WM-Kampf im Schwergewicht:Fortsetzung folgt

Vitali Klitschko plant nach seinem überzeugenden Sieg gegen Samuel Peter weitere Auftritte in der Familienserie mit seinem Bruder.

Bertram Job

Als es tatsächlich geschafft war, sprangen die Männer in seiner Ecke jauchzend in die Höhe und herzten einander mit ungebremster Ekstase. Nur der erklärte Held des Abends brauchte offenbar noch ein paar Momente, um in sich zu gehen.

WM-Kampf im Schwergewicht: Ein doppelter Treffer, am Ende gewann

Ein doppelter Treffer, am Ende gewann

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Regungslos starrte Vitali Klitschko, der 37-jährige Doktor der Sportwissenschaften, auf den Ringboden zu seinen Füßen, bis ihn endlich sein verzücktes Brüderchen Wladimir anfiel. Und selbst dann zeigte er zunächst eine eher verhaltene Reaktion - als habe ihm irgendwas an diesem prächtigen Abend, der ihn endgültig in die große Boxgeschichte eingehen ließ, dennoch nicht ganz gepasst.

Später bestätigte Vitali Klitschko, dass er es in diesen Sekunden noch nicht fassen konnte, als die Betreuer des bis dahin amtierenden Champions Samuel Peter in der Pause zur neunten Runde die Aufgabe signalisierten - und er dadurch zum dritten Mal in seiner denkwürdigen Laufbahn zum Weltmeister avancierte.

Erschwerend kam noch hinzu, dass auch der Wille dazu fehlte, denn der eindeutige Sieger in dieser einseitigen Partie fühlte sich um den avisierten Schlussakt betrogen. Er spürte schon in den letzten Runden, dass der entscheidende K.o.-Treffer nicht mehr weit war; dennoch entglitt ihm so kurz davor die Regie. "Ich sollte diesen Kampf beenden", erklärte er hinterher, "nicht Samuel Peter."

Der neue Weltmeister nach Version des World Boxing Council (WBC) ist eben "ein Wettkampftyp", wie sein Trainer Fritz Sdunek ihm einmal mehr attestierte. Und solche Charaktere möchten das Geschehen im Ring gerne so umfassend wie nur möglich diktieren. Mit einigem Abstand aber wird vielleicht auch ihm klar werden, dass diese Art des Triumphes sogar die deutlichste war.

Dr. Eisenfaust hatte seinen vorab hoch eingeschätzten Widersacher unter dem Dach der Arena in Berlin so eindeutig und komplett beherrscht, dass die Aufgabe durch seine Sekundanten den sportlichen Bankrott adäquat manifestierte: Das gegnerische Lager, das die lukrativen Titelehren verteidigen wollte, hatte zu diesem Zeitpunkt in der Tat nichts mehr anzubieten.

Ein furioser Auftakt war vermutet worden bei diesem Gipfel zweier schlagkräftiger Profis, die für ihre Defensive nie einen Preis erhalten werden. Schon im ersten Durchgang jedoch deutete sich das Drama des 115 Kilogramm schweren Titelverteidigers an: Er würde bei seinen Versuchen, sich gegen den um 16 Zentimeter Körpergröße überlegenen Gegner in die Schlagdistanz zu bringen, fast pausenlos bestraft werden.

Trainer Sdunek hatte dem mehrfach operierten Herausforderer aus Kiew im Training noch einmal Beine gemacht - und ihn ausdrücklich ermuntert, methodisch einen Fehler zu begehen. Vitali Klitschko ließ die Führhand im 38. Ringduell (36 Siege, zwei Niederlagen) so nachlässig herunter, dass sich Scholastiker des Faustkampfs die Haare raufen durften: So offen präsentiert man sich in einem brisanten WM-Kampf eigentlich nicht.

Klitschko konnte sich das leisten, weil Distanzgefühl und flinke, wenn auch staksige Beine ihn sofort aus der Gefahrenzone brachten. Und in der Offensive wurden die vielen Treffer, die er mit links landete, zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Unterhalb des Blickfeldes seines Gegners angesetzt, schnellten sie so überraschend wie schmerzhaft nach oben, an dessen Kopf. Dort hinterließen sie physisch wie mental schnell ablesbare Wirkung.

Trotzig und etwas tumb walzte der K.o.-König aus Nigeria Runde um Runde seinem Peiniger hinterher - eine aussichtslose Figur wie aus einem Theaterstück von Samuel Beckett. Selten hat man einen WM-Kampf im Profiboxen erlebt, in dessen Verlauf der Titelträger nicht eine Runde für sich gestalten konnte. "Vitali hat ihn wie einen Anfänger aussehen lassen", fand Sdunek, "nicht wie einen Weltmeister."

Der lädierte ehemalige Champion fehlte, als sich die Gebrüder Klitschko zum Schluss vor der Medienschar mit insgesamt vier WM-Gürteln präsentierten. Mit seinem Sieg nach fast vierjähriger Absenz vom Ring ist Vitalis Traum, zeitgleich mit Wladimir Champion zu sein, in Erfüllung gegangen.

Darum wollte er nun "auch den Skeptikern" ausdrücklich danken, die seine Energieleistung nicht für möglich gehalten hatten, und versprach eine baldige Fortsetzung der bewegten Familienserie. "Fortsetzung folgt. Wenn ich gesund bin, sehe ich keine Probleme", sagte ein Sieger, der endlich strahlen konnte. Dann sprach noch einmal der Wettkampftyp in Vitali Klitschko: "Ohne Träume ist das Leben langweilig."

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