WM-Affäre:Briefträger im Visier

WM-Affäre: Urs Linsi in seiner Zeit als Generalsekretär des Fußball-Weltverbandes.

Urs Linsi in seiner Zeit als Generalsekretär des Fußball-Weltverbandes.

(Foto: Steffen Schmidt/dpa)

Das Ermittlungsverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist offenkundig ausgeweitet worden. Unter Verdacht: der Ex-Fifa-Generalsekretär Urs Linsi.

Von Johannes Aumüller, Thomas Kistner, Frankfurt

Das Ermittlungsverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft im Kontext der Fußball-WM 2006 ist offenkundig ausgeweitet worden. Nach SZ-Informationen ermittelt die Behörde inzwischen auch gegen den früheren Generalsekretär des Weltverbandes Fifa, den Schweizer Urs Linsi. Es soll bei ihm um den Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gehen.

Seit Beginn des Verfahrens vor knapp eineinhalb Jahren war lediglich bekannt, dass die Frankfurter Behörde gegen Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt sowie Theo Zwanziger ermittelt, allesamt frühere Verantwortliche des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des WM-Organisationskomitees (OK). Die Staatsanwaltschaft teilte auf eine Anfrage zu Linsi mit, die Informationen würden "weder bestätigt noch dementiert". Darüber hinaus gehende Angaben seien "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes leider nicht möglich".

Kern des Steuerverfahrens der Frankfurter Behörde ist eine Überweisung des OK an den Weltverband über 6,7 Millionen Euro im April 2005. Formal war sie als Beitrag zu einer geplanten, später abgesagten WM-Eröffnungsgala deklariert worden. Tatsächlich überwies die Fifa noch am Tag des Geldeingangs die Summe auf ein Konto des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus weiter. Dieser hatte den Deutschen drei Jahre zuvor zehn Millionen Franken geliehen, die für einen bis heute ungeklärten Zweck bei einer Firma des langjährigen Fifa-Funktionärs Mohamed bin Hammam in Katar landeten. Weil der DFB diese 6,7 Millionen Euro in seiner Steuererklärung als Betriebsausgabe geltend machte, ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Die Beschuldigten weisen den Vorwurf zurück. Der DFB muss mit Nachforderungen des Fiskus von mehr als 20 Millionen Euro rechnen, hält dies aber für ungerechtfertigt.

Der studierte Wirtschaftswissenschaftler Linsi, 68, war zu Zeiten der Millionentransfers der maßgebliche operative Mann im Weltverband. 2002 half er zunächst als oberster Finanzchef, den schwer angeschlagenen Fifa-Boss Sepp Blatter im Amt zu halten; kurz danach stieg er zum Generalsekretär auf. Dieses Amt hatte er bis 2007 inne, den Weggang versüßte er sich selbst mit einer acht Millionen Franken schweren Abfindung. Auf die Liste der Beschuldigten im Frankfurter Verfahren soll er geraten sein, weil er bei der Abwicklung der Millionenzahlungen im April 2005 offenkundig eine zentrale Rolle spielte.

Das ergab auch der Report der vom DFB mit Nachforschungen beauftragten Kanzlei Freshfields. Bereits einige Monate zuvor hatte sich Linsi demnach mit den Zuständigen im deutschen Organisationskomitee über die Zahlungsmodalitäten ausgetauscht, kurz vor dem Geldtransfer stimmte er mit dem damaligen DFB-General und OK-Vizepräsidenten Schmidt einen Kontowechsel ab. Und kaum war das Geld unter dem Betreff "Kostenbeteiligung OK an Fifa Football Gala" eingegangen, floss es unter dem Betreff "Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006" an Louis-Dreyfus weiter. Blatter erhielt eine Kopie des Überweisungsbeleges. Linsi und die Fifa sollten "Briefträger spielen", wie die Sonntagszeitung schrieb.

Bei Freshfields heißt es: "Basierend auf den uns vorliegenden Informationen kommen wir zu dem Ergebnis, dass jedenfalls Urs Linsi über den wahren Empfänger und den Zweck der Zahlung seinerzeit Kenntnis hatte." Die Fifa-Anwälte wiederum erklärten, kein Mitarbeiter des Weltverbandes habe damals Bescheid gewusst über den Zweck der 6,7 Millionen Euro. Nicht zuletzt die Aussagen des DFB-Mannes Schmidt sowie des langjährigen Fifa-Finanzchefs Markus Kattner sollen zum Beihilfe-Vorwurf gegen Linsi geführt haben.

Im Kontext der WM-Affäre und der Millionen-Überweisung aus dem April 2005 ermittelt auch die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Linsi. Sie ist tätig geworden, weil der Transfer über ein Schweizer Konto ablief. In diesem Verfahren geht es um den Verdacht auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäscherei und Veruntreuung. Es richtet sich auch gegen mehrere deutsche Ex-Funktionäre um den früheren OK-Chef Franz Beckenbauer.

Im Herbst war es bei Linsi zu einer Hausdurchsuchung gekommen. Er legte sein bis dahin ausgeübtes Amt als Präsident der kleinen Züricher Privatbank Sparhafen vorübergehend nieder, bestritt aber jedes Fehlverhalten: Er habe stets das Recht eingehalten. Für eine Antwort zum bisher nicht bekannten Verfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft war er am Dienstag nicht zu erreichen. Die aktuelle Spitze des DFB um Präsident Reinhard Grindel betonte zuletzt immer wieder, sie erhoffe sich insbesondere von Linsi Auskunft darüber, was mit den zehn Millionen Franken 2002 tatsächlich passiert sei.

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