-Qualifikation:Korruption, Gewalt und Erfolgslosigkeit

Arda Turan and Caner Erkin of Turkey during the 2018 FIFA World Cup WM Weltmeisterschaft Fussball Qu; Arda

Gedemütigter Star: Arda Turan (links) während des WM-Qualifikationsspiels gegen Island. Nach einer Stunde verlässt er unter Pfiffen der eigenen Fans den Platz.

(Foto: Seskimphoto/Imago)

Von Tobias Schächter

An dieses genervte Lächeln von Arda Turan, in dem auch ein Stück Verachtung für jene lag, die ihn da mit ihren Pfiffen vom Platz begleiteten, wird man sich noch lange erinnern. Das Bild des gedemütigten Stars, der sich nach einer Stunde Spielzeit vom Platz schleppt, steht symbolisch für das Scheitern der türkischen Fußball-Nationalmannschaft in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

Eindringlicher hätte der desolate Zustand des türkischen Fußballs nicht dokumentiert werden können, als durch diese ernüchternde 0:3-Niederlage im zentralanatolischen Eskisehir gegen furchtlose Isländer. Noch ein Sieg am Montag zuhause gegen den bislang sieglosen Außenseiter Kosovo und Islands Fußballer fahren zum allerersten Mal zu einer WM.

Hinter den mit 19 Punkten führenden Nordeuropäern kommt es am Montag in Kiew zwischen der Ukraine und Kroatien (beide 17 Zähler) nur noch zum Finale um Playoff-Rang zwei. Die Türken spielen in Finnland und schauen doch nur zu. Geradlinig nach vorne spielend und kompakt nach hinten verteidigend, erschreckten die Isländer am Freitag auch die planlosen Türken, nach den Toren von Gudmundsson (32.), Bjarnason (39.) und Arnason (49.) war die Partie früh für die Isländer entschieden, die in dieser schwierigen Qualifikationsgruppe I bewiesen haben, dass ihr starker Auftritt bei der EM 2016 in Frankreich kein Zufall war. Die Türken hingegen waren in Frankreich nach internen Streitereien frühzeitig ausgeschieden. Das Aus in dieser WM-Kampagne war die nahtlose Fortsetzung des EM-Debakels.

Der türkische Fußball schafft es auf beeindruckende Art, nichts aus seinen Möglichkeiten zu machen. Nach dem dritten Platz bei der WM 2002 glaubten die türkischen Kicker, auf Augenhöhe mit den Größen des Weltfußballs zu sein. Doch ab da begann ein langer Niedergang, der durch das Erreichen des EM-Halbfinale 2008 (2:3 gegen Deutschland) kurz kaschiert wurde. Der Fußball in der Türkei erzählt eine Saga von Selbstüberschätzung, falschem Stolz, mangelnder Kritikfähigkeit und einer Mentalität, in der der schnelle Erfolg alles ist. Der Manipulationsskandal von 2011 und die vermehrte Einmischung der Politik in den Sport vergrößerten die Probleme nur noch mehr.

Jubilar Arda Turan erlebt bittere Minuten

Seit 2002 nahm die Türkei an keiner WM mehr teil, nun werden wieder Sündenböcke gesucht. Ob Mircea Lucescu Trainer bleibt, ist fraglich, obwohl der 72 Jahre alte Rumäne erst vor sechs Wochen und drei Spielen das Amt übernommen hat. Sein Ansatz, auf Erfahrung statt auf Jugend zu setzen, war der falsche. Lucescu reaktivierte den 37-jährigen Emre Belözoglu und setzte wieder auf Arda Turan, 30. Dabei stand der Star in dieser Saison noch keine Sekunde für den FC Barcelona auf dem Platz, die Katalanen wollten Arda im Sommer loswerden, doch niemand griff zu. Der selbstverliebte Dribbler gewinnt mittlerweile so gut wie kein Laufduell mehr und war in dieser Situation eine Belastung für die türkische Nationalmannschaft. Schon als er vor dem Spiel gegen Island vom Verband für sein 100. Länderspiel geehrt wurde, hagelte es Pfiffe von den Rängen.

Arda war im Juni nach einem Streit mit dem damaligen Trainer Fatih Terim aus der Milli Takim zurückgetreten. Die Ereignisse eskalierten, nachdem Arda einen Journalisten, der über einen Prämienstreit zwischen dem ihm und Terim während der EM in Frankreich berichtet hatte, gewürgt hatte. Der Spieler wurde suspendiert - und trat danach beleidigt zurück. Doch auch Terim fiel kurz darauf seiner Mischung aus Überheblichkeit und seinem Jähzorn zum Opfer. Die 64 Jahre alte Trainerlegende war untragbar geworden, nachdem er in einem Nachbarschaftsstreit zweier Kneipiers (einer davon Terims Schwiegersohn) handgreiflich geworden war.

Noch hoffen die Türken auf die Ausrichtung der EM 2024

Sein Nachfolger Lucescu verfolgte das Debakel gegen Island von der Tribüne, der Mann mit den schlohweißen Locken war dazu verurteilt worden, nachdem er sich bei der 0:2-Niederlage in der Ukraine über die Schiedsrichterleistung beschwert hatte. Am Spielfeldrand stand deshalb am Freitag sein Co-Trainer Tayfur Havutcu - und auch dieser Mann erzählt alleine durch seine Anwesenheit, was alles falsch läuft im türkischen Fußball: Der 47-Jährige war im Zuge des Manipulationsskandals von 2011 zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Als Trainer von Besiktas soll Havutcu den Sieg im Pokalfinale gegen Istanbul BB aktiv manipuliert haben. Nun trainiert er wieder die Nationalmannschaft - 2011 übrigens war der heutige Verbandspräsident Yildiray Demirören noch Präsident von Besiktas.

Indem sie die WM verpassen, tun die Fußballer auch der türkischen Bewerbung zur Ausrichtung der EM 2024 keinen Gefallen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und die regierende AKP-Partei wollen endlich ein großes Turnier im Land ausrichten, überall im Land entstanden und entstehen neue Stadien. Der einzige Mitbewerber ist nächsten Sommer in Russland Titelverteidiger und Mitfavorit; Deutschland hat - so ein Zufall - an diesem Samstag sein Logo für die EM-Bewerbung 2024 vorgestellt.

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