Wintersport: Unfälle:Airbag im Anzug

Sechs schwer gestürzte Skifahrer in fünf Wochen: Spätestens der schlimme Unfall des Österreichers Mario Scheiber hat den Weltskiverband wachgerüttelt. Nun will die Fis die Athleten besser schützen.

Michael Neudecker

Der österreichische Skirennfahrer Mario Scheiber, 27, liegt derzeit im Krankenhaus in Sallanches, Frankreich, mit Schlüsselbeinbruch, Nasenbeinbruch und anderen Verletzungen. Dass ein Skirennfahrer im Krankenhaus liegt, kommt dieser Tage öfter vor. Scheiber war am Donnerstag beim Abfahrtstraining in Chamonix gestürzt.

Hargin of Sweden competes during men's slalom race at Alpine Skiing World Cup in Kitzbuehel

Mit dem Kopf auf die Piste: der Österreicher Mario Scheiber.

(Foto: REUTERS)

Es war ein Unfall, der zeigte, wie gefährlich der Beruf des Skirennfahrers ist. Scheiber war zur Seite gefallen, dann hatten die Kanten seiner Ski im Schnee gegriffen. Er wurde in die Luft katapultiert, drehte sich und schlug mit dem Kopf auf der Piste auf. Er war innerhalb von fünf Wochen der fünfte Skirennfahrer, der bewusstlos auf der Piste liegenblieb. Als Sechster stürzte am Samstag in Chamonix an selber Stelle wie Scheiber Manuel Osborne-Paradies. Der Kanadier flog kurz vor dem späteren Sieger Didier Cuche von der Strecke und musste mit dem Hubschrauber abtransportiert werden. Nach ersten Informationen besteht bei Osborne-Paradies der Verdacht auf eine Knie- und Rippenblessur.

Seit längerer Zeit schon diskutieren die Verantwortlichen im Skirennsport über die Sicherheit, zurzeit ist die Debatte etwas lauter: Eine Woche vor Scheiber war dessen Teamkollege Hans Grugger in Kitzbühel gestürzt, im Abfahrtstraining. Er musste wiederbelebt werden, wurde notoperiert und ins künstliche Koma versetzt. Derzeit läuft die Aufwachphase. Als Scheiber damals, kurz nach Gruggers Sturz im Zielraum stand, wurde er nach seinen Gefühlen gefragt, eine banale, aber oft gestellte Frage. Scheiber antwortete: "Ich habe Angst gehabt."

Der Kroate Ivica Kostelic, aktuell Gesamtweltcupführender, kritisierte kürzlich den Ski-Weltverband Fis, er unternehme zu wenig, um die Sicherheit der Rennläufer zu gewährleisten. Kostelic zählt zu den Klügeren der Branche, sein Wort hat Gewicht. Für seine Kritik aber erhielt er nicht nur Zustimmung.

Die Fis ist nicht so untätig, wie es bisweilen empfunden wird; jedenfalls nicht mehr. Es gibt Studien, die Daten zu Verletzungsarten, Risiken und Ursachen sammeln, es gibt ein Projekt, in dem ein Prototyp eines sichereren Skis entwickelt wird, und nun wurde ein Papier unterzeichnet, das die Zusammenarbeit der Fis mit der Firma Dainese besiegelt.

"Freier Fall"

Die Firma entwickelte für den Motorradsport einen Anzug mit Airbag: Er wird über Sensoren ausgelöst, die auf heftige Erschütterungen reagieren. Es heißt, die Reaktionszeit des Systems liege bei 45 Millisekunden, bei einem gewöhnlichen Airbag eines Autos beträgt sie 80 Millisekunden.

Der Airbag ist einer von mehreren Lösungsansätzen, und für alle gilt: Ob sie die Athleten tatsächlich vor schweren Verletzungen schützen können, ist ungewiss. Entscheidend ist die Suche nach dem perfekten Mechanismus, der nötig ist, den Airbag zum richtigen Zeitpunkt auszulösen. Diesen Augenblick zu finden, ist aber sehr schwierig - schließlich ergeben sich während eines Skirennens aufgrund des wechselnden Wetters und der Vorgaben durch die Natur immer neue Situationen.

In neun Tagen beginnt die WM in Garmisch-Partenkirchen. Die Abfahrtsstrecke dort wurde umgebaut, sie haben dort nun eine Passage, die sie "Freier Fall" nennen, Gefälle: 90 Prozent. Die Zahl ist plakativ, der Veranstalter wirbt mit ihr.

Nicht alle Athleten aber sehen in solchen Passagen ein Risiko. Der Amerikaner Bode Miller etwa findet, nicht die Strecken seien das Problem, "sondern die Athleten selbst, sie fahren zu schnell". Jeder könne sich ja selbst überlegen, wann er wie viel riskiere.

Miller verzichtete auf Chamonix, um sich zu erholen. Für Scheiber kam das nicht in Frage. Er wollte in Form kommen. Für die WM.

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