WM 2010: Lexikon:Wenn der L. zum Fuchs wird

Wie sich stilecht über eine Niederlage hinwegtrösten? Wie mit Halbwissen über regionale Flora und Fauna prahlen? Eine kleine lexikalische Gebrauchsanweisung in Bildern

Christian Zaschke

13 Bilder

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Argentinien: Land in Südamerika, dessen Fußballmannschaft bei der WM in Südafrika zu den Top-Favoriten gehört, obwohl der Trainer Diego Maradona von -> Taktik überhaupt keine Ahnung hat. Er berief zum Beispiel übertrieben viele Weltklassestürmer wie Messi, Tevez, Higuain, Agüero oder Milito in seinen Kader, aber nicht einen Verteidiger. Es sei denn, man lässt den stets freundlichen, engagierten und modebewussten (Stirnbänder) Martin Demichelis aus -> Bayern als Verteidiger durchgehen.

Bayern: a) Freistaat im Südosten der Bundesrepublik Deutschland, der von gleichnamigen Menschen (den B.) und sogenannten Zuagroastn (z.B. Demichelis) bewohnt wird. Wollen Sie von B. nach Südafrika reisen, dann folgen Sie der Empfehlung eines ehemaligen Ministerpräsidenten: Steigen Sie in München in den Hauptbahnhof ein, der Rest ergibt sich. b) Kurzname eines Münchner Fußballklubs, Langform: FC B. München. Die B. stellen traditionell fast die komplette deutsche Nationalmannschaft sowie neuerdings (Globalisierung) auch Teile u.a. der argentinischen (-> Argentinien). Mittelfristig werden die B. wohl mit einer eigenen Nationalmannschaft bei den WM-Turnieren antreten.

Japan v Ivory Coast - International Friendly

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Castle Lager: leckeres südafrikanisches Bier, obwohl es auf einen Engländer zurückgeht. Charles Glass braute es erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Südafrika. Verkaufte sein C. 1895 an die South African Breweries, zog anschließend um ins wunderschöne -> Schottland. Fans fast aller Mannschaften werden früher oder später bei einem C. darüber grübeln, warum ihr Team es nicht geschafft hat (-> Niederlage).

Didier Drogba: Phänomen, das hoch in die Luft steigt, auch wenn sieben Verteidiger an seinem Trikot hängen; manchmal pflügt D. das Feld, manchmal fliegt D. auch über den Rasen, D. ist eine Sensation und in seiner Heimat, der Elfenbeinküste, ist er Vorbild, Ikone, Idol. Aber wenn nicht ein medizinisches Wunder geschieht, kann er nicht mitspielen bei der WM, Ellbogenbruch, und das ist so traurig, dass den Fans auch ein leckeres -> Castle Lager nicht darüber hinweghelfen kann. D. wird fehlen.

Zweikampf

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Elenantilope: Die E. gehört zu den eher gemächlichen Tieren. Sie lebt so hier und da in Südafrika, und sie ist echt gut darin, ihren Gott eine gute E. sein zu lassen. Dem Menschen gegenüber tritt sie freundlich auf, ihr natürlicher Feind ist der -> Löw. Wenn sie einen erblickt, gibt sie, wie man unter E.n so sagt, reichlich Fersengeld, sie wird bis zu 70 km/h schnell, ist also fast so gut unterwegs wie -> Didier Drogba. Dass der nicht dabei sein kann: Darüber helfen auch zwei leckere -> Castle Lager nicht hinweg.

Fynbos: Es gibt nur sechs Florenreiche auf der Erde. Mehr nicht. Der F. ist eines davon, eine Welt, die voller Pflanzen ist und ganz leer von Fußball. Zu finden in der Kapgegend Südafrikas, immer, jeden Tag. Pflanzenfreunde aus aller Welt reisen an und bestaunen die Artenvielfalt, und warum sollte nicht auch unter den Fußballfans der eine oder andere sein, der sich außer für Hopfen und Gerste (-> Castle Lager) noch für andere Formen der Flora interessiert?

Weißer Jackson-Handschuh vor Verteigerung

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Gauteng: Eine von neun Provinzen Südafrikas, Hauptstadt ist das rund 1750 Meter hoch gelegene Johannesburg. Gauteng heißt übersetzt so viel wie "Ort des Goldes", weshalb sich zwei Drittel aller WM-Teilnehmer in der kleinen Provinz angesiedelt haben. Offiziell behaupten sie, dass sie wegen der Höhenluft dort wohnten, in welcher der Mensch herrlich viele rote Blutkörperchen bildet (das geht natürlich auch anders, vgl. z.B. Radsport). Im Grunde findet die WM also in Gauteng statt, und nur ein paar Verirrte wie Dänen, Franzosen oder Japaner haben sich ans Kap begeben, was darauf hindeutet, dass in diesen Teams das Interesse an Botanik (-> Fynbos) letztlich doch größer ist als am Fußball.

Handschuhe: Bekanntlich ist dies die erste WM, die im Winter gespielt wird, und nur noch wenige Menschen vertreten hierzulande die Ansicht: "Ach, in diesem Afrika hat's ja auch im Winter noch 40 Grad." In Johannesburg ist es im Juni und im Juli tagsüber mild, nachts laufen die Temperaturen jedoch nachgerade spielerisch auf den Gefrierpunkt zu, und wenn sie sich Mühe geben, erreichen sie ihn auch. Die Brasilianer werden also mit Sicherheit sowohl in Fußball- als auch in H.n spielen, die meisten anderen Teams überlegen noch; die -> Argentinier wollen es von ihrer sogenannten -> Taktik abhängig machen.

Germany - South Tyrol Training Camp - Day 5

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isiXhosa: Was zunächst anmutet wie eine dieser nicht bloß orthografisch lächerlichen Schreibweisen, die von Marketingspaßvögeln ersonnen werden (vgl. HypoVereinsbank, Arena AufSchalke), ist der Name einer der elf Amtssprachen Südafrikas. Neun Millionen Menschen sprechen i. Das sind mehr, als es Österreicher gibt. Und wie das Österreichische verfügt i. über Laute, die sich von Zuagroastn (-> Bayern) niemals reproduzieren lassen. Charakteristisch sind Schnalzlaute, wie man sie in Fußballstadien wenigstens annähernd ähnlich hören wird, wenn der Taktikverächter Diego Maradona (-> Argentinien) eine breit angelegte Sturmreihe mit Messi, Tevez, Higuain, Agüero, Milito und Demichelis (-> Bayern) aufbietet.

Jabulani: Der J. ist der WM-Ball, der nach ersten Erfahrungen wie ferngesteuert fliegt. Manchmal segelt er mehr oder weniger geradeaus, dann biegt er überraschend nach links ab und nimmt umgehend eine Kurve nach rechts. Zeichnete man seine Bahnen aufs Feld, ergäben sich ziemlich genau die üblichen Laufwege (-> Taktik) von Martin Demichelis (-> Bayern). Das Wort J. stammt aus der Sprache der -> Zulu und bedeutet soviel wie "feiern". Der J. sieht besser aus als der Ball der WM 2006, bei dem der deutsche Hersteller ein Design gewählte hatte, das an Damenbinden gemahnte. Und er fliegt schneller als eine -> Elenantilope bei Anblick eines -> Löws rennt.

Länderspiel - Deutschland -  Bosnien-Herzegowina

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Kap der Guten Hoffnung: Das K. trägt von allen Kaps auf der Welt (z.B. Kap Hoorn, Kap Leeuwin, E. Kapplani) den schönsten Namen, und es ist sinnfälliges Symbol dafür, dass wirklich und wider die realistischen Befürchtungen zu hoffen ist, dass diese WM trotz allen Kommerzes, trotz des Funktionärsgrößenwahns, des allfälligen Betrugs, der persönlichen Bereicherung usw., trotz allem also, was Profisport nun mal so ausmacht, für Südafrika und vielleicht sogar für den Kontinent mehr sein kann, als bloß ein Fußballturnier, das der reiche Teil der Welt gnädigerweise dort austrägt, wo erste und dritte Welt unmittelbar aufeinanderprallen.

Löw: a) Der L. ist Hauptfigur eines zauberhaften, lieduntermalten Internetfilms, der sich bei Youtube unter dem Namen "Der König der Tier" finden lässt. Der König der Tier ist nicht die (->Elen-) Antilop, nicht die Giraff, nicht der Aff und schon gar nicht die Henn. Es ist der L. b) Nachname des Trainers der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, der in Fragen der -> Taktik bisweilen zum Fuchs werden kann.

Herman Melville

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Melville: a) Nachname des amerikanischen Autors Herman M., der den vielleicht größten Roman englischer Sprache verfasste, in dem es allerdings nicht um Fußball geht, sondern um einen Wal, der im Grunde nur wenig mehr tut, als hin und wieder aufzutauchen und folgenreich Wasser in die Luft zu pusten. ("Wal, da bläst er!"). b) Stadtteil in Johannesburg (-> Gauteng), der als Künstlerviertel bezeichnet wird und für die Lektüre von dicken Büchern sowie den Verzehr einiger leckerer -> Castle Lager wie gemacht zu sein scheint.

Niederlage: 31 der 32 Teams werden sich früher oder später - hier gleicht der Fußball dem Leben - mit dem Phänomen der N. konfrontiert sehen, es erscheint daher sinnvoll, sich eine Haltung für diesen Moment zu überlegen. Empfohlen sei, der N. stets mit Würde zu begegnen.

Zeitumstellung

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Ortszeit: Der Begriff O. führt die geographische und die temporale Ebene in einem Wort zusammen, und anders als in albernen Wichtigtuer-Konstruktionen wie "zeitnah" ergibt das Ganze sogar Sinn. Normalerweise ist Südafrika den "Deutschland" genannten Breiten um eine Stunde voraus, da es jedoch die Umstellung auf Sommerzeit (-> Handschuhe) als überflüssig empfindet, herrscht zur WM hier wie dort die gleiche O.

Port Elizabeth: Stadt in Südafrika, gebettet an die Küste, Austragungsort des ungeliebtesten aller Spiele: des Spiels um den dritten Platz. Wer in dieser Partie antreten muss, der hat so kurz vor dem letzten, dem größten Spiel eine -> Niederlage erlitten und darf dann nicht mal nach dem Verzehr einiger -> Castle Lager nach Hause reisen, sondern muss warten und warten, um dann fernab des Finalorts anzutreten und ums große Nichts zu spielen. Kleiner Trost: Von P. aus lässt sich der -> Fynbos erkunden, und das ist doch auch, sagen wir: nicht schlecht.

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Queiroz: Carlos Q., Nationaltrainer Portugals, ist eine der interessantesten Figuren der WM. Er gilt als Entdecker der goldenen Generation von Portugals Fußball, zu der Spieler wie Rui Costa und Luis Figo gehörten. Er qualifizierte sich mit Südafrikas Team für die WM 2002, trat jedoch vor dem Turnier zurück. Bei Manchester United war er Assistent des schottischen Trainers Alex Ferguson (-> Schottland). Zwischendurch trainierte er den chaotischsten Haufen des Weltfußballs, Real Madrid. Geboren wurde Q. in Mosambik. Wer in dieser Weise Erfahrungen aus Portugal, Spanien, -> Schottland und Afrika in sich vereint, der ist allemal fähig, einen Gockel wie Starspieler Cristiano Ronaldo zu integrieren und seine Mannschaft gelassen zum Weltmeister zu machen.

Rooney: Immer wieder gern erzählt, wie Wayne R. einer Prostituierten nach einer gemeinsamen Nacht die Nachricht hinterließ: "Für Charlotte, ich vögelte dich am 28. Dezember, alles Liebe, Wayne Rooney". Normalerweise sind es andere, die R.s Taten schriftlich verewigen, dann geht es allerdings meist um Profanes, Fußball und so. Sollte R. auch über sein Handeln während der WM schriftlich Zeugnis ablegen, so glauben nicht wenige (meist Engländer), dass der letzte Vermerk sein könnte: "Für England, ich machte dich am 11. Juli zum Weltmeister, alles Liebe, Wayne Rooney"

Sean Connery wird 75

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Schottland: Wunderschönes Land, das bei dieser WM unerklärlicherweise nicht dabei ist, über seinen Sohn Alex Ferguson aber Einfluss nahm auf Portugals Trainer Carlos -> Queiroz und deshalb an Portugals WM-Sieg mehr als nur ein bisschen beteiligt wäre. S. wurde überdies Charles Glass, dem Schöpfer des -> Castle Lagers, zur Heimat, nachdem er Südafrika verlassen hatte.

Taktik: Die T. ist ein bisweilen von Fußballtrainern angewandter Trick, Spieler so über das Feld zu verteilen, dass sich die Gewinnchancen erhöhen. Zu den Mysterien der T. gehören die sogenannten Laufwege. Grundsätzlich geht es allerdings auch ohne T., wie das Beispiel Diego Maradonas zeigt (-> Argentinien). Besonders t.affine Trainer werden T.-Füchse genannt (-> Löw).

FBL-WC2010-SAFRICA-POLOKWANE-FEATURES

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Uwe Seeler: U. ist ein ehemaliger deutscher Nationalspieler, dessen Name in den Ohren von Fans nach dem Genuss einiger leckerer -> Castle Lager verblüffend genau so klingt wie die südafrikanische Tröte -> Vuvuzela.

Vuvuzela: Die V. ist eine südafrikanische Tröte, deren Name in den Ohren von Fans nach dem Genuss einiger leckerer -> Castle Lager verblüffend genau so klingt wie der ehemalige deutsche Nationalspieler -> Uwe Seeler.

Vorschaum 'Miss WM'-Wahl in Rust

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Wetten: Der Einfluss von W. auf Fußballspiele wird noch immer unterschätzt. Ob Jugend-, Liga- oder Länderspiele, immer werden W. platziert, und manchmal gehen die Spiele dann genau so aus, dass die überraschend hohen W. einer bestimmten Gruppe sich als überaus lohnend erweisen. So etwas gab's noch nie bei einer WM? W. doch?

X-Beine: Die X. sind das Arbeitsgerät vieler Fußballer, sie treten allerdings aus Trotz nicht selten als ihre Verneinung auf (sogenannte O-Beine). Werden bei der WM womöglich wegen der Kälte (-> Handschuhe) bisweilen von langen Unterhosen gnädig umhüllt, wobei sich die Funktionäre (womöglich nach dem Genuss einiger leckerer -> Castle Lager) ausgedacht haben, dass die Unterhosen farblich zum Trikot passen müssen.

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Yaya Touré: Nach dem wahrscheinlichen Ausfall von -> Didier Drogba ist Y. einer der Starspieler der Elfenbeinküste. Wären Namenswitze erlaubt, dann wäre es vielleicht sogar fruchtbar, sich über eine Liaison von Y. mit der Sängerin Neneh Cherry Gedanken zu machen, über das fordernd-verneinende Wechselspiel der Vornamen. Aber da Namenswitze zum Glück sowas von verboten sind, ist es fruchtbar, sich darüber Gedanken zu machen, wie Y., sein Bruder Kolo und all die anderen mit der Elfenbeinküste Runde um Runde überstehen und den schließlich überraschend gewonnenen WM-Titel auch dem Mann widmen, der fehlt (-> Drogba).

Zulu: Die Z. sind die größte ethnische Gruppe Südafrikas, aus deren Sprache isiZ. der Name des Spielballs -> Jabulani stammt. Sie ist reich an klingenden Wörtern, "Impela" zum Beispiel heißt in der Sprache der Z. "Wahrheit", und diese liegt bekanntlich auf dem Platz, wohingegen "Kwenzeni!" so viel bedeutet wie "Macht es!", was sich aus gegebenem Anlass mit Franz Beckenbauer etwas freier übersetzen lässt als: Geht's raus und spielt's Fußball.

© SZ vom 09.06.2010/leja
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