WM 2010: Miroslav Klose:Tore für die Geschichte

Wer sind schon Ronaldo und Gerd Müller? Trifft Miroslav Klose gegen Uruguay, schiebt er sich auf Platz eins der ewigen WM-Torjägerliste. Das würde nicht nur den Angreifer selbst freuen, sondern auch Joachim Löw eine besondere Genugtuung bereiten.

Thomas Hummel

Ob Ronaldo wohl gerade am Strand von Rio das Leben genießt? Oder ob er doch ein paar schwere Gedanken hat vor diesem Spiel um Platz drei in einem fernen Ort namens Port Elizabeth? Schließlich könnte dort die Legende des Ronaldo Luís Nazário de Lima einen nicht unerheblichen Kratzer erhalten, sollte nämlich ein Kerl, der im noch ferneren Oppeln geboren wurde, ein Tor erzielen. Oder, was aus Ronaldos Sicht Gott verhindern möge, sogar zwei. Dann würde nämlich Ronaldo Luís Nazário de Lima seinen Status als treffsicherster Stürmer aller WM-Zeiten verlieren.

Der Kerl aus Oppeln heißt Miroslav Klose und spielt, weil er mit acht Jahren zusammen mit seiner Familie die Heimat Polen verließ, für Deutschland. Und was weder in Polen noch in Deutschland jemand vor vier Wochen für möglich gehalten hatte: Klose hat bei diesem Turnier schon wieder vier Tore erzielt, nach jeweils fünf bei den beiden vergangenen Weltmeisterschaften kommt der 32-Jährige nun auf 14 WM-Treffer. Nach dem Viertelfinale gegen Argentinien lag Bundestrainer Joachim Löw haargenau richtig, als er verlautbarte: "So eine Quote haben vielleicht noch ein oder zwei andere."

Die beiden anderen heißen Gerd Müller, mit dem Klose schon gleichgezogen hat. Und eben Ronaldo. Der Brasilianer war zwar 2006 in Deutschland mit erkennbarem Übergewicht über den Rasen gewankt, aber immer noch gut genug, drei Tore zu erzielen. Beim letzten umkurvte er im Achtelfinale den ghanaischen Torwart Richard Kingson, es war sein 15. WM-Tor und er feierte sich anschließend als ewiger WM-Torschütze Nummer eins.

Dass nun Miroslav Klose am Samstag im Spiel um Platz drei gegen Uruguay (20.30 Uhr) den Gipfel der WM-Stürmer erklimmen kann, erscheint immer noch ein wenig unwirklich. Wohl nicht einmal er selbst würde sich zu den besten Angreifern aller Zeiten zählen. Nach Klose befragt, betonte Bundestrainer Löw stets dessen selbstkritische Haltung. Und so weiß dieser auch, dass nicht viel gefehlt hätte und er wäre in Südafrika schnell von der Bildfläche verschwunden.

Noch als die Nationalhymne vor dem ersten Gruppenspiel gegen Australien lief, wunderten sich viele, dass da dieser Klose stehen durfte. Er hatte wahrlich eine fürchterliche Saison beim FC Bayern München hinter sich, im Angriff schwankte er zwischen den Positionen fünf und sechs und stritt sich mit Mario Gomez, wer denn nun als erster eingewechselt wird. Zumeist mit dem schlechteren Ende für Klose. Er wirkte vor allem seelisch angeschlagen, schlich bisweilen leicht melancholisch über den Rasen

Als dann in den wenigen Testspielen vor der WM auch noch Cacau mit Dynamik und Selbstsicherheit den hadernden Klose ersetzte, rechnete keiner mehr mit ihm. Nur ein Befürworter blieb, wenngleich ein recht einflussreicher: Joachim Löw.

Der Bundestrainer hielt an seinem Lieblingsangreifer fest und gab ihm so viel Zutrauen, dass dieser seine Melancholie verlor und Energie und Spielfreude wiederfand. Das Tor gegen Australien muss im Nachhinein als Auferstehung des Miroslav Klose in die Geschichte dieser DFB-Elf eingehen. Als ihn Löw vom Platz nahm, umarmten sich die beiden auffallend lange an der Seitenlinie. Nach dem 4:0 gegen Argentinien, als Klose noch einmal zwei Treffer erzielt hatte, lobte sich Löw auch ein bisschen selbst: "Wir wussten, dass Miro überragende Qualitäten hat. Ich habe nie an ihm gezweifelt."

Alle für Klose

Ein derart mit Selbstvertrauen vollgepumpter Klose gehörte vor allem in den Partien gegen England, gegen Argentinien und auch gegen Spanien zu den besten Deutschen auf dem Platz. Sein für einen Stürmer ausgeprochen kleines Ego machte ihn für den Löwschen Kombinationsfußball zum idealen Mann in den gegnerischen Abwehrlinien. Dass er mit 32 Jahren in Südafrika wohl seine letzte Chance verpasst hat, mit der Nationalmannschaft einen Titel zu gewinnen, setzte dem Stürmer im Moses-Mabhida-Stadion in Durban nach dem 0:1 gegen Spanien merklich zu. Aber auch Bundestrainer Löw, sofern er weitermacht, wird Probleme haben, seinen Kombinations-Angreifer zu ersetzen.

Doch vorher kann Miroslav Klose gegen Uruguay in die Fußball-Geschichte eingehen. Assistenztrainer Hans-Dieter Flick sagte, dass er einen eventuellen Elfmeter schießen dürfte. Manager Oliver Bierhoff berichtete, die Teamkollegen wollten unbedingt Bälle auflegen, um dem Mitspieler den Wunsch zu erfüllen "noch weiter vorzurücken".

Und so scheint Ronaldo nur noch auf den Rücken seines Widersachers hoffen zu können. Wegen Schmerzen konnte Klose am Freitag nur Laufen und nicht mit der Mannschaft trainieren. "Wir hoffen, dass er einsatzfähig ist. Zu hundert Prozent wissen wir es nicht", sagte Flick.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: