Wladimir Klitschko verteidigt WM-Titel:Er fällt einfach nicht um

Der Punktsieg über den wackeren Polen Mariusz Wach fällt deutlich aus, zufrieden kann Box-Weltmeister Wladimir Klitschko dennoch nicht sein. Sein Vorhaben, den Kampf vorzeitig zu beenden, misslingt. Liegt seine stärkste Zeit hinter ihm?

Carsten Eberts

Wladimir Klitschko v Mariusz Wach - IBF IBO WBA WBO World Championship

Wladimir Klitschko schlägt und schlägt, doch der Pole Mariusz Wach hält zwölf Runden durch.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wladimir Klitschko musste genäht werden, am Lid unter dem linken Auge, die Nachricht überraschte. Normalerweise müssen jene Boxer genäht werden, die Prügel bezogen haben - und nicht jene, die pausenlos zugeschlagen haben. Neben all den Schlägen, die der Pole Mariusz Wach einsteckte, musste er Klitschko also doch einmal getroffen haben. In welcher Aktion, war zunächst nicht ersichtlich. Doch Klitschko gab Entwarnung: Alles in Ordnung, nur ein kleiner Cut.

Der Kampfabend in der Hamburger Arena, wo sonst die Handballer der Stadt ihre Heimspiele austragen, ist mit dieser kleinen Episode schon recht gut umrissen. Es war ein höchst einseitiger WM-Kampf, obwohl er über zwölf Runden ging, mit einem nie gefährdeten Weltmeister und einem überforderten Herausforderer. "Ich habe gewusst, dass es ein schwerer Kampf wird", sagte Klitschko später höflich, "aber ich habe nicht gedacht, dass er so viel einstecken kann." Das Duell mit Wach gewann Klitschko deutlich nach Punkten.

Der Kampf verlief zunächst, wie von vielen Experten erwartet: Mariusz Wach, der 2,02 Meter große Pole, hatte Klitschko kaum etwas entgegen zu setzen, war ab der ersten Runde unterlegen, agierte verschüchtert, steckte massive Treffer ein. Doch er rappelte sich immer wieder auf, verschaffte sich nicht die zweite, sondern die dritte oder vierte Luft. "Ich habe einiges an meinen Händen gespürt", scherzte Klitschko ob der vielen Schläge, die in Wachs Gesicht landeten. Doch der Pole fiel einfach nicht um.

Entsprechend konnte Wach sein Glück kaum fassen. Das Veilchen unter seinem rechten Auge war ordentlich, das Veilchen unter dem linken Auge noch größer - doch er hatte durchgehalten. In der achten Runde stand der Kampf kurz vor dem Abbruch, der Ringrichter konsultierte die polnische Ecke, die jedoch signalisierte: Weiter geht's. Sein Promoter Mariusz Kolodziej erläuterte später überraschend, wie zufrieden er mit seinem Schützling sei und dass ihm eine große Zukunft bevorstehe. "Seine Aktien sind am steigen", sagte Kolodziej voller Stolz.

Wach zeigte sich selbstkritischer. Klitschko sei in allen, wirklich allen Belangen besser gewesen, erklärte der Pole zerknirscht. "Ich war einfach langsamer als Klitschko, das war oft der Schlüsselmoment", sagte Wach. So schnell rechnet er nicht mit einer neuen WM-Chance, er müsse sich erst wieder qualifizieren. Auf seinem Schoß hockte trotz fortgeschrittener Uhrzeit sein kleiner Sohn Oliver, gerade zwei Jahre alt. Wach fühlte sein arg lädiertes Gesicht, lächelte und sagte für jeden Betrachter nachvollziehbar: "Er wird bestimmt niemals boxen."

Klitschko lobt neuen Trainer

Auch Klitschko muss seine Leistung hinterfragen. Der Kampf ging über die volle Distanz von zwölf Runden, etwas Besseres kann der Klitschko-Show als Event, den Zuschauern und dem übertragenden Fernsehsender natürlich kaum passieren. Er sei nicht ganz zufrieden, sagte Klitschko, "weil mir kein K.-o.-Sieg gelungen ist". Dabei wollte er es bewenden lassen. Das Boxjahr 2012 ist für ihn nach der dritten Titelverteidigung beendet, der nächste Gegner steht noch nicht fest. Sein Management ließ sich auf keine Spekulationen ein: kein Wort zu Marco Huck, keins zum Briten David Haye, der sich so gerne noch einmal gegen einen Klitschko präsentieren würde.

Überbordende Furcht dürften seine potenziellen Gegner nach diesem Kampf jedoch nicht haben. Trotz großer Überlegenheit und vielen klaren Treffern hat er es nicht geschafft, den Kampf vorzeitig zu beenden. Dies war Klitschkos erklärtes Ziel, es wurde gar gemutmaßt, Klitschko habe an Schlaghärte verloren. Was in die Diskussion passt, der sich der Ukrainer seit einigen Monaten stellen muss: Sein letzter wirklich überzeugender Sieg ist eine Weile her. Der jüngere Klitschko ist 36; hat er seine stärkste Zeit hinter sich?

Wie es weitergeht, ist auch in anderer Hinsicht ungewiss. Schon vor dem Kampf gab es einen emotionalen Moment, als das Hamburger Publikum Klitschkos kürzlich verstorbenen Trainer Emanuel Steward gedachte. Die 15.000 Zuschauer erhoben sich, in der dunklen Halle ertönten zehn Glockenschläge, so wie es in Stewards Heimat in den USA üblich ist. "Sein Tod war für uns alle heute eine große Herausforderung", sagte Klitschko später. Insbesondere für Johnathon Banks, gerade 30 Jahre alt, der Klitschko erstmals alleinverantwortlich coachte.

Die Klitschkos kennen Banks schon lange, etwa so lange wie Steward, da der verstorbene Trainer den jungen Banks zu den Trainingslagern als Sparringspartner mitbrachte. Banks hat viel von Steward gelernt, er könnte die Arbeit seines Vorgängers weiterführen. Auch wenn er sein Geld zuletzt noch als Preisboxer verdiente.

Klitschko war voll des Lobes über Banks. Er sei sehr zufrieden mit seinem Coach, sagte der Ukrainer und stellte klar: "Johnathon Banks ist nicht Emanuel Steward. Aber Johnathon Banks ist Johnathon Banks." Er sehe auch keinen Grund, nun über seine Ablösung zu sprechen. Sein Manager Bernd Bönte lobte Banks ebenfalls: "Er kann Boxen perfekt analysieren und weitervermitteln." Banks werde eines Tages viel mehr Geld verdienen als Trainer als derzeit als Boxer. Die Gerüchte, Klitschko könne zu seinem früheren Coach Fritz Sdunek zurückkehren, wurden an diesem Abend leiser.

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