WM-Qualifikation:0:0 der Systeme

Nordkorea erreicht im denkwürdigen Spiel gegen Südkorea in Schanghai ein 0:0 - ein Erfolg ist das allerdings nur statistisch.

Janis Vougioukas

Für Nordkorea sind die Chancen, an der WM 2010 in Südafrika teilzunehmen, nicht gerade besser geworden. Das Qualifikationsspiel am Mittwoch in Schanghai gegen Südkorea endete 0:0. Das ist zwar im Grunde kein schlechtes Ergebnis, doch spielen die Nordkoreaner in Gruppe 3 der Asien-Qualifikation mit Jordanien, Turkmenistan und eben Südkorea. Gegen die beiden Erstgenannten sind von beiden Koreas Siege bereits eingeplant, also war es für Nordkorea wichtig, das Heimspiel (denn das war es, obwohl es in Schanghai stattfand) möglichst erfolgreich zu gestalten. Ein 0:0 ist womöglich schlicht nicht gut genug, im Rückspiel am 22. Juni in Seoul sind die heimstarken Südkoreaner klarer Favorit.

WM-Qualifikation: Nordkoreas Rin Jun Il (Mitte) und Südkoreas Park Chu-young (rechts) im Zweikampf bei der WM-Qualifikation in Schanghai.

Nordkoreas Rin Jun Il (Mitte) und Südkoreas Park Chu-young (rechts) im Zweikampf bei der WM-Qualifikation in Schanghai.

(Foto: Foto: AP)

Es war ein Wettkampf ungleicher Brüder. Zum ersten Mal seit 15 Jahren trafen die beiden Nationalmannschaften der geteilten koreanischen Halbinsel im Rahmen eines WM-Qualifikationsspiels aufeinander: die Kommunisten aus Nordkorea gegen die westlich-orientieren Südkoreaner.

Seit dem Koreakrieg 1950 bis 1953 und der Teilung des Landes befinden sich beide Seiten im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag ist bis heute nicht geschlossen worden. Seit damals gibt es kaum Kontakt zwischen beiden Staaten. Die Grenzen sind abgeriegelt, der letzte eiserne Vorhang der Welt. Und jedes Fußballspiel wird zu einem kleinen Wettkampf der Systeme.

Kein Heimvorteil für Nordkorea

Ursprünglich sollte das Duell in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang stattfinden, im riesigen Kim-Il-Sung-Stadion. Doch Nordkorea wollte den Gästen aus dem Süden verbieten, ihre Fahne mitzubringen und weigerte sich auch, die südkoreanische Hymne zu spielen. So verlegte der Weltverband Fifa das Spiel nach Schanghai - und das Team aus Nordkorea musste auf seinen Heimvorteil verzichten.

Nicht aber darauf, eine koreanische Atmosphäre zu erzeugen. Die ganze Veranstaltung wirkte, als habe man Korea nach Schanghai verlegt. Die Sprache rund um die Partie war Koreanisch, aus den Lautsprechern, auf der Pressekonferenz, in der Mixed Zone, wo sich Reporter und Spieler treffen, auf der Tribüne.

Auf dem Platz spielte Südkorea schnell, behielt während des gesamten Spiels die Initiative und bewegte den Ball, als sei er ein ordentliches Mitglied der Mannschaft. Trotzdem gab es kaum gute Torchancen. Denn Nordkorea konzentrierte sich voll auf die Abwehr - und zeigte dabei den besseren Teamgeist und ein harmonisches Zusammenspiel, streng nach Aufstellungsplan. Erst in der zweiten Halbzeit taute die nordkoreanische Mannschaft auf und ging zum Angriff über, vielleicht weil der Trainer in der Mannschaftskabine daran erinnert hatte, wie wichtig das Spiel war. Doch in den letzten 20 Minuten verlegte sich die Auseinandersetzung wieder vor allem in den nordkoreanischen Torraum.

Erst in der zweiten Halbzeit taute die nordkoreanische Mannschaft auf und ging zum Angriff über, vielleicht weil der Trainer in der Mannschaftskabine daran erinnert hatte, wie wichtig das Spiel war. Erst in den letzten 20 Minuten verlegte sich die Auseinandersetzung wieder vor allem in den nordkoreanischen Torraum.

Auf der nächsten Seite: Rein statistisch gesehen ein Erfolg - und wie Außenseiter Nordkorea das Wunder gegen Italien gelingt.

0:0 der Systeme

Rein statistisch ist das Unentschieden für die Nordkoreaner ein Erfolg, auch wenn die WM-Chancen damit sinken. Das abgeschottete Land rangiert auf Platz 126 der Weltrangliste. Südkorea steht auf Rang 47 und gehört zu den stärksten Teams Asiens.

Nationaltrainer Huh Jung Moo hatte für den innerkoreanischen Wettkampf drei Spieler aus der englischen Premier League in den Kader berufen: Park Ji Sung von Manchester United, Lee Young Pyo von Tottenham und Seol Ki Hyeon von Fulham. "Wir waren schlecht vorbereitet. Und wir waren nicht sehr gut", stellte der Trainer fest.

Spiel auf neutralem Boden

Dabei ist spätestens seit 1966 bekannt, dass die nordkoreanische Mannschaft wahre Wunder vollbringen kann. Die WM in England war das erste und bisher einzige Mal, dass Nordkorea sich für die Teilnahme qualifiziert hatte. In der Qualifikationsrunde trafen die Koreaner auf Australien.

Auch damals fand das Spiel auf neutralem Boden statt, in Kambodscha. Die australische Mannschaft war siegessicher, verzichtete sogar auf taktische und strategische Besprechungen vor dem Spiel. Die Nordkoreaner erkannten, dass es den verwöhnten Australiern an Teamgeist und dem nötigen Ernst fehlte - und die Chance nutzten sie.

Um ein faires Spiel zu garantieren, hatte der damalige kambodschanische König Norodom Sihanouk das Stadion in zwei Hälften geteilt. Der eine Teil sollte Nordkorea unterstützen, der andere Australien. Nordkorea gewann 6:1.

Außenseiter Nordkorea gelingt ein Wunder

Die Spieler aus Nordkorea fuhren als Außenseiter zur WM. Die Mannschaft wohnte in Middlesbrough, einer kleinen Industriestadt im Norden Englands, und trainierte auf dem Gelände einer Chemiefabrik. Das erste Spiel verloren die Koreaner gegen die Sowjetunion. Doch das Zuschauer und die Menschen von Middlesbrough schlossen die flinken, kleinwüchsigen Koreaner sofort in ihre Herzen.

Dann spielte Nordkorea gegen Italien, eine der stärksten Mannschaften der WM. Der italienische Kapitän Bulgarelli verletzte sich und musste den Platz verlassen - Italien spielte mit zehn Mann weiter, es durfte noch nicht gewechselt werden. In der 41. Minute erzielte Stürmer Pak Do Ik das Tor, mit dem das Wunder geschah: Außenseiter Nordkorea hatte die Fußballnation Italien besiegt. Die Nordkoreaner erreichten das Viertelfinale der WM, und fast hätten sie auch da gewonnen, bis die portugiesische Legende Eusebio vier Tore hintereinander schoss und Portugal zum 5:3 (2:3) verhalf.

In Italien ist der Korea-Schock ein Sprichwort geworden. Es wird jedoch noch lange Zeit dauern, bis die Nationalelf aus Nordkorea ihr Wunder wiederholen kann.

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