WM 2010: Italien - Paraguay:Gestolpert, nicht gestürzt

Italien kommt zum WM-Auftakt nicht über ein 1:1 gegen Paraguay hinaus. Das einstige Prunktstück des Weltmeisters von 2006 ist mittlerweile recht brüchig. Der Ausgleich gelang nach einem Torwartfehler der Paraguayer.

Der amtierende Weltmeister wurde gleich bei seinem Turnierauftakt in Kapstadt von den bösen Schlagzeilen in der Heimat eingeholt. Gegen Paraguay reichte es am Montagabend für Italiens alternde Helden nur zu einem mühsam erkämpften 1:1 (0:1), Antonio de Rossi glich nach der Pause den Führungstreffer von Antolin Alcaraz aus. Die robusten Südamerikaner bereiteten den ideenlosen Tifosi große Probleme und beraubten sich letztlich selbst ihrer Siegchance, indem sie den Ausgleich durch einen kapitalen Torwartfehler zuließen.

Frost, Wind und Regen gaben den widrigen Gesamtumständen vor dieser Partie den passenden Rahmen. Immerhin hatten 500 Ordner aus Protest gegen die miese Bezahlung den Dienst quittiert und mussten kurzfristig durch Polizeikräfte ersetzt werden. Beide Teams, wattiert in dicke Trainingsjacken, blickten beim Klang der Hymnen so drein, als müssten sie gleich das winterliche Kap im Fischkutter umrunden. Italiens Torwart Buffon hatte sicherheitshalber lange Trainingshosen unter die kurze gezogen, und falls er mit einem eher beschäftigungslosen Abend gerechnet haben sollte, ging das Kalkül 20 Minuten lang auf.

Obwohl nur mit einer echten Spitze, Gilardino, machte der Titelverteidiger von Beginn an Druck. Paraguay stemmte sich dem ersten Angriffsschwung mit Biss und Artistik entgegen; derweil fror vorn an der Mittellinie das Dortmunder Sturmduo Nelson Valdez und Lucas Barrios vor sich hin - die Kollegen schafften es kaum einmal, die eigene Spielhälfte geordnet zu verlassen. Italien, andererseits, schaffte es nicht, die erdrückende Feldüberlegenheit in Torchancen umzuwandeln, es blieb bei Ansätzen.

Nach 20 Minuten stellten sich die Südamerikaner erstmals als Match-Teilnehmer vor, erzwangen zwei Eckbälle hintereinander - und handelten sich postwendend einen Konter ein, den Montolivo allerdings mit einem Schüsschen abschloss, das es nur dank des seifigen Geläufs bis in Villars Arme schaffte. Im Gegenzug hatte auch Torres Probleme mit dem Spielgerät. Er trat den Ball, aus freier Schussposition, erstmal tief in den Rasen, ehe der auf die Reise Richtung Buffons Tor (und knapp daneben) ging.

Dann wieder Italien im Vorwärtsgang, während Paraguay beharrlich die Liebhaber südamerikanischer Tackling-Künste bediente. Weltmeisterliche Torchancen blieben weiter aus, weshalb sich das, was da so druckvoll und engagiert aussah, zunehmend als Muster ohne Wert entpuppte - und schließlich grausam als taktisches Mimiky entlarvt wurde: Marcello Lippi hatte seinen angejahrten WM-Helden offenbar hauptsächlich deshalb einen offensiveren Stil aufgetragen, um Ungemach fernzuhalten vom einstigen Prunktstück der Squadra Azzurra, der Abwehr. Dass die mittlerweile recht brüchig geworden ist, hat nicht nur in der Heimat vor der WM zu viel Kritik geführt - schlimmer, es hat sich rumgesprochen.

Buffon räumt den Platz

Und so nickte gerade, als alle einschlafen wollten, Alcaraz ein - einen Freistoß von Torres. Widerpart de Rossi hatte in der Szene so wenig aufgepasst wie Italiens Kapitän, der 38-Jährige Cannavaro, der sich nach der WM ja zu einem Petrodollar-Klub nach Dubai verabschiedet; die Chance ist am Montag gestiegen, dass er Trainer Lippi gleich mit im Gepäck haben wird. Paraguays Führungstor (38.) verteidigte die Elf bis zur Pause mit allen rotweißgestreiften Leibern.

Italy v Paraguay: Group F - 2010 FIFA World Cup

Der Paraguayer Carlos Bonet (links) im Zweikampf mit dem Italiener Domenico Criscito.

(Foto: getty)

Buffon war schuldlos daran, räumte aber trotzdem den Platz für Marchetti, ein eingeklemmter Ischiasnerv lässt ihn jetzt gar um die weitere WM-Teilnahme bangen. Marchetti, der ewige Ersatzmann hinter Italiens Torwartlegende, hatte gerade mal vier Länderspiel-Einsätze, und der Mann aus Cagliari sollte ein paar heikle Situationen mehr zu überstehen haben als der Kollege von Turin. Italiens Coach Lippi stellte auf eine 4-4-2-Formation um, Iaqinta rückte vorn neben Gilardino.

Trotzdem gestaltete Paraguay das Spiel nun offener. Und der Weltmeister benötigte einen tüchtigen Schuss Dusel, um zum Ausgleich zu kommen. Genauer gesagt: Die Fortsetzung jener Serie von Torwartfehlern, die diese WM seit Beginn unterhält. Nach 62 Minuten hüpfte Paraguays Villar, mit der für einen Torwart schon fahrlässigen Körpergröße von 1,80 Meter ausgestattet, an einem Eckball vorbei - im eigenen Fünfmeterraum, was man nicht oft sieht -, de Rossi drückte aus zwei Metern ein.

Paraguays Trainer brachte Santa Cruz für Valdez und Cardozo für Barrios, auf der Gegenseite kam di Natale für Gilardino. Für Torgefahr sorgte aber nur noch Mittelfeldmann Montolivo per Gewaltschuss aus 25 Metern, den Villar mühsam zur Ecke abklatschte (83.). So stand am Ende ein Remis, das gut zum Wetter passte: Der Weltmeister ist ins Turnier gestolpert. Aber wenigstens nicht gestürzt.

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