WM 2010: Argentinien - Nigeria:Sieg ohne Sahnehäubchen

Lionel Messi dribbelt, wirbelt, schlenzt und spielt Doppelpässe - aber ein Tor gelingt ihm nicht. Bei Argentiniens 1:0-Sieg gegen Nigeria trifft nur ein Verteidiger.

David Bernreuther

Es lief die 90. Minute, und irgendwann musste es ja klappen. Wieder nahm Lionel Messi Tempo auf, wieder dribbelte er an zwei Gegenspielern vorbei, als würden diese nicht ernsthaft mitspielen. Er spielte den Ball ab, sprintete in den Strafraum, bekam den Ball wieder. Ja, dachte man, jetzt würde es ganz sicher klappen mit einem Tor des ständig wirbelnden Messi. Aber es klappte nicht. Er bekam den Ball nicht unter Kontrolle und konnte nur zusehen, wie dieser ins Aus trudelte.

Argentina's Lionel Messi fights for the ball with Nigeria's Danny Shittu during a 2010 World Cup Group B soccer match at Ellis Park stadium

Lionel Messi dribbelte und dribbelte - aber ein Tor gelang ihm nicht.

(Foto: rtr)

Es war die sechste Chance, die Messi vergeben hatte. Und so blieb es bei einem 1:0-Sieg Argentiniens gegen Nigeria. Die Angreifer der Südamerikaner vergaben reihenweise gute Möglichkeiten, und das entscheidende Tor erzielte ein Verteidiger: Gabriel Heinze traf bereits in der 6. Minute per Kopf nach einem Eckball.

"Wir haben ein wichtiges Spiel gewonnen und sind auf dem richtigen Weg. Wir können der nächsten Partie gelassen entgegensehen", sagte Argentiniens Trainer Diego Maradona. "Es war sehr wichtig für uns, Chancen herauszuspielen. Wir haben nicht alle genutzt, am Ende hätten Nigeria ausgleichen können, das sind die Gesetze des Fußballs. Aber Gottseidank ist es nicht passiert."

Messi, die Erdbeere

Viele hatten im Vorfeld der WM behauptet, Argentinien habe im Angriff so viel Potential wie kaum eine andere Mannschaft. Für Diego Milito, den Torjäger von Champions-League-Sieger Inter Mailand, und Sergio Agüero von Europa-League-Sieger Atlético Madrid hatte Maradona keinen Platz in seiner Startformation. Gegen Nigeria stürmten Gonzalo Higuain (Real Madrid), Carlos Tevez (Manchester City) und natürlich: Messi.

Der Weltfußballer vom FC Barcelona sei "die Erdbeere auf dem Nachtisch, das Sahnehäubchen", sagt Maradona, "er soll den gleichen Einfluss haben wie ich 1986". Damals wurde Argentinien Weltmeister, Maradona erzielte im Viertelfinale zwei Tore für die Ewigkeit. Seitdem vergöttert Argentinien Maradona, die Verehrung von Messi hält sich dagegen bislang in Grenzen - weil der 22-Jährige meist beim FC Barcelona glänzte, aber nur selten in der Nationalmannschaft. "Ich will bei der WM beweisen, dass ich für Argentinien dasselbe leisten kann wie für Barcelona", hatte Messi deshalb vor dem Turnier angekündigt.

Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis Messi zeigte, wie ernst es im mit dieser Ankündigung ist. Er bekam den Ball, dribbelte um zwei Gegner herum und spielte in die Spitze auf Tevez, der den Ball allerdings nicht unter Kontrolle bekam. In der vierten Minute drang Messi über links in den Strafraum ein, schüttelte drei Gegenspieler ab und passte in die Mitte auf Higuain, der den Ball allerdings nicht ins Tor brachte. In der sechsten Minute schoss er aus sechzehn Metern auf das Tor des Nigerianers Vincent Enyeama, der den Ball allerdings über die Latte lenkte.

Mit Wucht in den Winkel

Es gab also Ecke, Juan Sebastian Veron schlug den Ball scharf in die Mitte und am Elfmeterpunkt warf sich Gabriel Heinze in die Flanke hinein. Von Heinzes Kopf prallte der Ball mit Wucht links oben in den Winkel - für solche Tore hat man wohl den Begriff Kopfball-Torpedo erfunden. Maradona sprang an der Seitenlinie umher, umarmte Ersatzspieler, wirbelte seine Arme durch die Luft. Er jubelte so heftig, dass die Nähte seines silbergrauen Nobel-Anzugs zu platzen drohten.

Nach diesem Ausbruch der Freude ließ der Angriffsdrang der Argentinier ein wenig nach, es dauerte tatsächlich ganze zwölf Minuten, bis Lionel Messi das nächste Mal losdribbelte und aufs Tor schoss. Kurz darauf scheiterte Higuain frei vor dem Tor der Nigerianer. Die Afrikaner taten sich in der Offensive schwer, hatten kaum gefährliche Aktionen. Einzig der Hoffenheimer Chinedu Obasi setzte sich zweimal über die linke Seite durch, seine Schüsse verfehlten das Tor aber deutlich. Kurz vor der Halbzeit ließ Messi sein Können dann noch einmal aufblitzen: Erst zog er von rechts nach innen und schlenzte den Ball auf die lange Ecke. Nigerias Torwart verhinderte zum wiederholten Male ein Tor mit einer starken Parade.

Argentinien kontrollierte das Spiel auch nach der Halbzeit. Maradonas Elf hatte viel Ballbesitz, kombinierte sicher und stand kompakt in der Defensive. Sie nutzte die Räume, die sich nach der Balleroberung boten, zum Kontern - aber sie nutzte ihre Chancen nicht zum zweiten Tor: Als vier Argentinier gegen zwei Nigerianer angriffen, setzte Messi den Ball knapp neben den Pfosten (65.). Eine Minute später legte Messi für Higuain auf, doch dessen Schuss parierte der nigerianische Torwart.

Nigerias Trainer Lars Lagerbäck hatte inzwischen den Hoffenheimer Obasi aus dem Spiel genommen. Stattdessen sollte Peter Odemwingie für Schwung auf dem linken Flügel sorgen, doch auch das gelang kaum. Neben einigen Schüssen aus der Distanz vergab Kalu Uche die einzige gute Chance zum Ausgleich, als er in der 83. Minute bei einer Direktabnahme das Tor verfehlte.

Daher wird es Messi leicht verschmerzen, dass er den Ball in der 90. Minute nicht unter Kontrolle brachte. Denn zum Sieg reichte es auch so; es fehlte nur das Sahnehäubchen.

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