WM 2010: England - USA:Bitte benutzen Sie Fluch 21

Vor Englands erstem Spiel befürchtet der Schiedsrichter viele verbale Entgleisungen und bereitet sich auf eine spezielle Art vor. Doch es gibt Möglichkeiten, wie Wayne Rooney fluchen kann - und trotzdem keine Karte bekommt.

Johannes Aumüller

Der Schiedsrichter an sich ist ein sehr bedauernswerter Mensch. Erstens erwecken Trainer und Akteure den Eindruck, als sei er derjenige Spielbeteiligte, der die meisten Fehler macht. Zweitens bekommt er von allen am wenigsten Geld. Und drittens ist sein Amt die denkbar schlechteste Möglichkeit, um in diesem riesigen Fußball-Business einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erlangen - wenn man nicht gerade Pierluigi Collina, Markus Merk oder Michael Kempter heißt.

Doch während einer WM schaffen es auch mal jene, die normalerweise im Abseits pfeifen, in eine etwas ausführlichere Agenturmeldung. Wie zum Beispiel Eddy Maillet von der Fußball-Großmacht Seychellen, der für sich das Amt des obersten WM-Exoten reklamieren darf und das Spiel Chile gegen Honduras leitet. Oder wie Rawschan Irmatow aus Usbekistan, der das WM-Eröffnungsspiel pfeifen durfte. Oder wie Carlos Simon, der in Englands WM-Team für ziemlich viel Unruhe sorgte.

Er habe, so wurde der Brasilianer dieser Tage zitiert, eine Liste mit den 20 häufigsten englischen Flüchen erhalten, um auf die Ausfälle von Three-Lions-Stürmer Wayne Rooney und dessen Mitspielern gewappnet zu sein - und entsprechend mit gelben und roten Karten reagieren zu können. "Wir müssen einfach wissen, welche Flüche die Spieler drauf haben. Alle Spieler fluchen, und wir wissen schon, dass wir einige Male Sachen wie 'Hurensohn' hören werden", sagte Altemir Hausmann, einer von Simons Assistenten.

"Die Ansage lautet: Nicht fluchen!"

Nun hatten die Engländer in der WM-Vorbereitung schon diverse Rückschläge zu verkraften, die Aufregung um die Sex-Affäre von John Terry etwa oder den verletzungsbedingten Ausfall von Rio Ferdinand. Doch nichts bringt die Mannschaft von Fabio Capello so in Bedrängnis wie diese Nachricht über die brasilianischen Schiedsrichter. Denn Wayne Rooney und das Fluchen gehören in etwa so zusammen wie Pierluigi Collina und die Glatze. Selbst bei der eigentlich harmlosen WM-Generalprobe gegen den südafrikanischen Erstligisten Platinum Stars fiel der Stürmer von Manchester United auf, weil er Schiedsrichter Jeff Selogilwe übel beschimpfte: "Fuck you, ref!"

Entsprechend umfangreich reagierte das englische Team auf die Ankündigung des Schiedsrichters. Trainer Capello führte mit seinem Top-Angreifer ein ernstes Gespräch, der neue Kapitän Steven Gerrarad forderte seinen Mitspielern auf, den Frust am Gegner abzuarbeiten und nicht am Schiedsrichter. "Die Ansage lautet: Nicht fluchen!", sagte Gerrard.

Dass Wayne Rooney fluchfrei durch ein Spiel kommt, ist aber in etwa so wahrscheinlich wie eine Teilnahme der Seychellen an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Von daher müssen die Engländer hoffen, dass sich das Problem auf eine andere Weise löst. Etwa, indem Rooney auf die 20 häufigsten Flüche verzichtet und stattdessen die Flüche 21 bis 99 benutzt. Oder indem er sie in seinen Northwest-Midlands-Slang hüllt, den der Oxford-Englisch-geschulte Rest der Welt nicht verstehen kann. Oder aber, indem er alle englischen Fans dazu bringt, es den südafrikanischen Anhängern gleich zu tun und 90 Minuten lang die Vuvuzela zu blasen. Dann bliebe selbst ein "Hurensohn" aus einem Meter Entfernung folgenlos.

Eine andere Problemlösung ist leider schon ausgeschlossen. Der Engländer hat das große Pech, dass die zuständigen Fifa-Herren Carlos Simon für diese Partie angesetzt haben, und nicht etwa Massimo Bussacca. Der Schweizer, der als bester Schiedsrichter der Welt gilt, hat nämlich eine ganz eigene Art, mit Dauer-Beleidigungen umzugehen. Als er sich in einer Pokalpartie zwischen dem FC Baden und den Young Boys Bern vom Gäste-Publikum zu viele Beschimpfungen und Flüche anhören musste, reagierte er auf eine schiedsrichteruntypische Art und Weise: Er zeigte den Fans den Stinkefinger.

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