WM-Affäre:Große Show, großes Rätsel

'Die WM-Macher' - Fußball-Globus

Von 2003 bis 2006 auf Tour an den zwölf WM-Spielorten: der Fußball-Globus, entworfen von André Heller, stand im Zentrum des Kulturprogramms.

(Foto: Tim Brakemeier/dpa)
  • Vor der Fußball-WM 2006 sollte die Fifa dem DFB Geld für ein Kulturprogramm zur Verfügung stellen.
  • Schließlich aber überwies der Deutsche Fußball-Bund dem Weltverband 6,7 Millionen Euro. Wieso?
  • Der DFB tut sich mit der Antwort auf die Frage erstaunlich schwer.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Am 18. Juni 2003, bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland waren es noch drei Jahre, tagte in Gravenbruch bei Frankfurt der Aufsichtsrat des Organisationskomitees (OK) zusammen mit seinem Präsidium. OK-Chef Franz Beckenbauer war da, seine Mitstreiter Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt auch. Von den Aufsichtsräten waren deren Chef Gerhard Mayer-Vorfelder gekommen, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Günter Netzer, der damalige Bundesinnenminister Otto Schily, und Theo Zwanziger, auch ein DFB-Mann. Der wechselte später ins OK-Präsidium.

Die Runde unterhielt sich über den Film "Das Wunder von Bern", der ein paar Monate später in die Kinos kommen sollte und den ersten deutschen WM-Titel im Jahr 1954 glorifiziert. Ein schöner Film, ein sentimentaler Film: der Krieg, der Junge aus Essen, der Boss - Helmut Rahn und der Regen im Endspiel. Fritz-Walter-Wetter.

"DM 20 Mio. für das Kunst- und Kulturprogramm"

Dann machte Bundesinnenminister Schily in der Runde noch eine Anmerkung. Der Sozialdemokrat erinnerte, so steht es im Protokoll, an eine Zusage von Fifa-Präsident Sepp Blatter: "DM 20 Mio. für das Kunst- und Kulturprogramm". Das viele Geld sollte der Weltfußballverband für die Veranstaltung in Deutschland zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung habe ihrerseits 30 Millionen Euro versprochen. In der Spalte daneben ist vermerkt: "Eine Kontaktaufnahme mit dem Fifa-Präsidenten ist schnellstmöglich zu arrangieren (HRS)." Das Kürzel HRS steht wohl für Horst R. Schmidt, die treue Seele im DFB und beim OK. Ein Mann, der im Hintergrund vieles wegarbeitete, derweil andere wie Beckenbauer vorne glänzten.

Das Protokoll des Treffens gibt zwei Rätsel auf: ein harmloses und ein ernsthaftes. Waren mit den 20 Millionen der Fifa wirklich D-Mark gemeint, oder hätte es Euro heißen müssen? Das ist die harmlose Frage. Und warum überwies das OK knapp zwei Jahre später, im April 2005, der Fifa 6,7 Millionen Euro für das Kulturprogramm der WM, obwohl eigentlich umgekehrt Blatters Verband den Deutschen Geld geben sollte? Das Rätsel ist kein Spaß und bringt, nachdem die Zahlung bekannt geworden ist, den zum DFB-Präsidenten aufgestiegenen Niersbach und seinen Verband einige Erklärungsprobleme. Warum kann der DFB nicht einfach sagen, was das OK damals gemacht hat?

Der DFB teilt heute mit, die 6,7 Millionen Euro seien möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck (Fifa-Kulturprogramm) entsprechend verwendet worden. Auf keinen Fall handele es sich um eine nachträgliche Begleichung von Mitteln, mit denen Jahre zuvor, wie der Spiegel behauptet, Fifa-Funktionäre gekauft worden seien, um die WM nach Deutschland zu holen. Einen Stimmenkauf habe es nicht gegeben. So der DFB, so Beckenbauer und die anderen, die damals dabei waren.

Aber es bleibt die Frage, wer warum wem was zahlte. Unterlagen der Bundesregierung und des WM-OK, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, sowie Aussagen von Schily lassen folgende Vermutung zu: Die Deutschen wollten ursprünglich, dass die Fifa für das bis dahin größte Kulturprogramm bei einer WM zahlte. Blatters Organisation spielte zuerst nicht mit. Aber die Kosten für die ursprünglich geplante, ziemlich teure Eröffnungsgala in Berlin am 8. Juni 2006 sollte die Fifa dann stemmen, was aber offenbar dann auch nicht geschah. Warum nicht? Warum überwies am Ende das OK der Fifa viel Geld für Kultur und wohl auch für die Gala? Warum forderte das OK das Geld nach der Absage der Gala nicht zurück? Drei eigentlich einfache Fragen, aber der DFB tut sich mit der Antwort immer noch erstaunlich schwer.

Warum die Überweisung?

Wenigstens antwortet Schily. Jedenfalls versucht er das. Die Endabrechnung des Kulturprogramms der WM im Bundesinnenministerium lasse darauf schließen, sagt er auf Anfrage, "dass die Fifa ihre Zusage einer Beteiligung an dem Kunst- und Kulturprogramm seinerzeit nicht eingehalten hat". Davon zu unterscheiden sei die damals geplante Gala im Berliner Olympiastadion, die laut Fifa die "größte Show" in der Geschichte der Weltmeisterschaften werden sollte. Für diese Show unter der Regie des österreichischen Aktionskünstlers André Heller hatte Innenminister Schily in einer Vereinbarung (Memorandum of Understanding) vom 7. Oktober 2004 mit Fifa-Chef Blatter klare Regeln festgelegt.

Der Weltverband, steht da, werde als Veranstalter fungieren und "damit auch alle Kosten und Rechte ... im Rahmen des vereinbarten Gesamtbudgets" übernehmen. "Zusätzliche Kosten werden von der Fifa nach eigenem Ermessen übernommen." Die Gesamtverantwortung für die Führung, Organisation und Kontrolle der Auftaktveranstaltung oblag laut Punkt 6 fünf Personen. Darunter Schily, Beckenbauer und Blatter. Sollte die Gala durch den Verkauf der Eintrittskarten und der TV-Übertragungsrechte Gewinn abwerfen, wollten sich Fifa und Bundesregierung den Profit teilen.

Die Fifa habe dazu geneigt, Kosten auf den DFB abzuwälzen, erinnert sich Schily

Im April 2005 überwies das OK dennoch die 6,7 Millionen Euro an die Fifa. Warum? Weitere zwei Monate später, am 15. Juni 2005, teilte Schily dem Bundestag mit, die Kosten der gigantischen Show mit internationalen Popstars und Tausenden Akteuren würden "vollständig von der Fifa übernommen, zum Teil vom OK des Deutschen Fußball-Bundes".

Das alles klingt sehr kompliziert und ist auch in Teilen widersprüchlich, könnte aber Sinn ergeben, weil die Realität damals ein bisschen schräg war. Es gab Vereinbarungen, die dann wieder einkassiert wurden. Die WM ist halt ein Geschäft.

Die Fifa habe dazu geneigt, Kosten auf den DFB abzuwälzen, erinnert sich Schily. Das könnte erklären, warum das OK im April 2005 die 6,7 Millionen Euro an den Weltverband zahlte; für - oder zumindest auch für - die Gala. Andererseits: Warum forderte dann das OK das Geld nicht im Jahr 2006 zurück, nachdem die Fifa, völlig überraschend für die Bundesregierung und das OK, die Berliner Show abgesagt hatte? Angeblich sollte der Rasen im Olympiastadion geschont werden. Seltsame Vorgänge, seltsame Fifa, seltsamer DFB.

Eigentlich war der Austausch der Spielfläche längst besprochen, der Zeitplan stand, die Deutschen hatten sogar ein eigenes "Rasenkompetenz-Team" gegründet. Die Bundesregierung war mächtig sauer auf die Fifa. Das inzwischen von Wolfgang Schäuble geleitete Innenministerium warf dem Weltverband vor, Absprachen gebrochen zu haben. Ein Brief des Innenministeriums vom 17. Januar 2006 an den Weltverband endet mit dem Satz: "Wir hoffen daher, dass die Fifa sich nach Kräften bemüht, den erheblichen Schaden, der für unser Land entstanden ist, zu begrenzen und wieder gut zu machen." Auch bei der Aufklärung der DFB-Affäre könnte die Fifa helfen.

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