WM 2010: Bastian Schweinsteiger:Das Beste kommt noch

In seiner neuen Hauptrolle im Mittelfeld wirkt Bastian Schweinsteiger so gesammelt und gelassen, dass er der Nationalmannschaft ein guter Chef sein kann. Erstmals beweisen muss er das im Testspiel gegen Bosnien (Anstoß: 20.30 Uhr).

Ludger Schulze

Schwarze Dreiviertel-Trainingshose, schwarze Kniestrümpfe. Aus dem Gesicht ist alles Bubenhafte verschwunden, ein ernster Blick wie Clint Eastwood in "Für eine Handvoll Dollar" - Bastian Schweinsteiger ist ein Kerl geworden, ein Mann mit Verantwortung. Mit der Standardfloskel vom "gereiften Profi" wird jeder Fußballer konfrontiert, der das 20. Lebensjahr hinter sich gelassen hat, und mancher bleibt doch das Kind, das nur Ball spielen will.

Trainingslager deutsche Fussball-Nationalmannschaft

Bastian Schweinsteiger.

(Foto: ag.ddp)

Bei Bastian Schweinsteiger ist der Wandel aber schon optisch erkennbar, auch seine Rhetorik ist knapp und präzise, die Sprache eines Spielers, der sich seiner besonderen Rolle bewusst ist. Oliver Bierhoff, der Team-Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, sagt: "Er ist nicht mehr der Basti, der Schweini, er ist der Bastian Schweinsteiger geworden." Das ist nicht unbedingt neu, aber die schlichte Wahrheit.

Bastian Schweinsteiger ist immer noch erst 25 Jahre alt, doch er spielt bald sein viertes internationales Großturnier und hat 73 Länderspiele im Archiv abgeheftet. Man sollte sich das noch mal ins Bewusstsein rufen, wenn man über den Führungsspieler Schweinsteiger spricht. Schweinsteiger muss ja bei der WM in Südafrika nicht nur Schweinsteiger spielen, sondern nach dem Ausfall des Kapitäns auch Michael Ballack. Sozusagen eine Doppelrolle in der Zentrale des deutschen Spiels.

Wie Lampard und Gerrard

Mit ihm, keine Frage, steht und fällt diese sehr junge, sehr unerfahrene Mannschaft. Kapitän Philipp Lahm hat sein Wirkungsfeld draußen an der Peripherie des Rasenrechtecks, in der Mitte des Platzes also ist Vize-Kapitän Schweinsteiger der eigentliche Chef. Und er strahlt etwas absolut Chefhaftes aus, wenn er bei der Pressekonferenz im Sportzentrum Rungg, dem Vorbereitungs-Trainingslager der Deutschen, darauf verweist, dass "die Spieler mit Turniererfahrung" auch verbal führen müssten. Solche wie er.

Sichtbar setzte sein Wandel genau da ein, als ihn sein Vereinstrainer Louis van Gaal im vergangenen Herbst beim FCBayern vom rechten Flügel in die Mitte delegierte. Jahrelang hatte sich Bastian Schweinsteiger sowohl im Klub wie in der Nationalauswahl in verzehrenden Dribblings neben der Kreidelinie aufgerieben, nun ist er dort angekommen, wo er hingehört.

Der Positionswechsel hat zwangsläufig eine Bewusstseinsveränderung mit sich gebracht. "Mein Hauptaugenmerk ist jetzt: die Ordnung halten, kompakt stehen, Bindeglied zwischen Abwehr und Sturm sein." Es sei "ein tolles Gefühl", sagt er, ein Tor zu schießen, "aber toller ist es, wenn man ein Spiel zu Null gewinnt".

Keine bunten Fingernägel mehr

Schweinsteigers Juniorpartner im defensiven Mittelfeld wird Sami Khedira sein, 23 Jahre alt, vier Länderspiele. Ins erste WM-Spiel gegen Australien am 13.Juni soll der Stuttgarter nicht ohne einen guten Ratschlag des Älteren gehen. "Sami Khedira muss spielen, was Sami Khedira spielen kann", sagt Bastian Schweinsteiger staatsmännisch. Dass beide miteinander harmonieren, steht für ihn außer Frage: "Gute Spieler verstehen sich immer auf dem Platz." Und, wer weiß, vielleicht können sie das schon bald auch im Verein demonstrieren, Khedira steht beim FC Bayern als möglicher Nachfolger von Mark van Bommel, 33, unter Beobachtung.

Khedira nennt als Vorbild Xavi Hernandez vom FC Barcelona, Schweinsteiger guckt sich von Frank Lampard (Chelsea) oder von Steven Gerrrad (Liverpool) gerne etwas ab, aber: "Du musst dein eigenes Profil schaffen." Khedira sucht sein Vorbild, Schweinsteiger ist selbst eines - obwohl er auf seinem Posten immer noch als Berufsanfänger zu betrachten ist.

Keine Boulevardgeschichten mehr

Eine Datei im Ordner Profilschärfung ist, dass Bastian Schweinsteiger sich zuletzt fast radikal rar gemacht hat. Keine Einzelinterviews im Trainingscamp, keine Boulevardgeschichten mit der Model-Freundin mehr, keine bunten Fingernägel und lustigen Bändchen am Handgelenk. Der damalige Manager und heutige Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat ihn deswegen einige Male hart angerempelt, Schweinsteiger wehrte sich.

Wer nun recht gehabt habe? "Er natürlich, aber nur ein bisschen", sagt Schweinsteiger und lässt alten Schalk durchblitzen. Und wer noch den jungen, juxigen Schweini vor Augen hat, muss nur den Vergleich mit seinem jugendlichen Spielkameraden Poldi bemühen.

Lukas Podolski ist mit dem 1. FC Köln nach einer, mit Verlaub, unterirdischen Saison im unteren Tabellendrittel versunken und scheint mitsamt seinem zum Stillstand gekommenen Talent furchtbar genervt zu sein. Bastian Schweinsteiger hingegen ist deutscher Meister und Pokalsieger, er stand im Finale der Champions League. So gelassen und gesammelt wie er wirkt, hat er das Beste wohl noch vor sich.

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