WM 2010: England - Slowenien:Einmal kurz durchatmen

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Englands Trainer Fabio Capello setzt beim 1:0 gegen Slowenien zum ersten Mal im Turnierverlauf von Beginn an auf Jermain Defoe - und der 27-Jährige bedankte sich in Port Elizabeth prompt mit dem Siegtor.

Moritz Kielbassa

Es war schattig im Stadion von Port Elizabeth, trotz Sonnenscheins, und bei der englischen Nationalhymne, aus voller Kehle gesungen von fast 30.000 Sympathisanten im Publikum, blickte Trainer Fabio Capello so finster, als stehe an diesem Tag der Fortbestand der britischen Monarchie auf dem Spiel. Dabei ging es nur ums Weiterkommen bei der Fußball-WM. Eine kleine Nationalkatastrophe wäre Englands zeitiges Scheitern zwar auch gewesen, doch die Katastrophe wurde abgesagt: durch ein 1:0 (1:0) gegen Slowenien, in zumindest klar verbesserter Verfassung und Kampfhaltung. Für den Verlierer endete der Sonnentag mit Tränen, ohne das späte 1:0 der USA hätte auch WM-Debütant Slowenien die Zulassung fürs Achtelfinale erhalten. Die Engländer wurden so nur Zweiter der Gruppe C, immerhin ersparte ihnen Stürmer Jermaine Defoe (1:0/ 23.) ein schmähliches Vorrunden-Aus im Stile Frankreichs, das auch noch Spanien und Italien droht.

Jermain Defoe (im Bild), den Fabio Capello anstelle von Emile Heskey für die Anfangsformation nominiert hatte, erzielte in der 23. Minute das Siegtor für die Three Lions. (Foto: Getty Images)

Es wurde schon viel gemutmaßt über die Gründe für das kollektive Schwächeln der starken Europäer auf der Südhalbkugel. Liegt's am fehlenden Anreiz ihrer Leute, die WM als einmalige Bewährungschance zu begreifen? Oder an der Terminhatz während der Saison, eine Debatte, die in England mangels Winterpause gerne geführt wird? Iwo, winkte Capello ab, sein zuletzt mit Spott überschütteter Top-Angreifer Wayne Rooney sei weder überspielt noch müde: "Das Problem ist in seinem Kopf", hatte Capello gesagt und das gelte für die ganze Mannschaft ("es muss der Druck der WM sein"). Es war eine provokante Aussage, starke Männer in kurzen Hosen gelten nicht gerne als Sensibelchen.

Vieles deutete bei England auf das Lagerkoller-Virus hin, das sich auf Auslandstourneen bei Misserfolg schnell ausbreitet. John Terry, von Capello wegen einer amourösen Affäre als Kapitän abgesetzt, hatte nach dem 0:0 gegen Algerien vor der Presse fast wie ein Putschist und selbsternannter Spielertrainer gesprochen. Seine nur mäßig verhüllte Kritik an Führungsstil und Taktik des Trainers stieß aber auf wenig Gefallen im Kollegenkreis. Der Absolutist Capello beendete die Sache auf seine Weise: Er rügte Terry Verhalten als "großen Fehler", setzte seinen besten Verteidiger natürlich trotzdem ein, verzichtete aber auf den von Terry wärmstens empfohlenen Flügelstürmer Joe Cole. Mitspracherecht bei der Aufstellung? Nicht mit Capello.

Der brachte James Milner von Aston Villa als frische Kraft am rechten Flügel, der gerne in der Mitte wirkt. Diese Neigung teilt er mit Steven Gerrard - der spielte wieder links. Zwei weitere Neue bei England waren Innenverteidiger Upson und der wendige Defoe aus Tottenham als neuer Sturmpartner Rooneys (statt Heskey), ein fälliger Tausch. England begann nervös, aber druckvoll, und bald feierten die Fans mit den Georgskreuz-Bannern: Milner schlug eine scharfe Flanke aus dem Halbfeld, Defoe erfasste die Situation und hielt in kunstvoller Körperhaltung seinen Fuß hin, 1:0 (23.). Vorlage: Milner. Torschütze: Defoe. Zwei Neue, noch Fragen?, mag sich der stolze Friauler Capello gedacht haben. Hier hat nur einer die Hosen an: der Chef.

Auch Capellos Psycho-Theorie schien sich zu bewahrheiten, deutlich gelöster marschierte England nun durch Sloweniens große Mittelfeldlöcher. Wieder Flanke Milner, Abwehr Torwart Handanovic, Schuss Lampard, drüber (27.). Schuss Defoe, Nachschuss Gerrard, zweimal Parade Handanovic (30.). Bei den meist harmlosen Slowenen baute sich nur Novakovic nach einer Flanke einmal gefährlich vor Englands Torwart-Oldie David James, 39, auf. Der Stürmer aus Köln stand aber im Abseits, wie nach der Pause auch Defoe, als er die Kugel nach Rooney-Pass ins Tor schob (50.). England drückte und fand wieder den Weg zum Tor. Aber nicht mehr: hinein.

Einen Kopfball von Terry in Schussgeschwindigkeit faustete der gute Handanovic furios von der Linie (57.), und Rooneys Tor zur persönlichen Genesung blieb aus, weil der Bulle aus Manchester nach schöner Ballmitnahme nur den Pfosten traf (58.). So blieb es trotz Überlegenheit ein Zitterspiel, mit Turbulenzen in der 68. Minute: Novakovic brachte sich mit feiner Drehung in beste Schusslage, der tapfere Kampf-Löwe Terry warf sich in die Bahn, den Nachschuss des eingewechselten Bochumers Dedic blockte Verteidiger Johnson, der dritte Versuch von Birsa ging vorbei, Durchatmen bei England. Und nach dem Abpfiff des niederbayerischen Schiedsrichters Stark lächelte sogar: Capello.

© SZ vom 24.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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