WM-Kolumne: Die Vorstopperin:Ballerinas bolzen nicht

Jahrelang hat der DFB Frauenfußball verboten - aus "ästhetischen" Gründen. Jetzt dürfen Frauen Fußball spielen, doch immer noch löst das hitzige Debatten über das Verständnis von Weiblichkeit aus. Alice Schwarzer findet, Frauenfußballerinnen sollen darauf pfeifen, ihr Frausein zu inszenieren. Warum eigentlich?

Kathrin Haimerl

Erst einmal zu den wichtigen Dingen: Die deutsche Elf hat am Samstag gegen Japan mit 0:1 verloren. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Eigentlich. Aber es ist ja Frauenfußball-WM.

Frauen WM Vorstopperin

Fußball, weiblich: Der Preston Ladies Football Club 1937 beim Aufwärmen. 

(Foto: Getty)

Fußball dient der Völkerverständigung, das sagen Fußballfans gerne, um die Leidenschaft für ihren Sport auf eine höhere Ebene zu stellen. Ich persönlich bin bekennender Fußballmuffel und finde es gleichermaßen absurd, wenn 20 Menschen einem Ball nachjagen, während zwei Menschen in eckigen Behältnissen verwahrt werden, und wieder andere Menschen im Seitenraum hektisch gestikulierend versuchen, auf das Geschehnis Einfluss zu nehmen. Ich interessiere mich nicht für Fußball. Ganz egal, ob es sich dabei nun um Männer oder um Frauen handelt.

Damit habe ich etwas gemein mit Alice Schwarzer. Auch sie interessiert sich nicht für Fußball, wie sie kürzlich in einem Interview mit der taz kund tat. Wenn Schwarzer überhaupt Fußball schaut, dann Frauenfußball. Denn den feiert sie als Erfolg des Feminismus.

Damit hat sie vermutlich nicht ganz Unrecht, denn der Deutsche Fußballbund (DFB) hat zwischen 1955 und 1970 den Frauen das Fußballspielen "aus ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" verboten. Erst Ende der 1960er lenkte er ein und hob das Verbot auf. 1974 fand die erste Deutsche Frauenfußballmeisterschaft statt, 1982 spielte erstmals eine DFB-Frauennationalelf. Das grenzt im Grunde sowieso an ein Wunder, wenn man bedenkt, dass eine Frau in Westdeutschland bis 1977 die Genehmigung ihres Ehemannes benötigte, wenn sie einer Arbeit nachgehen wollte.

Wie gesagt, ich verstehe nichts von Fußball. Allerdings sollten sich alle Fußballkenner erst einmal diese Geschichte kurz in Erinnerung rufen, bevor sie Kommentare über das Können der Profi-Fußballerinnen abgeben. Liebe Herren, die Frauen spielen halt noch nicht so lange. Wenn wir schon bei Vergleichen mit dem Männerfußball sind: Die Frauen tun das nach wie vor nicht hauptberuflich und scheffeln auch keine Millionen.

Darüber hinaus dürfte bei den meisten Spielerinnen auch kein feministischer Antrieb dahinter stecken: Im "Sagen-Sie-Jetzt-Nichts"-Interview mit dem SZ-Magazin etwa hält sich Lira Bajramaj auf die Frage, ob sie schon einmal ein Buch von Schwarzer gelesen habe, die Augen zu. Die Frauen haben diese absurde Situation längst erkannt, sie spielen trotzdem weiter. Um es frei nach Camus zu sagen: Wir müssen uns diese Fußballerinnen als glückliche Menschen vorstellen.

Frauenfußball? Ja, mei!

Natürlich kommt die taz mit Schwarzer auch auf die Sache mit der Inszenierung der Weiblichkeit zu sprechen, was ja mit zu den "grundsätzlichen Erwägungen" für das Frauenfußballverbot des DFB gehörte. Die Organisation sorgte sich um die Weiblichkeit der Frau, die beim Fußballspielen Schaden nehmen würde. Auch Schwarzer hat dazu eine ganz dezidierte Meinung: Frauen, die darauf pfeifen, ihre Weiblichkeit zu inszenieren, sind vernünftig. Fußballerinnen, die gleichzeitig sexy sein wollen, liefen Gefahr als Objekt gesehen zu werden.

Im Vorfeld der WM haben sich fünf Nachwuchs-Fußballerinnen für den Playboy ablichten lassen, was international Beachtung fand, unter anderem im englischen Revolverblatt The Sun, das dazu die Zeile dichtete: "German footie girls can playboy." Für ähnlichen Wirbel sorgte die Szene, als Simone Laudehr beim WM-Finale gegen Brasilien 2007 ihr Shirt hochzog und dabei der Nation ihren durchtrainierten Bauch präsentierte. Zweifelsohne ein schöner Anblick.

Aber: Dürfen Fußballerinnen das? Oder wirft das den Frauenfußball nicht wieder um Jahre zurück? Und: Warum reden wir nicht darüber, wenn ein Fußballer dasselbe macht? Ist es eigentlich in Ordnung, wenn weibliche Fans männliche Fußballer auf das Körperliche reduzieren?

Gender Trouble eben. Diesen Begriff hat die US-amerikanische Philosophin Judith Butler geprägt, die in den 1990ern den feministischen Diskurs aufwirbelte, indem sie die Existenz von zwei Geschlechtern grundsätzlich leugnete. Sie sah es als Paradox, dass der damalige Feminismus die Frauen gerade in ihrer unveränderlichen Identität einsperrte.

Butler argumentierte, dass sich aus dem Diskurs heraus neue Möglichkeiten für die Geschlechterwahrnehmung eröffneten, durch ständige Wiederholung ließen sich die Identitäten verschieben. Auf den Frauenfußball könnte man das in etwa so übertragen: Wenn die Spielerinnen nicht mehr als Mannweiber gelten wollen, dann müssen sie sich weiblich geben, um den Fußball für Frauen zu erschließen.

Es gibt aber auch noch eine andere Art, den Fußball grundsätzlich und den Frauenfußball im Besonderen zu sehen. Als Unterhaltung. Oder, wie es ein etwas untersetzter Herr letztens beim Bäcker ausgedrückt hat: "Es ist halt lustig." Der Herr hatte eine recht laute Stimme und pflegte auch sonst einen eher rauen Umgangston.

Er arbeite "am Bau", verriet er der Verkäuferin, als er ihr den Euro für die Bild-Zeitung gab, jenem Blatt also, für das die Fußballfrauen im Fernsehen werben und in dem Mario Basler kräftig über die Frauen-WM ablästern darf. Auf dem Titel stand an diesem Tag die Schlagzeile "Prima! Ballerinas!" Mental macht man sich in solchen Situationen schon drauf gefasst, dass jetzt noch ein geschmackloser Nachsatz kommt. Sowas wie: "Ich schau mir ja auch gern die Paralympics an, das ist auch lustig."

Aber es kam nichts. Und in der Stimme des Herrn lag auch kein hämischer Unterton. Er schaut sich die Spiele halt einfach gerne an. Ja, mei, sagte er dann noch, zuckte mit den Schultern, drehte sich um und verschwand in Richtung "Bau".

Ja, mei. Im Grunde ist das eine schöne, entspannte Haltung nicht nur dem Frauenfußball gegenüber.

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