WM 2010: Lahm vs. Ballack:Lass gut sein, Capitano!

Michael Ballack sollte den Rat von Uli Hoeneß befolgen und nach der Weltmeisterschaft so von seinem Amt zurücktreten, wie er jahrelang im Mittelfeld gewirkt hat: mit Würde.

Dominik Prantl

Uli Hoeneß, der langjährige Instinkt-Manager und heutige Präsident des FC Bayern München, hatte wohl wieder einmal das richtige Gespür, als er nur wenige Tage vor der Weltmeisterschaft einen freundlich gemeinten und dennoch unerfreulichen Gruß an den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft schickte: "Auch wenn es bitter ist: Man muss den Zeitpunkt, wann es genug ist, auch erkennen." Seine Worte richteten sich nicht an Interimskapitän Philipp Lahm, sondern an Michael Ballack, der trotz seiner Verletzung bis vor wenigen Wochen als unumstrittenes Alphatier in der DFB-Elf galt. Jetzt ist er das nicht mehr.

Zeitung: Moeglicherweise Differenzen zwischen Ballack und Lahm

Bild aus vergangenen Tagen: Michael Ballack und Philipp Lahm beim gemeinsamen Feiern.

(Foto: ag.ddp)

Viele Jahre war Ballack - neben Vorgänger Oliver Kahn und dem potentiellen Nachfolger Lahm - der einzige deutsche Spieler, dem auf dem Feld das Prädikat Weltklasse gebührte. Er wusste um seine Ausnahmestellung, seine fußballerische Klasse, und genauso agierte er in der Öffentlichkeit: wie jemand, der sich seiner Vormachtstellung sehr bewusst ist. Schon während der Europameisterschaft vor zwei Jahren rumorte es in der Mannschaft. Das autoritäre Auftreten von Ballack und dessen kumpelhaftem Adjutanten Torsten Frings erwuchs zum Thema. Der Kapitän sei nicht positiv genug, hieß es. Ballack gab sich auch fortan wenig Mühe, jungen Kollegen den Rücken zu stärken. Lieber schwärmte er in Interviews über englischen Fußball und seinen FC Chelsea. Der alte Löwe Frings wurde Anfang des Jahres aussortiert, nun könnte der 33-jährige Ballack folgen.

Es ist davon ausgehen, dass der besonnene, nie unterwürfige Philipp Lahm seine Worte mit Bedacht und dem entsprechenden Rückhalt in der Mannschaft wählte, als er gestern einer Journalistenrunde in Südafrika erklärte: "Die Rolle des Kapitäns macht mir sehr viel Spaß. Ich habe Freude daran. Wieso sollte ich das Amt dann freiwillig abgeben?" Sogar auf die Frage, ob die Nationalelf Ballack überhaupt noch brauche, gab Lahm eine ausweichende wie eindeutige Antwort: "Es steht mir nicht zu, dass ich bei dieser Frage ja oder nein sage." Und es dürfte auch kein Zufall sein, dass Ballack noch am selben Abend der Nationalelf den Rücken zuwendete, auch wenn der DFB die überraschende Abreise mit den besseren Reha-Möglichkeiten in der Heimat begründete.

Auf wundersame Weise hat sich diese junge deutsche Mannschaft ausgerechnet während Ballacks Abwesenheit jenes Prädikat erarbeitet, das Ballack vorbehalten war: Weltklasse. Tatsächlich wird der künftige Leverkusener weder als Dirigent noch als Antreiber oder PR-Mann gebraucht. Sein Amt als Spielführer hat der sieben Jahre jüngere Lahm übernommen, der mehr moderiert als diktiert. Ballacks Rolle als Mittelfeld beherrschender Spieler interpretiert wiederum der gereifte Bastian Schweinsteiger unschlagbar gut, wenn auch mit einer etwas fringslastigen Ausrichtung. Und im Bannkreis der beiden ist offensichtlich eine neue Aura der Kreativität und Spielfreude entstanden.

Ballacks Führungsstil hingegen ist spätestens seit dieser Weltmeisterschaft genauso überholt wie das Klischee vom deutschen Rumpelfußball. Selbst wenn er sich den neuen Führungsspielern als normales Teammitglied unterordnen würde, rechtfertigen allenfalls die alten Verdienste eine Fortsetzung der Nationalmannschaftskarriere. Wenn er aber den Rat seines ehemaligen Vereinsmanagers Uli Hoeneß befolgt, könnte er nach der Weltmeisterschaft so aus der Nationalelf zurücktreten, wie er jahrelang im Mittelfeld gewirkt hat: mit Würde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: