WM 2010: Oliver Bierhoff:"Nicht ohne Jogi Löw"

Manager Oliver Bierhoff über ungeklärte Vertragsverhältnisse mit dem DFB, Störmanöver von außen und seine Rolle als Blitzableiter im Streit zwischen Ballack und Klinsmann vor der WM 2006.

Thomas Kistner

SZ: Bis hin zur Regierung bejubelt Deutschland diese Nationalelf, sie steht im WM-Halbfinale - Sie aber wurden bis zuletzt von Funktionären kritisiert. Jetzt war es Reinhard Rauball, Chef der Deutschen Fußball-Liga, der behauptet, Sie wollten die Nationalmannschaft vom Verband abkoppeln. Warum gerade jetzt?

Oliver Bierhoff: Die Frage nach dem Zeitpunkt kann ich nicht beantworten. Aber diesen Vorwürfen war ich ja immer wieder ausgesetzt. Deshalb nochmals: Es gab und gibt keine Bemühungen, das Nationalteam abzukoppeln. Wir haben aber ein hohes Interesse daran, das Image der DFB-Auswahl weiter zu steigern. Für die Fans, die Sponsoren und natürlich den Fußball in Deutschland allgemein. Auch die Liga profitiert davon. Unsere Ziele unterscheiden sich also nicht von denen der DFL. Zudem ist zu sehen, welchen Beitrag die Nationalmannschaft in den vergangenen sechs Jahren geleistet hat. Zu den sportlichen Erfolgen seit dem Beginn unserer Tätigkeit nach der EM 2004 zählt, dass wir bei allen drei Turnieren unter die letzten Vier gekommen sind. Verbunden mit Imagegewinn, vollen Stadien und Einnahmezuwächsen bei den Sponsoren. Dafür war und ist eine konzentrierte, geschlossene Teamleistung von den Trainern und mir notwendig, nur dann geht das.

SZ: Rauball moniert weiter, die Nationalelf würde zu teuer, er wolle die Finanzen im Auge behalten. Klingt da ein Nachtreten zu den gescheiterten Vertragsverhandlungen von Februar raus?

Bierhoff: Auch da gibt es eigentlich keine zwei Meinungen. Die Entwicklung muss vor allem mit Blick auf den internationalen Vergleich gesehen werden. Wir haben aus dem Etat der WM 2006 und EM 2008 jeweils rund sieben Millionen Euro erwirtschaftet, von denen die Liga jeweils die Hälfte erhalten hat. Viele unserer Schritte - von Fitness über Ausstattung - werden gesponsert, sie kosten nichts. Zugleich werden die Ansprüche an eine professionelle Arbeit immer höher - der Erfolg hat jedoch unsere Maßnahmen und den Aufwand bestätigt. Aber natürlich gilt es auch, mit Augenmaß zu haushalten.

SZ: Könnte bei Rauball und seinem Kollegen Theo Zwanziger die Furcht umgehen, dass die umstrittenen Verträge von Februar neu vorgelegt werden, wenn Bundestrainer Joachim Löw am Verhandlungstisch sitzt?

Bierhoff: Ich habe mit Jogi seit Beginn der WM-Vorbereitung vor acht Wochen kein einziges Mal über Verträge oder Verlängerungen gesprochen. Insofern weiß ich auch nicht, ob und mit welchen Vorstellungen er oder wir in mündliche Verhandlungen gehen würden. Das ist alles Zukunft - nach der WM.

SZ: Sind manche Störfeuer von außen derzeit wirklich kein Thema beim Trainerstab und Ihnen?

Bierhoff: Eine Stärke dieses Teams aus Trainern, Betreuern und der Mannschaft ist ja, dass wir wissen, was wir aneinander haben und dass die Geschlossenheit da ist. Was von außen rangetragen wird, belastet uns weniger.

SZ: Während dieser WM hatte man lange den Eindruck, Sie würden in die Rolle einer Art Edel-Fan gedrückt, den man irgendwie schlucken muss, weil er halt neben Joachim Löw mitläuft. Worin besteht Ihre Leistung, wie sieht diese Tätigkeit aus, die den DFB so misstrauisch macht?

Bierhoff: Es ist schwierig, das in einem Satz zu beschreiben. Bei mir läuft alles zusammen, was nicht auf dem Platz passiert - von den Liga- und Sponsoren-Kontakten bis zur Organisation und Medienarbeit. Dies alles in Abstimmung mit den Trainern in die richtige Richtung zu lenken, ist eine wichtige Aufgabe im Sinne des sportlichen Erfolgs. Dabei muss ich die Interessen der Nationalmannschaft manchmal intern, vor allem aber extern vertreten und durchsetzen.

SZ: Offenbar steckt da eine sehr starke Blitzableiterfunktion drin?

Bierhoff: Es gab schon immer viele Interessen rund um die Nationalmannschaft. Da muss man natürlich auch die Interessen des Teams vertreten. Obwohl seit der WM 2006 die Delegation nicht im Teamquartier wohnt, halte ich jedoch trotzdem engen Kontakt zu Präsident Dr. Zwanziger und Generalsekretär Niersbach. Zudem haben wir ein umfangreiches Rahmenprogramm entwickelt, neue Sponsoren gewonnen, belastbare Strukturen geschaffen mit unserer Spezialisierung: Datenbank, Scouting-System, Innovationen im Internet- und Video-Bereich - all das zeigt, dass die Nationalmannschaft auch außerhalb des Spielfeldes erfolgreich gemanagt wird.

"Natürlich habe ich Fehler gemacht"

SZ: Gehört dazu auch, den Lagerkoller bei Turnieren, wie etwa bei Engländern und Franzosen, einzudämmen?

Bierhoff: Eine Kernaufgabe für mich während der WM ist, den Trainern den Rücken freizuhalten. Und einzugreifen, wenn Probleme entstehen. Durch meine Erfahrung als Nationalspieler kann ich auch den engen Kontakt zu den Spielern halten und bei Konflikten vermitteln. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es nun beim dritten Turnier nacheinander keine Skandale innerhalb des Teams gab. Das ist kein Zufall, sondern akribische Arbeit.

SZ: Sie moderieren Konflikte, sobald sie entstehen? Gibt es ein konkretes Beispiel?

Bierhoff: Beim Eröffnungsspiel der WM 2006 ging es um den Einsatz von Kapitän Michael Ballack, der gerne gespielt hätte. Aber Trainer Jürgen Klinsmann meinte, dass er aufgrund der Verletzung noch nicht spielen sollte - das war so eine Situation, in der Spieler, Mediziner, Manager und Trainerstab gemeinsam die richtige Lösung finden mussten.

SZ: Haben Sie sich seit dem großen Crash mit der DFB-Spitze im Februar verändert?

Bierhoff: Ich hatte Zeit, die Situation zu analysieren. Natürlich habe ich Fehler gemacht. Aber ich habe auch gesehen, mit welchen Augen meine Rolle gesehen wird. Ich bin einer, der mehr auf die Handlungen als auf die Worte achtet.

SZ: Stichworte letzte Monate: Wie schwer war es, sich auf diese WM vorzubereiten inmitten all der vom DFB verursachten Turbulenzen und Krisen: Erst die Vertragssache, nahtlos anknüpfend die Kempter/Amerell-Affäre, Schiedsrichter-Blitzreform und all die Auswirkungen, die solche Dramen in einem Jahr haben, in dem die Funktionäre auch noch wiedergewählt werden wollen - wie steuert man da so ein WM-Projekt?

Bierhoff: Für uns hat in den vergangenen Monaten allein die Nationalmannschaft gezählt. Die Kraft für die WM-Vorbereitung haben wir immer untereinander gefunden, in unserem Team. Wichtig war, dass nach dem Vertragsstreit die Aussprache mit dem Präsidenten schnell folgte. Sicherlich war es zuletzt nicht immer leicht, weil auch während der WM das Thema Vertragsverlängerung ständig auf den Tisch kam. Das aber war vorauszusehen und während der Arbeit für uns kein Problem. Im Gegenteil, eine Motivation mehr - denn der Gedanke, dass man hundertprozentig seinen Weg gehen kann, ohne auf etwas Rücksicht nehmen zu müssen, ist doch positiv. Darüber habe ich auch mit Jogi Löw gesprochen: Man ist doch in solchen Situationen frei, kann die Dinge im Bewusstsein an das machen, woran man glaubt. Und nicht mit Bedacht darauf, irgendwas, das man vielleicht schon hat, zu retten und nicht verloren gehen zu lassen.

SZ: Öffentlich wird immer noch gern transportiert, Ihr Vertrag werde vom DFB nicht verlängert - obwohl diese Frage kaum noch allein in Händen einer DFB-Spitze liegen dürfte, deren öffentliche Beliebtheitswerte eher nicht an die des Nationalteams heranreichen. Wo stehen Sie jetzt, wollen Sie Löws Team wirklich verlassen?

Bierhoff: Solche Kommentare kamen immer wieder. Jogi und ich haben uns während der gesamten WM nie dazu geäußert. Wir haben immer gesagt: Wir setzen uns nach dem Turnier zusammen. Für mich ist die Arbeit im Team mit Jogi und den anderen Trainern sehr wichtig und klappt hervorragend, eine Fortsetzung meiner Arbeit als Nationalmannschafts-Manager gibt es nur mit Jogi, nicht ohne ihn.

SZ: Das Schlüsselgespräch führen Sie mit ihm?

Bierhoff: Ja, mit ihm, Hansi Flick und Andreas Köpke.

SZ: Und wenn Löw sagt, er möchte mit Ihnen weitermachen - geben Sie ihm einen Korb?

Bierhoff: Zu allererst rede ich natürlich mit meiner Frau. Aber die Arbeit mit Jogi hat immer sehr viel Spaß gemacht, und ein wichtiger Aspekt für unseren Erfolg hier ist auch die nahezu perfekte Teamarbeit, die wir zu viert miteinander pflegen.

SZ: Den Eindruck äußert jetzt auch DFB-Chef Zwanziger. Er sagt, er wolle Sie halten. Und auch anerkannte Experten wie Bayern-Chef Uli Hoeneß fordern öffentlich, das komplette Team von Löw über Bierhoff bis zum gleichfalls in Ungnade gefallenen Medienchef Stenger sollten bleiben - gibt es da noch Grund zu zögern?

Bierhoff: Die Unterstützung und Anerkennung von kompetenten Personen aus der Liga freut mich und ist sicher wichtig. Aber wie gesagt: Wir fokussieren uns zu hundert Prozent auf das Halbfinale heute, danach aber werden all diese Themen eine Rolle spielen.

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