Wintersport: Vierschanzentournee:Sprünge mit stählerner Seele

Nach seinem Erfolg am Bergisel steht der Österreicher Thomas Morgenstern vor seinem ersten Tournee-Gesamtsieg. Sein Konkurrent Simon Ammann gratuliert leise - und hofft dennoch.

Thomas Hahn, Innsbruck

Es gab keinen Sturm mehr. Keinen Sturm am Schanzentisch, weil der Wind nur müde um den Tisch der Bergisel-Schanze wehte beim dritten Wettkampf der 59.Vierschanzentournee. Und auch der Sturm der Entrüstung, welcher die österreichische Mannschaft erfasst hatte nach ihrer Niederlage beim seitenwindgeschädigten Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen, war eingeschlafen.

Ski Jumping Four Hills Tournament in Innsbruck

Endgültig Tourneefavorit: Thomas Morgenstern (links) feiert mit dem Kollegen Wolfgang Loitzl.

(Foto: dpa)

Aufgelöst in Zufriedenheit, weil Österreichs Adler wieder den Erfolg verzeichnen konnten, der zu ihrem Selbstverständnis passt mit drei Leuten unter den ersten Zehn und einem souveränen Tagessieger Thomas Morgenstern. Er führt die Tournee-Wertung nun mit einem Vorsprung an, der fast schon seinen vorzeitigen Gesamtsieg bedeutet. Sogar Simon Ammann, Morgensterns erster Verfolger, sagte auf die Frage, ob die Tournee entschieden sei: "Ja, das kann man wirklich sagen."

Es spricht wirklich nur noch wenig dagegen, dass Morgenstern am Dreikönigstag in Bischofshofen zum ersten Mal die Tournee gewinnt. Der Villacher Olympiasieger scheint mit einer stählernen Seele durch diese Serie zu gehen, kein Erfolg bringt ihn aus der Ruhe, auch kein Rückschlag.

Er lächelte nach seinem 14. Platz im Neujahrsspringen nicht viel anders als nach seinem Auftakterfolg in Oberstdorf, und natürlich sagte er, dass er sich freue auf die kommenden Aufgaben, weil es nach den Regeln der Sportpsychologie die Pflicht eines Tournee-Ersten ist, sich auf alles rücksichtslos zu freuen, was ihm an Ereignissen in die Quere kommt.

Die Niederlage von Partenkirchen fand er sogar hilfreich, weil dadurch keiner mehr den Anspruch an ihn herantragen konnte, alle vier Springen zu gewinnen: "Gott sei Dank, jetzt brauche ich mich nicht mehr mit solchen Fragen zu beschäftigen", sagte er und lachte.

Gegen diese Kraft des Morgenstern in Körper und Geist ist wenig auszurichten, das hat in Innsbruck auch der Schweizer Rekord-Olympiasieger Ammann zugestehen müssen, so sehr er auch versuchte, die Tournee auf seine Seite zu zwingen. Ammann ist ein reifer Gegner, seinerseits begabt mit einem eisernen Selbstvertrauen, und er weiß, wie man den kleinsten positiven Eindruck in Energie verwandelt. Dass er ausgerechnet im Neujahrsspringen seinen Rückstand auf Morgenstern um ein paar Punkte verkürzen konnte, musste ihm zusätzlichen Auftrieb geben. Rund um Morgenstern schimpften die Österreicher und haderten mit der Jury.

Ammanns leise Hoffnung

Ammann dagegen verwies auf die Gesetze des Springens, auf die Naturgewalt des Windes, er versuchte am Fast-Sturz des gescheiterten Tournee-Titelverteidigers Andreas Kofler zu zeigen, dass er selbst mit seinem flachen Absprung sehr viel richtig gemacht hatte im Seitenwind, und zog sich dann in seinen inneren Frieden zurück.

Ammann blendete Morgensterns Heimvorteile aus, den Lärm der rot-weiß-roten Fangemeinde, ließ die Qualifikation am Sonntag aus und versank ganz in seiner Konzentration auf die Bergisel-Schanze, die ihm nicht besonders liegt. "Ich glaube, dass ich nicht zu sehr darauf eingehen sollte, was gut für die anderen sein kann", sagte er, und: "Jetzt geht es natürlich um das Duell, aber ich werde da nicht groß darauf einsteigen."

Er machte alles richtig, er belastete sich nicht unnötig und erschien ausgeruht am Bergisel. Waren da ein paar vereinzelte Buhrufe? Ammann hörte sie nicht. Sein Sprung im ersten Durchgang war gut. 128 Meter. Aber es reichte eben nicht, und als er am Ende Vierter war hinter Morgenstern, Adam Malysz (Polen) und Tom Hilde (Norwegen), sagte er: "Ich hatte heute nicht meinen besten Tag."

Die Österreicher übernahmen wieder die Vorherrschaft, die sie in Partenkirchen kurzfristig verloren hatten. Der Rekord-Weltcup-Gewinner Gregor Schlierenzauer gab nach Innenbandeinriss ein ordentliches Debüt als 18., Manuel Fettner (6.), Kofler (7.) und Wolfgang Loitzl (9.) platzierten sich unter den ersten Zehn. Aber voraus flog Morgenstern. Schon nach dem ersten Durchgang warf er seine Jubelfaust. 129,5 Meter. Die Vollendung seines hohen Sieges durch einen letzten Satz auf 126,5 Meter wirkte nur noch wie eine Formsache. "Es hat sich sehr gut angefühlt", sagte Morgenstern.

15 Meter beträgt Morgensterns Vorteil nun in der Gesamtwertung, es brauchte schon ein paar besonders unschöne Kapriolen, um ihn noch vom Podest zu stoßen. Österreichs Nationaltrainer Alex Pointner wies trotzdem alle Glückwünsche zurück: "Wir schauen sicher nicht auf irgendeinen Vorsprung", sagt er streng. "Aber vielleicht können wir jetzt ein bisserl besser schlafen."

Und Simon Ammann ließ sich im Österreichischen Fernsehen immerhin noch leicht herunterhandeln von seiner ersten Morgenstern-Wette. "Man weiß natürlich nie", sagte er. "Ein kleines bisschen Hoffnung" habe er noch. Es kann nur ein sehr, sehr kleines bisschen Hoffnung sein.

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