WM-Affäre:Der freundliche Herr Beckenbauer - Vergessen als Strategie?

München: SZ-Interview FRANZ BECKENBAUER

Franz Beckenbauer beim Interview mit der SZ in München.

(Foto: Johannes Simon)
  • Viele Details fallen Franz Beckenbauer im SZ-Interview nicht ein, obwohl er schon erstaunliche Einblicke ins Fußballgeschäft gibt.
  • Für seine Tour von Salzburg nach München hat er jetzt einen Chauffeur.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Franz Beckenbauer lebt gern im Augenblick. Er wendet sich dann jedem mit größter Freundlichkeit zu. Der Frau in der Maske, die ihn für den Fernsehauftritt schminkt, dem Fahrer, dem Mann hinter der Kamera. Er vermittelt dann den Eindruck, er würde sich ganz außerordentlich freuen, den anderen zu treffen. Politiker, die über diese Gabe verfügen, nennt man "Menschenfischer".

Der Beckenbauer, der in dieser Woche in München vier Redakteure und einen Fotografen der Süddeutschen Zeitung empfing, um "Rede und Antwort zu stehen", wie er sagte, war auch sehr freundlich, sehr höflich. Aber er wirkte auch nachdenklich und angespannt.

Wenn es nicht um den Augenblick geht, sondern um Vorgänge, die lange zurückliegen und sich nicht so einfach in Anekdoten oder Schnurren bündeln lassen, tut er sich schon schwer. Vielleicht hat ihn manches wirklich nie interessiert. Verträge, Sitzungen beispielsweise. Er ist ein Meister der Histörchen, der Schwänke und manchmal auch der Pikanterien.

Er sagt, er sei spät "erwachsen geworden"

Er vermittelt im Gespräch den Eindruck, dass er sofort weggehört hat, wenn es ums Eingemachte ging, ums Geschäft. Früher habe alles sein Manager Robert Schwan für ihn erledigt, sagt er. Erst nach dem plötzlichen Tod von Schwan im Jahr 2002 sei er "erwachsen geworden". Da war Beckenbauer 57 Jahre alt.

Trickst der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, der als Spieler und auch als Trainer Fußballweltmeister geworden ist? Will sich Beckenbauer an vieles nicht erinnern, weil die Reporter Fragen zu unangenehmen Themen stellen? Wie war das mit dem Vertrag mit Jack Warner, den das FBI heute für einen Verbrecher hält? Und wie ging die Geschichte mit den ominösen 6,7 Millionen Euro aus, die irgendwo verschwunden sind und heute so viel Ärger machen?

Beckenbauer sagt, er versuche sich zu erinnern. Aber viele Details fallen ihm nicht ein, obwohl das Gespräch schon erstaunliche Einblicke ins Fußballgeschäft erlaubt. Nur bei Geschichten, die noch ganz frisch sind - wie die Auseinandersetzungen mit dem früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger oder der zeitweilige Zwist mit dessen unglücklichem Nachfolger Wolfgang Niersbach - wirkt Beckenbauer präsent.

Für die Fahrt nach München hat er jetzt einen Chauffeur

Ist angesichts der Affäre um die Vergabe der Fußball-WM 2006 Vergessen eine Strategie? Die ihn wirklich gut kennen, sagen, er verfüge schon über beträchtliches Schauspieltalent, aber für die Details komplizierter Geschäfte habe er sich niemals interessiert. "Sie werden doch nicht glauben, dass ich nur eine einzige Vereinbarung oder nur ein einziges Dokument gelesen habe", sagt er im Interview.

Warum die Menschen immer nur das Schlechte sehen wollten - darüber hat er schon früher geklagt. Er hat die Gabe, auch das Gute und Schöne bei nicht so guten Menschen zu sehen.

Manchmal verweist Beckenbauer auch auf sein Alter - und das ist neu. 70 sei er geworden. Das sei schon anders als mit 50 oder 60. Die Konzentration gehe schon mal verloren. Für seine Tour von Salzburg nach München hat er jetzt einen Chauffeur. Vor kurzem noch fuhr er die Strecke selbst, auch mitten in der Nacht. Den Fahrer behandelt er sehr freundlich.

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