Wintersport:Showdown am Olympiaberg

Die Ski-Elite rast plötzlich mitten durch München, die Eisschnellläufer fürchten sich vor "Dr. Bibber", auf der Todesbahn in Whistler stürzen die Piloten immer noch. Zehn Dinge, die Sie über diesen Sport-Winter wissen müssen.

C. Eberts und A. Linner

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Pk Felix Neureuther und Bastian Schweinsteiger

Quelle: dpa

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Die Ski-Elite rast plötzlich mitten durch München, die Eisschnellläufer fürchten sich vor "Dr. Bibber", auf der Todesbahn in Whistler stürzen die Piloten immer noch. Zehn Dinge, die Sie über diesen Sport-Winter wissen müssen.

Man stelle sich vor: Da steht Felix Neureuther im Starthaus, schaut den Hang hinab - und sieht plötzlich ein riesiges Zeltdach. Das passiert, wenn ein Weltcup-Slalom nicht in den Alpen stattfindet, sondern mitten in der Stadt. Erstmals werden in dieser Saison alpine Weltcuprennen in München ausgetragen. Schauplatz ist der Olympiaberg. München soll der Beginn einer sogenannten City-Event-Serie des internationalen Skiverbands Fis werden - dank aufwändiger Logistik und nicht zuletzt einer ganzen Menge Kunstschnee. Am 2. Januar finden so für Frauen und Männer ein Parallelslalom im K.-o.-Modus statt. Die Stadt München erhofft sich dadurch einen PR-Schub für die Olympiabewerbung 2018.

Der ganz große PR-Coup bleibt den Veranstaltern jedoch verwehrt: Neureuther-Spezl Bastian Schweinsteiger kann nicht wie ursprünglich geplant als Vorläufer starten: Er muss mit dem FC Bayern ins Trainingslager.

Snowboard - Air&Style im Olympiastadion

Quelle: dpa/dpaweb

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In seinen Anfängen war das Snowboarden eine Art Protestbewegung, behaftet mit Attributen wie Freiheit und Individualismus. Längst ist daraus ein Volkssport entstanden, der Spagat zum Mainstream mittlerweile der Normalfall. Wenig verwunderlich, dass das traditionsreiche Sprungfestival Air&Style in diesem Winter erstmals nach China, genauer gesagt nach Peking, expandiert. Der Anziehungskraft des chinesischen Marktes ist nur schwer zu widerstehen.

Beim Pekinger Air&Style scheint der Kompromiss stark ins Geschäftsmäßige hinüberzuspielen. Das fängt schon beim Titel an, der nicht nur einen Brillenhersteller als Namensgeber ausweist, sondern auch den zweimaligen Olympiasieger Shaun White aus den USA: "Oakley and Shaun White present Air&Style Beijing 2010". Dabei startet White gar nicht.

OLY-2010-BIATHLON-GER

Quelle: AFP

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Der Biathlon-Zuschauer hat sich über Jahre an dieses Bild gewöhnt: Sobald eine deutsche Biathletin an den Schießstand kam, richtete das Fernsehen mindestens eine Kamera auf den Frauen-Bundestrainer Uwe Müßiggang (im Bild). Der blinzelte meist hochkonzentriert in sein Fernrohr und quittierte die Leistungen seiner Frauen mit einem Grinsen oder zumindest einem Kopfnicken.

Ab der kommenden Saison wird man sich an ein paar neue Gesichter auf den Trainerpositionen gewöhnen müssen. Denn Müßiggang wurde zum Cheftrainer für Frauen und Männer befördert. Ricco Groß, im vergangenen Jahr noch TV-Experte, übernimmt seinen Posten zusammen mit Gerald Hönig. Bei den Männern übernehmen Mark Kirchner und Fritz Fischer das Ruder, nachdem der bisherige Bundestrainer Frank Ullrich in die Jugendarbeit weggelobt wurde. Wie das alles klappt, zeigt sich beim Weltcupauftakt (1. Dezember) im schwedischen Östersund.

Jenny Wolf

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Das Unwort heißt "Bibber-Regel" - und es hat rein gar nichts mit klirrender Kälte zu tun. Sie ist benannt nach einem Gesellschaftsspiel, in dem ein gewisser "Dr. Bibber" sein Unwesen treibt. Mit derlei Unbehagen haben in dieser Saison auch die Eisschnellläufer zu kämpfen: Seit Sommer ist ihnen das Überfahren der Bahnbegrenzung auf der Zielgeraden nicht mehr erlaubt. Erkennen zwei Schiedsrichter einen Regelverstoß, führt dies zur sofortigen Disqualifikation. Die Sportler fürchten nun eine ganze Serie an Bestrafungen - und setzen sich zur Wehr. Prominente Vertreter wie der niederländische Olympiasieger Mark Tuitert und der Italiener Enrico Fabris verlangen eine sofortige Aussetzung der Regel und überreichten dem Weltverband Isu eine Resolution mit 120 Unterschriften. Der frühere Weltmeister Erben Wennemars rief sogar zum Boykott der Regel auf.

Die deutschen Fahrer blieben hingegen still: "Ich hatte im Lauf ganz andere Probleme, da habe ich nicht dran gedacht", sagte etwa Jenny Wolf (im Bild) in Heerenveen. Das junge deutsche Team hat tatsächlich andere Sorgen: Es ist schließlich die erste Saison ganz ohne die früheren Olympiasiegerinnen Anni Friesinger und Caudia Pechstein.

Abfahrtstraining in Kitzbühel - Albrecht schwer gestürzt

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Wenn ein Skirennfahrer nach überstandener Verletzungspause sein Comeback gibt, ist das eigentlich nicht mehr als eine Randnotiz. Nicht so im Fall von Daniel Albrecht. Er war am 22. Januar 2009 in Kitzbühel Protagonist einer Szene, die jedem Zuschauer den Schrecken in die Glieder fahren ließ. Der Schweizer verliert in einem Trainingslauf zur berüchtigten Hahnenkamm-Abfahrt beim Zielsprung die Kontrolle und stürzt mit 140 km/h kopfüber auf den gefrorenen Schnee. Drei Wochen lang liegt Albrecht damals mit Gehirn- und Lungenverletzungen im künstlichen Koma.

22 Monate später steht der Schweizer im amerikanischen Beaver Creek vor der Rückkehr in den alpinen Weltcup. An dieser hat er nie gezweifelt, was angesichts der Schwere seines Sturzes für viele Beobachter übertrieben ehrgeizig erscheint. Noch bremst er auch die Erwartungen: "In der Abfahrt mache ich noch immer zu viele Fehler", sagt Albrecht, "es gelingen mir gute Abschnitte, aber dann schleicht sich immer wieder ein Bock ein." Die WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen hat er jedoch im Hinterkopf.

Pierre Lueders

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Auf die fragwürdige Berühmheit, die die Bob- und Rodelbahn von Whistler im Olympia-Winter erlangt hat, hätten ihre Erbauer am liebsten verzichtet. Der georgische Rodler Nodar Kumaritaschwili war nur wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier der Winterspiele von Vancouver tödlich verunglückt - seitdem tobte die Diskussion um eine Entschärfung der Bahn, damit sich solche Unglücke nicht wiederholen. Die "Todesbahn" sollte schnell wieder in Vergessenheit geraten.

Die Bauherren der Bahn von Whistler haben sich im Sommer ihre Gedanken gemacht - und einige Passagen der Bahn entschärft. Wie viel das offenbar gebracht hat, zeigte das Training zum ersten Weltcup der Bobfahrer: Die Deutsche Cathleen Martini stürzte mit ihrem Zweierbob, andere folgten ihr. "In erster Linie war es ein Fahrfehler von mir, aber durch die Kälte ist das Eis verdammt schnell geworden", sagte Martini: "Da wird es fast zu einem Glücksspiel." Genau das sollte in diesem Winter eigentlich vermieden werden. Es scheint, als sei die "Todesbahn" immer noch zu schnell.

Vancouver 2010 - Ronny Ackermann

Quelle: dpa

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Es gab Zeiten, da war die Profession von Menschen wie Ronny Ackermann angesehener als heute: Da galt die Nordische Kombination, diese Mixtur aus Skispringen und Langlauf, noch als "Königsdiziplin" eines jeden Sportwinters. Nun werden die Wettkämpfe in dieser Disziplin jedoch seit Jahren deutlich weniger - nur noch 14 Weltcups in diesem Winter. Vor dem Saisonhöhepunkt im Frühjahr mit der WM in Olso haben die Athleten gar fünf Wochen Pause. "Die Entwicklung ist schlecht", klagt Gian-Franco Kasper, der Präsident des Internationalen Skiverbandes. "Wir haben ganz klar zu wenige Wettkämpfe. Das ist für die Sportart eine Katastrophe", sagt auch Bundestrainer Hermann Weinbuch.

Die Grunde sind vielfältig: Veranstalter ziehen sich zurück, weil sich die Wettkämpfe schlecht refinanzieren lassen. Die Leute schauen lieber Biathlon und reines Skispringen, was spektakulärer ist; auch der Langlauf wurde einer anspruchsvollen Reform unterzogen. Kasper sagt: "Ich weiß ehrlich nicht, wie wir das ändern sollten. Wir müssen praktisch bei null anfangen."

Rodel-Weltcup in Igls - Tatjana Hüfner

Quelle: dpa

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Es gibt Sportarten, in denen bestimmte Nationen einfach dominieren. Wie etwa beim Skispringen, wo seit geraumer Zeit kaum ein Weg an der österreichischen Mannschaft vorbei führt. Was aber seit 13 Jahren im Frauen-Rodeln vor sich geht, ist fast schon unheimlich. Beim Saisonauftakt in Innsbruck fuhren die deutschen Rennrodlerinnen ihren 99. (in Worten: neunundneunzigsten) Weltcup-Sieg in Serie ein. Diesmal war wieder Tatjana Hüfner (im Bild) dran, die mit Natalie Geisenberger die langjährige Erfolgsriege um Susi Erdmann, Sylke Otto und Silke Kraushaar abgelöst hat.

Als Letzte konnte die Österreicherin Andrea Tagwerker den deutschen Rodel-Assen eine Niederlage im Weltcup zuführen - das war im Jahr 1997. Der 4. Dezember 2010 dürfte also ein rodelhistorisches Datum werden. Dann können, ach was: Dann werden die deutschen Frauen in Winterberg die Hunderter-Marke knacken. Alles andere erscheint irgendwie unrealistisch.

Uhrmann bei WM vor Comeback - Schuster: ´Wichtiger Mann für das Team"

Quelle: dpa

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In den vergangenen Wintern war es ein gewohntes Bild: Die deutschen Skispringer, putzig genannt "Adler", sprangen hinterher - und wenn doch mal einer einen Ausreißer nach vorne hatte, dann war dies meist Michael Uhrmann. Der 32-Jährige ist gelernter Polizeihauptmeister bei der Bundespolizei und brachte es immerhin auf Olympia-Gold (2002 mit der Mannschaft), WM-Gold (2001, ebenfalls mit der Mannschaft) und vier Deutsche Meistertitel (zwei davon im Einzel). Im Winter 2005/06 wurde er respektabler Achter der Gesamtwertung. Im vergangenen Jahr reichte es - ebenfalls respektabel - zu Rang 12.

Nun schickt sich ausgerechnet dieser Uhrmann an, ernsthaft über das Ende seiner Karriere nachzudenken. "Kann sein, dass es meine letzte Saison ist", sagte Uhrmann dem kicker. Olympia 2014 in Sotschi werde er "sicher nicht mehr aktiv erleben". Hört man Uhrmann dieser Tage zu, glaubt man ihm das sofort. Nach dem verpatzten Weltcup-Auftakt in Kuusamo klagte er: "Mein Flugsystem stimmt überhaupt nicht. Das war ein richtig schlechter Auftakt. Ich muss sehen, dass ich möglichst schnell wieder in die Spur komme."

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Quelle: AFP

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Winter für Winter wurde die deutsche Männermannschaft als "Ein-Mann-Team" belächelt, aus durchaus nachvollziehbarem Grund: Schließlich war nur Felix Neureuther an guten Tagen in der Lage, in der Weltspitze mitzumischen. Erwischte Neureuther einen schlechten Tag, gingen die deutschen Fahrer eben leer aus. Das soll sich nun ändern, denn erstmals seit Jahren geht die deutsche Mannschaft mit einem zweiten Fahrer in die Saison, der mittelfristig Podestplätze herausfahren soll: Fritz Dopfer (im Bild), 23, ein junger Mann vom SC Garmisch.

Dass Dopfer überhaupt für Deutschland starten darf, hat eine Vorgeschichte. Als Sohn eines deutschen Vaters und einer österreichischen Mutter startete er bis 2007 für Österreich, wechselte dann den Verband (nicht zuletzt wegen der weitaus geringeren Konkurrenz im eigenen Lager). Was Dopfer als neuer Part des "Zwei-Mann-Teams" zuzutrauen ist, zeigte er beim Slalom-Auftakt im finnischen Levi: Dopfer erreichte das Finale, wurde 14.; Neureuther schied im ersten Durchgang aus. Dopfer vor Neureuther - das hatte es bislang nicht gegeben. Neue Zeiten also im deutschen Männerteam.

© sueddeutsche.de/ebc/alin
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