WM 2010: Halbfinale:Dem Müller am nächsten

Wer ersetzt den Unersetzlichen? Einiges deutet darauf hin, dass Cacau für den gesperrten Müller aufläuft. Bundestrainer Löw setzt auf Angriff - doch bleiben Zweifel an Cacaus Fitness. Und ein anderer Spieler wäre in dem Fall bitter enttäuscht.

Thomas Hummel, Durban

Joachim Löw freute sich, er lächelte kurz. "Diese Frage ist einfach", sagte er. Der Bundestrainer ahnte nicht ganz zu unrecht, dass die ganze Fußballwelt wissen wollte, wer denn bitteschön Thomas Müller ersetzen soll im Halbfinale von Durban (Mittwoch, 20:30 Uhr). Löw antwortete deshalb schnell und ohne Pausen: "Es gibt drei Möglichkeiten: Trochowski, Cacau oder Kroos." Er lachte nach dieser Antwort, auf die er sich so gefreut hatte, denn er rechnete wohl mit leicht enttäuschten Gesichtern. Und er behielt recht, er blickte in enttäuschte Gesichter.

Die Fußballwelt wird warten müssen bis zur Ausgabe der Aufstellungsbögen, um das Geheimnis des Müller-Ersatzes zu wissen. "Wir werden es am Vormittag entscheiden", sagte Löw. Einen Favoriten nannte er wieder einmal nicht, und so bleibt in dieser Hinsicht genug Raum für Spekulationen. Zum Beispiel jene, dass der Bundestrainer erst mal abwarten will, ob die Ärzte einen Einsatz von Cacau erlauben.

Der Stuttgarter war einen Tag nach dem Argentinien-Spiel als Gast in der internationalen Pressekonferenz angekündigt, was vielfach schon als Zeichen verstanden wurde: Er wird für den famosen aber gelbgesperrten Müller gegen die Spanier spielen. Doch dann sagte Cacau noch ab, weil seine in der Vorwoche erlittene Bauchmuskelzerrung einen Trainingsabbruch verursachte. Nun hat sich Cacau wieder herangekämpft, der 29-Jährige trainierte am Dienstagnachmittag in Durban mit der Mannschaft, erst am späteren Abend aber sollten die Ärzte ihren endgültigen Befund liefern.

Knackpunkt rechte Seite

Ersatzmann Cacau hätte den Vorteil, dass er noch am ehesten ein Müller sein könnte. Auch der Stuttgarter ist mehr ein Stürmer als ein Mittelfeldspieler, sprintet mehr als dass er läuft und rennt unablässig durch die gegnerischen Abwehrreihen auf der Suche nach dem Tor. Cacau würde sicherstellen, dass da einer im rechten Angriffssektor so viel Sturm und Drang hinlegt wie seine Bauchmuskeln hergeben, auch wenn dabei im Tumult mal etwas schiefgeht. Der Charakter der rechten deutschen Seite bliebe der gleiche.

"Unsere Offensivkraft hat uns so weit gebracht", betonte Löw am Dienstagabend, ohne Aktionen in der Offensive "haben wir keine Chance." Seine Spieler könnten es sicher nicht schaffen, die Spanier "in ihrer eigenen Hälfte festzunageln". Aber die spanische Abwehr beschäftigen, sie "in die Rückwärtsbewegung zwingen", das will Löw schon. Seine Mannschaft müsse die ballsicheren Spanier "in ihrem Spiel stören", doch neben Kraft sei auch eine Menge Kreativität vonnöten, um gegen "die beste Nationalmannschaft der vergangenen Jahre" gewinnen zu können.

Cacau, Trochowski oder Kroos?

Würde Cacau beginnen, fordert dies den wohl ersten bitter Enttäuschten im Kader. Piotr Trochowski kam bislang auf das Feld, wenn Müller vor Erschöpfung unter Krämpfen litt. Trochowski galt noch vor dem ersten Spiel gegen Australien als Favorit auf den Posten rechts vorne, musste sich aber dem unaufhaltsamen Müller beugen. Der 26-Jährige geht fest von einem Einsatz in Durban aus, wenngleich sich dann der Charakter der rechten deutschen Seite fundamental ändert.

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Mögliche Partner für Miroslav Klose nach der Sperre gegen Thomas Müller: Piotr Trochowski und Toni Kroos.

(Foto: afp)

Der Hamburger liebt nicht den Sprint in den Strafraum, auch nicht den an die Grundlinie. Statt den Raum zu suchen, lässt er sich gerne den Ball in den Fuß spielen, um mit seiner Technik und den kurzen Drehungen das Mittelfeldspiel zu kultivieren. Wenn man so will, interpretiert er die Rolle mehr auf die spanische Weise, um als Zusatzoption mit seiner phänomenalen Schusstechnik den Jabulani auf die schiefe Bahn zu schicken.

Auch Toni Kroos würde, obgleich wie Müller 20 Jahre alt, nicht den Sturm und Drang verkörpern, wenngleich ein wenig mehr als Trochowski. Er könnte als letzte Option ins Bild rutschen, wenn Löw partout nicht den Kurzpassspieler und Kreiseldreher Trochowski aufstellen will. Kroos hat allerdings den Nachteil, dass er in Leverkusen lieber von der linken Seite kam, in Südafrika ist er als erster Ersatz für die Zentrale vorgesehen.

Kurzpässe und Kreisel

Auch Vicente del Bosque hatte sich auf eine Frage vorbereitet. Dabei beklagt er keinen gesperrten Spieler, aber einen außer Form. "Wir entscheiden morgen, ob Fernando Torres spielt", sagte der spanische Trainer. Nach einer Knieoperation hat der Stürmer vom FC Liverpool seine Form noch nicht wiedergefunden und ist bislang die große Enttäuschung der Spanier bei dieser WM. Fernando Llorente (Bilbao) oder Cesc Fàbregas (Arsenal) gelten als Alternativen.

Ob Torres, Llorente oder Fàbregas, die spanische Öffentlichkeit erhebt das Halbfinale zum wichtigsten Spiel in der Geschichte des Landes. Noch nie schaffte es die Auswahl in ein WM-Finale, nach dem Turnierverlauf sehen viele in dem Spiel in Durban ein vorgezogenes Finale. Del Bosque hatte sich auch dafür eine Einlassung überlegt: "Ich denke nicht, dass es das wichtigste Spiel der Geschichte wird. Wir hoffen, es folgt danach noch ein wichtigeres."

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