WM 2010: Hymnen im Netz:Do Hit yourself

Fangesänge auf dem Küchentisch: Während die DFB-Elf gegen Ghana um den Einzug ins Achtelfinale kämpft, liefert sich die Online-Fangemeinde einen Wettkampf um den besten hausgemachten WM-Song.

Lena Jakat

Die Online-Gemeinde der Film- und Liedermacher ist ja ohnehin äußerst produktiv. Aber die Weltmeisterschaft hat eine wahre Kreativitätsexplosion an Videokameras und Heimschnittplätzen ausgelöst. Hausgemachte Fangesänge werden zu Hunderten getextet, gefilmt und hochgeladen, sodann wie wild gepostet, getwittert und von anderen gecovert.

Während am Kap der Guten Hoffnung 32 Mannschaften um den Weltpokal kicken und die Schöpfer der zahllosen offiziellen, halboffiziellen und inoffiziellen WM-Hits - von Shakira über R. Kelly und Oliver Pocher bis hin zu den Nationalhymnenrockern Bonfire - um die Chartplätze buhlen, kämpfen im Netz die Clips um Klicks.

"Schland, o Schland" hat sich im Nu vom virtuellen Spaßprojekt zum charttauglichen Lena-Meyer-Landrut-Cover gemausert und ist zum deutschen Überraschungshit der WM avanciert. Diesen Erfolg hat die Münsteraner Studententruppe Uwu Lena sicherlich nicht zuletzt der Aufmerksamkeit um den anfänglichen Rechtezwist zu verdanken. Ein Plattenvertrag bei Universal soll ihren WM-Song noch vor dem Achtelfinale in Bares verwandeln. "Lauft, o lauft", einem weniger professionell gemachten Cover dreier Mädchen von der Heuwiese, war weniger Glück beschert: Sie hat die Lena-WM-Welle nicht mit nach oben gerissen, sondern von ihr begraben: Aus rechtlichen Gründen wurde der Clip von der Video-Plattform entfernt.

WM-Hit als Dominoeffekt

Doch diese vielbeachteten Lena-Cover sind nur zwei aus Hunderten hausgemachten WM-Songs, die im Netz kursieren. Da sind etwa Simon & TheEmU, zwei Jungs aus Dresden, die nach bester Sportfreunde-Manier ihr rockiges "Schaut nach oben!" komponierten, bei Youtube posteten und um Videoantworten baten.

Mehr als hundert Amateurfilmer kamen der Aufforderung nach und stellten ihre Antworten auf das eingängige Stückchen ins Netz - gedreht am Baggersee, im Kinderzimmer oder ganz klassisch auf dem Bolzplatz. Das Video mit Zusammenschnitten aus den besten Antworten zählt inzwischen fast eine Viertelmillion Klicks und gewann das Fansong-Casting eines Berliner Radiosenders - dem Abstimmungs-Fleiß der Online-Fans sei Dank.

Aus dem endlosen Reigen der trikotbewehrten Jung-Sänger sticht ein niedlicher hausgemachter Musik-Comic heraus: "Wer ist der König der Tier?", wird da gefragt. "Die Antilop?", "Der Gorill?", "Oder gar der Has?" Auch Löw selbst kommt zu Wort - und lässt die "Beut" erzittern. Ein anderer kleiner Trickfilm widmet sich dem Schicksal von Kevin Kuranyi - allein zu Haus.

Ein Komiker-Quartett hat sich vorgenommen, an die gute alte Tradition der Gegner-Satire anzuknüpfen, die spätestens seit "Heul' doch nicht Argentinien" - gedichtet zur WM 2006 - ihren festen Platz in den Fangesängen der Netzgemeinde hat. Die Vier Sterne singen zu Ukulele, E-Gitarre und Akkordeon eine bitterböse Hymne auf den Calcio al'Lippi: "Wer den Cup gewinnt, ist scheiß egal - nur Italien nicht noch mal!". Vom Spott der Barden mit Löw-Mähne bleibt die italienische Schwalben-Kultur ebenso wenig verschont wie die Schuhmode von Andrea Pirlo und Co.

Nicht alle WM-Komponisten schreiben die Musik selbst - in den sozialen Netzwerken werden auch zahllose Coverversionen durchgereicht, von einer Südafrika-Version des Party-Gassenhauers "Hey, was geht ab" bis hin zu "Lass die Finger von der Vuvuzela". Letzterer Beitrag allerdings verschwand vorübergehend wieder von der Video-Plattform - wegen der inzwischen so häufigen urheberrechtlichen Streitigkeiten.

Jetzt ist der nette Song zurück - mit dem Hinweis auf die originären Interpreten. "Willst mal sehen, neben dir geht es schnell, gute Nacht für dein Trommelfell", heißt es darin: "Wenn ich noch einmal höre, dass du die Tröte spielst, dann hau ich dich, ich schwöre, solange bis du schielst."

Zwischen South Park und Soest

Auch "Basta" bediente sich bei Altbekanntem: Einerseits bei der TV-Serie South Park und andererseits und passenderweise bei Eddy Grants Anti-Apartheids-Hymne "Gimme Hope, Joanna". Die A-Capella-Gruppe aus Köln lässt nicht nur die Nationalspieler als Comicfiguren ihren Trainer um Hoffnung betteln, sondern auch Angela Merkel, Heidi Klum und sogar den Papst. Und das Kommentatoren-Traumpaar Deutschlands - Netzer und Delling - darf Händchen halten.

Der Song hat längst den Sprung aus dem Netz - wo er am Vorabend der WM-Eröffnung die Millionenmarke knackte - in die übrige Medienlandschaft geschafft. Die Band singt ihn im Fernsehen und vertreibt ihn auf CD.

Nach wirklich ungeschminkten Heimclips sucht man dagegen schon eine Weile - aber es gibt auch sie, die kleinen Mädchen, die zu den selbstgebastelten Takten ihres Vaters im Heimstudio jauchzen: "Deutschland, lass' die Fahnen weh'n" . Das schickt einem zwar einen Müller-Hohenstein'schen Schauder den Rücken herunter. Blutige Anfänger sind die beiden allerdings nicht: Schon vor zwei Jahren trällerten sie eine EM-Version des Liedchens.

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