WM 2010: Holland in der Einzelkritik:Eine Glatze fürs Finale

Beim 3:2 gegen Uruguay zeigt mancher Holländer deutsche Tugenden, muss sich Sneijder für sein Tor schämen und verzichtet Robben auf seinen Standardtrick, um auf andere Art zu treffen. Die Einzelkritik.

Johannes Aumüller und Jürgen Schmieder

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Netherlands' goalkeeper Stekelenburg reacts during their 2010 World Cup semi-final soccer match against Uruguay in Cape Town

Quelle: rtr

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Maarten Stekelenburg

Noch immer klingt es für einen anständigen Fußballfan etwas merkwürdig, wenn bei der Mannschaftsaufstellung auf die Formulierung "im Tor der Holländer" der Name "Maarten Stekelenburg" folgt und nicht der Name "Edwin van der Sar" - obwohl dessen Nationalmannschaftsabschied nun schon knapp zwei Jahre zurückliegt und van der Saar demnächst 40 wird. Nach 41 Minuten wussten diese Fußballfans und auch Hollands Nationaltrainer Bert van Maarwijk wieder, warum sie so denken, denn da ließ Stekelenburg einen Schuss von Diego Forlan passieren ließ, den van der Sar selbst mit 50 noch gehalten hätte.

Netherlands' Khalid Boulahrouz fights for the ball with Uruguay's Alvaro Pereira during their 2010 World Cup semi-final soccer match at Green Point stadium in Cape Town

Quelle: rtr

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Khalid Boulahrouz

Für alle, die es nicht mehr so genau wissen: Ja, dieser Khalid Bouhlarouz steht immer noch beim VfB Stuttgart unter Vertrag. Man hat das in den vergangenen Monaten leicht vergessen können, weil Bouhlarouz in der ganzen Saison lediglich sechs Mal zum Einsatz kam - teils wegen Verletzungen, teils aber auch, weil Trainer Christian Gross lieber so großen Namen wie Ricardo Osorio oder Stefano Celozzi den Vorzug gab. Bewies bisweilen, warum das so war, etwa mit einem katastrophalen Rückpass in der zweiten Hälfte, der beinahe das 1:2 verursacht hätte.

Uruguay's Alvaro Pereira kicks the ball in front of Netherlands' John Heitinga during their 2010 World Cup semi-final soccer match at Green Point stadium

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Johnny Heitinga

Machte das, was ein altmodischer deutscher Trainer von seinem Innenverteidiger erwartet: Er stand in der Abwehr sicher, was besonders wichtig war, weil sein Nebenmann Mathijsen bisweilen unsicher agierte. Doch gemeinhin reicht in Holland, wo Louis van Gaal die Innenverteidiger einst zu den neuen Spielmachern erkor, das bloße Sicherstehen nicht aus - es ist Kreativität nach vorne gefragt. Davon allerdings zeigte Heitinga nichts, sein Aufbauspiel war nicht überzeugend, viel zu oft dauerte es viel zu lange, bis er abspielte.

Uruguay's Forlan shoots past Netherlands' Mathijsen to score during their 2010 World Cup semi-final soccer match at Green Point stadium in Cape Town

Quelle: rtr

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Joris Mathijsen

Kehrte nach einer Knieverletzung in die Mannschaft zurück. Ließ sich in einer Szene von Edison Cavani derart anfängerhaft vernaschen, dass Hamburgs neuer Trainer Armin Veh wohl der Gedanke durch den Kopf ging, sich einen neuen Innenverteidiger suchen zu müssen. Ließ sich vor dem 1:1 durch Diego Forlan derart anfängerhaft vernaschen, dass Hamburgs neuer Trainer Armin Veh wohl beim Vorstandschef nachfragte, ob unter Umständen noch ein bisschen Geld für einen neuen Abwehrspieler da ist. Ließ sich in der zweiten Hälfte noch einmal von Cavani derart vernaschen, dass Hamburgs neuer Trainer Armin Veh wohl schon am Mittwoch die Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers bekanntgeben wird.

WM 2010 - Uruguay - Niederlande

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Giovanni van Bronckhorst

Sorgte in der 18. Minute für Spekulationen, dass erstmals bei dieser WM nicht Jabulani als Spielball eingesetzt wurde. Sein Schuss flatterte nicht, wackelte nicht, zitterte nicht - sondern flog schnurgerade über den uruguayischen Torhüter und, weil Luis Suarez gesperrt auf der Bank saß und nicht per Hand klären konnte, zum 1:0 ins Netz.

WM 2010 - Uruguay - Niederlande

Quelle: dpa

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Mark van Bommel

Erste Grätsche nach 23 Sekunden. Erster Ballverlust nach neun Minuten. Erster nicht geahndeter, aber für die Mannschaft ungemein wichtiger Bodychek nach 18 Minuten. Erste längere Diskussion mit dem Schiedsrichter nach 28 Minuten. Erhielt kurz vor Schluss die gelbe Karte. Zusammengefasst also: das übliche, je nach Sichtweise erhoffte beziehungsweise befürchtete Arbeitsprotokoll. Frage an die Regelhüter der Fifa: Wie kann es eigentlich möglich sein, dass van Bommel während eines ganzen WM-Turniers nicht wegen einer Gelbsperre fehlt, der brave Thomas Müller aus Pähl aber schon?

Uruguay v Netherlands: 2010 FIFA World Cup - Semi Final

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Demy de Zeeuw

Ersetzte den gesperrten de Jong. Glaubte zu Beginn des Spiels, dass er auch dann an den Ball kommen kann, wenn er sich nicht bewegt. Erinnerte irgendwie an die Spielweise eines typischen deutschen Sechsers, aber nicht an die der neuen deutschen Sechser wie Schweinsteiger oder Khedira, sondern eher an Carsten Ramelow oder Jens Jeremies. Schwerfällig, statisch, ohne Kreativität. Bis kurz vor dem Turnier musste man sich fragen: Gibt es das überhaupt, unkreative Holländer? Mittlerweile muss man sagen: de Zeeuw spielte so kreativ wie fast der gesamte Rest der Mannschaft.

Netherlands' Arjen Robben lies on the ground after a play during the 2010 World Cup semi-final soccer match against Uruguay at Green Point stadium in Cape Town

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Arjen Robben

Machte es exakt andersherum als van Bommel und zeigte nie das, was man von ihm erwartet. Zog bei seiner ersten Aktion nicht von rechts kommend nach innen, um mit seinem starken linken Fuß den Abschluss zu suchen, sondern ging rechts vorbei und passte dann zu seinem Mitspieler. Setzte wenig später zu einem Kopfball in Richtung Tor an, was bei einem erfolgreichen Abschluss in etwa so sensationell gewesen wäre wie der Kopfballtreffer von Wesley Sneijder gegen Brasilien. Täuschte in der zweiten Hälfte mal kurz seine alte Finte, zog sie aber nicht durch. Ja, er verzichtet tatsächlich 90 Minuten lang auf seinen bei Bayern zigfach vorgeführten Trick. Köpfte, ja: köpfte, dafür aber das entscheidende 3:1.

WM 2010 - Uruguay - Niederlande

Quelle: dpa

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Wesley Sneijder

Der einzige Holländer, der etwas Schwung in die träge Partie bringen wollte. Spielte aber manchmal zu schnell für seine Mitspieler. Ließ es deswegen für eine Weile sein mit dem schnellen Spiel und erzielte dafür einen Treffer zur 2:1-Führung, für das sich der Künstler in ihm wohl schämte: Einen eher schwach getretenen Schuss von ihm fälschte ein uruguayischer Abwehrspieler ab, fälschte ein zweiter uruguayischer Abwehrspieler ab und fälschte der zum Abfälschen schon bereit stehende Mitspieler van Persie gottlob dann nicht mehr ab.

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Quelle: ap

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Dirk Kuyt

Sieht zwar aus wie ein typischer Holländer, muss sich aber fragen lassen, ober er wirklich ein Holländer ist. Seit der Gründung des vereinigten Königreiches im Jahr 1815 waren holländische Außenstürmer flinke, gewitzte und dribbelstarke Spieler, dieser Kuyt aber überzeugte lediglich in Sachen Einsatz, Laufbereitschaft und taktischer Aufgabenerfüllung. Machte aber auch nix, denn Trainer van Marwijk sagte vor dem Spiel: "Dirk arbeitet viel nach hinten uns ist damit extrem wichtig für das Team." Wenn das alles ist, was ein holländischer Außenstürmer heutzutage können muss, sollte Ramelow mal über ein Comeback in der holländischen Liga nachdenken.

Uruguay v Netherlands: 2010 FIFA World Cup - Semi Final

Quelle: getty

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Robin van Persie

Musste sich 68 Minuten lang nur Gedanken machen, warum er eigentlich nicht ausgewechselt wurde. Kann sich das entweder so erklärt haben, dass Trainer van Marwijk einen neuen Lippenleser-Skandal vermeiden wollte (nach seiner Auswechslung im Achtelfinale gegen die Slowakei soll er zum Coach gesagt haben: "Nimm doch den Sneijder raus") - oder so, dass der Trainer von ihm noch einen kreativen Moment erwartete. Lieferte dann binnen weniger Minuten zwei besonders kreative Momente. Einmal leitete er eine gute Chance ein, beim zweiten Mal war er hellwach genug, bei einem doppelt abgefälschten Sneijder-Schuss nicht mehr an den Ball zu gehen, sondern drüber zu hüpfen - und so zu ermöglichen, dass der Ball zum 2:1 ins Tor trudelte.

Rafael van der Vaart: Kam in der Pause für de Zeeuw. Spielte nicht so, als ob er beim nächsten Mal schon vor der Pause mitwirken sollte.

Eljero Elia: Kam kurz vor Schluss für Arjen Robben. Erhöhte die Anzahl der eingesetzten Bundesligaspieler auf fünf. Nicht schlecht, zumal Nigel de Jong ja gesperrt fehlte. Beim Gegentreffer kurz vor Schluss unaufmerksam.

© sueddeutsche.de/jüsc
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