WM 2011: Elf der Vorrunde:Josefine, Bruna und Herr Min

Von kurios bis skurril: Eine Schwedin, die Küsschen verteilt und ihr Trikot mit einem deutschen Fan tauscht. Eine Verteidigerin, die Bälle fängt. Dazu Herr Min, der den Blitz als Erklärung für unerklärliche Niederlagen einführt. Die Elf der Vorrunde.

Jonas Beckenkamp

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Eine Schwedin, die ihr Trikot mit einem deutschen Fan tauscht. Eine Verteidigerin, die unbedingt Torfrau sein möchte. Dazu ein Trainer, der den Blitzschlag als Ausrede einführt und eine Trainerin, die keine lesbischen Spielerinnen in ihrem Team haben möchte. Die Elf der Vorrunde. Klar, jede Elf braucht eine Nummer 1, eine unbezwingbare Torhüterin, die alles hält und die unmöglichsten Dinger fängt. Wer würde sich dafür besser eignen als Äquatorialguineas Bruna (re.). Die trägt zwar eigentlich die Nummer 2 auf dem Rücken und ist von Beruf Abwehrspielerin, doch wie sie in der Partie gegen Australien das vom Pfosten zurückgeprallte Leder einfach in ihre Arme schloss, hatte schon großes "Titan"-Potential. Dass es für die geradezu groteske Aktion noch nicht einmal Elfmeter gab, lag vielleicht auch daran, dass Bruna einfach so tat, als wäre nichts geschehen: Sie verzog keine Miene, ließ das Leder liegen und lief weiter.

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Machen wir uns nichts vor: Bruna mag gewisse Talente im Torwartspiel haben, doch die wahre Nummer 1 kann nur eine richtige Keeperin sein. Neuseelands Jenny Bindon zum Beispiel - die musste zwar das ein oder andere Mal hinter sich greifen (sechs Gegentore), doch dafür hielt sie echte Familienwerte hoch. Auf den Seiten ihrer Schuhe stand geschrieben: "We love you mum" und "We're proud of you" - die Verfasser dieser Liebeserklärungen sind ihr Sohn Tyler und ihr Ehemann Grant. Schöne, heile Welt des Frauenfußballs - hier hat man sich noch richtig gern.

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Wenn es ums Abblocken und Verteidigen geht, ist Kim Kwan Min die ideale Besetzung. Der Trainer der Nordkoreanerinnen verbrachte ganze Pressekonferenzen mit Mauern. Was seine Spielerinnen denn so in ihrer Freizeit machen? "Ja, das ist eine schöne Sache." - Wohlgemerkt, er hatte die Frage schon richtig verstanden ... Als Grund für das enttäuschende 0:2 seiner Elf gegen die USA führte der strenge Staatsdiener dann an, dass sein Team in der Vorbereitung vom Blitz getroffen worden sei, was bei seinen Spielerinnen zu ruhelosen Gemütern geführt habe. Eine geschickte und ebenso ulkige Ausrede. Herr Min weiß, wie man unangenehme Situationen an sich abprallen lässt.

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In einer misslichen Lage hatte sich auch die Japanerin Saki Kumagai vor dem Spiel gegen Neuseeland befunden. Eine Kopfverletzung plagte die Arme, weshalb sie mit einem Dieter-Hoeneß-Gedächtnis-Turban auflief - dabei sah sie ein bisschen aus, wie eine Mumie nach dem Zahnarztbesuch. Wer sich so aufopfert und durchhält, taugt durchaus als knallharte Verteidigerin.

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Voller Hingabe verteidigen kann auch Nigerias Trainerin Ngozi Eucharia Uche - und zwar erzkonservative Werte in ihrem Heimatland. Homosexualität fände sie "eine dreckige Sache, spirituell und moralisch sehr falsch" - so soll sie es im Vorfeld der WM laut bild.de gesagt haben. Darauf angesprochen wiegelte die fromme Christin ab: Alles blasphemisches Geschwätz der Medien, sie habe lediglich in einem Gespräch mit der New York Times auf entsprechende Gerüchte über Lesben unter ihren Spielerinnen reagiert. Mit Bibelstudium und der Hilfe eines Priesters habe sie dann versucht, ihrem Team die strengen Sittengesetze in Nigeria näher zu bringen - damit in ihrer Elf gar nicht erst jemand auf die Idee käme, lesbisch zu werden.

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Wendie Renard, allein dieser Name - und dann diese Haarpracht! Wer sich da nicht an Gladbachs brasilianischen Tingeltangel-Bob Dante erinnert fühlte, muss eine Frisurenphobie haben. Erstmals trat die Französin im Spiel gegen Deutschland richtig in Erscheinung - jener Partie, die ausgerechnet im Mönchengladbacher Stadion stattfand. Dort, wo sonst Dante mit wallendem Afro in der Borussia-Abwehr für ein bisschen Ordnung sorgt, glänzte die 20-Jährige mit nicht minder prachtvoller Mähne. Aber halt, bei Dante sind sie bekanntlich ab, die Locken. Gut, dass Renard nicht nur gegen gegnerische Angreifer verteidigt, sondern auch gegen den Kurzhaartrend. Vielleicht hat sie aber auch einfach nur eine Wette am laufen.

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(Foto: dapd)

Zugegeben: diese Elf der Vorrunde hat sich teilwese sehr dem Prinzip des "Catenaccio" verschrieben. Überall wird gemauert und verteidigt, so auch bei der Auswahl der USA. Nach einem Treffer von Heather O'Reilly (Fünfte v. re.) gegen Kolumbien salutierten die Amerikanerinnen im Sinsheimer Stadion demonstrativ ... ja, wem eigentlich? Den Fans? Ihren "Boyfriends"? Sepp Blatter? Nein, sie schickten per einstudiertem Torjubel einen patriotischen Gruß an die vielen GIs aus dem Rhein-Neckar-Raum auf der Tribüne, als verteidigten sie bei dieser WM mit Stollen und Schienbeinschonern ihre schöne Heimat. Torschützin O'Reilly spielt zwar im Mittelfeld, sie würde aber bestimmt auch in der Army eine gute Figur abgeben.

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(Foto: dpa)

Der Name Genoveva Añonma Nze birgt ein gewisses orthographisches Risiko, denn für europäische Ohren klingt er wenig vertraut. Das sollte mittlerweile auch die Fifa wissen, die Äquatorialguineas Mittelfeldästhetin immer noch offiziell als "Anonman" führt - als sei die talentierte 22-Jährige eine Figur aus dem nächsten Transformers-Film. Dabei ist die bisher für den USV Jena und in der kommenden Saison für Turbine Potsdam spielende Kapitänin der Äquatorialguineerinnen vielmehr eine weibliche Version des früheren Frankfurter Spaßdribblers Augustine Azuka, genannt "Jay-Jay", Okocha. Auch der hatte einen etwas komplizierten Namen, auch er umkurvte seine Gegner wie Slalomstangen - wer sich nicht mehr daran erinnert, der frage bei Oliver Kahn nach.

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(Foto: Getty Images)

Die Schwedin Jessica Landström (re.) besetzt in ihrem Team - und auch in dieser Vorrunden-Elf - das offensive Mittelfeld. Wegen ihrer ebenfalls "offensiven" Frisur erhielt die 26-Jährige vom Boulevard bereits den Beinamen "Schweden-Punk". Ein Hingucker ist ihr Haarschnitt deshalb, weil Landström als Erste das Punk-Prinzip der Asymetrie auf den Fußballplatz bringt: Nur eine Seite ihres Kopfes ist rasiert, die andere ganz brav nach hinten frisiert. Das ist nach David Beckhams wohlgestyltem Iro und dem Hahnenkamm des Brasilianers Neymar eine ganz neue Variante von "die Haare schön haben".

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(Foto: Getty Images)

Diese Schwedinnen! Nach dem vollbrachten Viertelfinal-Einzug durch das 1:0 gegen Nordkorea tanzten sie mit einer eigens ausgedachten Kreis-Choreographie über den Rasen - und ließen sich in der Kurve feiern. Besonders beschwingt zeigte sich Offensivspielerin Josefine Öqvist (re.): Sie startete eine Charme-Offensive im Fanblock. Weil ein männlicher Zuschauer sie so toll unterstützt hatte, tauschte sie ihr Trikot mit dem jungen Mann und nahm sein Deutschland-Hemd in die Hand. Da stand sie dann grinsend und spärlich bekleidet. Dem ehemaligen Covergirl eines Männermagazins gefiel ihr Verehrer offenbar - weshalb er zum Abschied noch einen Schmatzer auf die Wange bekam.

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Eniola Aluko (re.) ist hauptberuflich Angreiferin, keine schlechte dazu. Und doch drängte sich bei ihr der Verdacht auf, sie könne sich auch in der Verteidigung betätigen. Der Selbst-Verteidigung. Nachdem die Engländerin im ersten Spiel gegen Mexiko gleich mehrere gute Gelegenheiten ungenutzt ließ, bekam sie auf Twitter den Ärger vieler User zu hören. Darauf reagierte die 24-jährige gebürtige Nigerianerin mit einem Plädoyer in eigener Sache: "Ihr könnt mir nicht einmal die Schuhe zubinden. Ihr sitzt auf der Couch hinter eurer Tastatur und das nächste Mal fragt ihr wieder nach einem Autogramm. Also schreibt keine Sch... über mich", twitterte Aluko zurück.

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