WM 2011: Melanie Behringer:Lira verdrängt, Chance genutzt

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Vor dem zweiten WM-Spiel gegen Nigeria gehört Melanie Behringer zu den Gewinnerinnen im deutschen Team: Sie hat Fatmire Bajramaj verdrängt, obwohl diese deutlich mehr Werbeverträge hat - und träumt vom nächsten "Tor des Monats".

Kathrin Steinbichler, Frankfurt

Wenn Melanie Behringer sich von Frankfurt aus aufmacht, ihr Heimatdorf zu besuchen, macht sie sich auf die Reise in eine andere Welt.

Training in Frankfurt: Fatmire Bajramaj (links) und Melanie Behringer. (Foto: dapd)

Rund zweieinhalb Stunden dauert die Autofahrt von der Mainmetropole in den Schwarzwald, bis nach Freiburg geht es auf der Autobahn voran, danach fährt sie über eine rund 35 Kilometer lange Panoramastrecke auf die kurvige Schauinslandstraße, fährt vorbei an den Gemeinden Gießhübel und Sonnhalde, vorbei an den Weilern Vorderes Elend und Hinteres Elend, und dann, nach dem doppelten Elend, liegt da das kleine Wieden. Ein staatlich anerkannter Erholungsort mit 600 Einwohnern und 640 Gäste- betten, mit einem Grillplatz und einem Tennisplatz, einem Hallenbad und einer Kegelbahn. Und vor allem: mit einem Melanie-Behringer-Stadion.

Wenn die 25-jährige Mittelfeldspielerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft davon erzählt, muss sie selbst lachen. Denn natürlich hat Wieden gar kein eigenes Stadion. Der Platz, der gerade 100 Meter von ihrem Elternhaus entfernt liegt, "das ist nur ein kleiner Dorfbolzplatz", sagt Behringer, "aber der heißt wirklich so". Ganz offiziell. Der Wiedener Bürgermeister hat das Schild dort höchstpersönlich angebracht, nachdem sie 2009 mit Deutschland die EM gewonnen hatte.

Als Behringer am Sonntag in Berlin im WM-Auftaktspiel der Deutschen gegen Kanada auflief, saß ganz Wieden vor dem Bildschirm, und auch diesen Donnerstagabend, beim zweiten WM-Vorrundenspiel gegen Nigeria (20.45 Uhr/ ARD), wird das wieder der Fall sein.

In den Wochen davor war ja der Platz im linken Mittelfeld der deutschen Frauen-Nationalelf heftig umkämpft. Spielt die Potsdamerin Lira Bajramaj, immerhin dritte bei der jüngsten Wahl zur Weltfußballerin? Oder Célia Okoyino da Mbabi vom SC 07 Bad Neuenahr, die Nachwuchskünstlerin in der deutschen Offensive? Oder eben die schon erfahrene Behringer vom 1.FFC Frankfurt, diese robuste, verlässliche Arbeiterin mit dem Schuss, der auch den Männern unter den Fans ein Raunen der Anerkennung abringt?

Am Ende spielten Okoyino da Mbabi und Behringer, die eine vorne im Sturm, die andere auf der linken Seite. "Mel hat sich gut präsentiert", lobte Bundestrainerin Silvia Neid, die trotz der noch vielen kleinen Unzulänglichkeiten im deutschen Spiel an ihrer Startaufstellung auch gegen Nigeria zunächst nichts ändern will.

"Ich habe meine Chance wahrgenommen und auch genutzt, glaube ich", sagt Behringer. Schon während der letzten Trainingstage vor der WM war sie entspannt, "ich fühle mich einfach gut". Und der ganze Rummel, die öffentlichen Personaldiskussionen?

WM 2011: Einzelkritik Äquatorialguinea
:Der Kampftanz der Magierinnen

Keeperin Miriam Silvia da Paixao guckt die Bälle aus dem Tor, Diala Blessing mimt den Carlos Valderama, Stürmerin Genoveva Añonma schießt aus sieben Metern ebenso weit daneben. Die Nationalspielerinnen aus Äquatorialguinea beim 0:1 gegen Norwegen in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Augsburg

"Lira und ich haben darüber gesprochen und sind uns einig, dass das alles ein bisschen hoch gehängt wird", sagt Behringer. "Ich habe ohnehin mit Lira noch nie so viel gesprochen wie bei dieser WM, das ist echt harmonisch, und wir spielen nächstes Jahr ja auch zusammen in Frankfurt. Wir sind zwei völlig verschiedene Typen, und beide werden gebraucht in diesem Turnier, und das wissen wir auch."

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Jürgen Schmieder, Augsburg

In Berlin, beim 2:1 gegen Kanada, wühlte Behringer die linke Seite auf. Sie schlug wuchtige Flanken und trat gezielte Eckstöße, doch "die Abstimmung hat noch gefehlt", sagt Behringer, "das wissen wir auch selbst. Wir müssen die Abstände zur Abwehr und im Mittelfeld noch kleiner machen, besser verschieben."

Wenn es gut läuft, wird sie dann gegen Nigeria auch ihre Spezialität versuchen: Weitschusstreffer der Marke Tor des Monats. Im EM-Finale 2009 gegen England war ihr solch ein strammer Torschuss aus 35 Metern gelungen, die ARD-Zuschauer wählten ihr 2:0 (Endstand 6:2) danach zum "Tor des Monats".

Gegen Nigeria, bei dem Torhüterin Precious Dede gerne mal einen Schritt zu weit vor dem Tor steht, wird sie genau darauf spekulieren. "Ich schaue immer wieder mal, ob sich die Gelegenheit bietet", sagt Behringer, "und wenn, halte ich einfach drauf." Gegen Nigeria, sagt auch ihre Zimmergenossin Babett Peter, die hinter Behringer die linke Seite verteidigt, "wollen wir möglichst früh treffen, dann ist auch die Trainerin beruhigter".

Mit einem zweiten Sieg stünden Deutschlands Chancen auf einen Viertelfinaleinzug sehr gut, sollte Kanada im Spiel davor Frankreich (18 Uhr/ ARD) besiegen, wäre die deutsche Mannschaft so gut wie in der nächsten Runde. Doch so weit will Behringer noch nicht denken: "Nach dem 8:0 im Herbst denkt jeder, das geht diesmal genauso aus. Aber Nigeria steht unter Druck, denen droht das Ausscheiden. Die werden sich mit allem in dieses Spiel werfen, was sie haben."

Wenn es am Ende klappen sollte mit dem Titel, was macht dann wohl Wieden? "Wir haben nur diesen einen Platz", sagt Behringer und lacht, "was will ich noch mehr." stein

© SZ vom 30.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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