Wintersport: Marketing:Lila Sponsorentraum

Wintersport als Plattform für lebende Litfaßsäulen? Weil das Fernsehen dauerüberträgt, sind die Athleten beliebte Bannerträger. Und die Zuschauer haben sich offenbar daran gewöhnt.

Thomas Hummel

200 Meter hinter dem Skistadion am Gudiberg ging ein Sponsorentraum in Erfüllung. Auf einem lila Plakat lachte Maria Riesch von einer Hauswand auf einen überfüllten Biergarten herab, sie hielt eine Olympia-Goldmedaille in den Fingern. Kinder mit lila Mützen liefen umher, Männer wärmten sich mit einem goldenen Weißbier und einem lila Maria-Riesch-Fan-Schal. Gold und lila - die PR-Agenten der Firma Milka dürften sich wegen zu harten Klopfens die Schulterblätter geprellt haben.

Bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen geschah am Tag des Frauen-Slaloms dabei nichts Außergewöhnliches. So funktioniert der Wintersport. Die Kommerzialisierung hat ein Ausmaß erreicht, das sich Funktionäre vor 25 Jahren nicht einmal in ihren kühnsten Gedanken hätten ausmalen können. Bei der nun startenden Ski-Nordisch-WM in Oslo ist es nicht anders.

Die Läufer starten aus einem Sponsoren-Haus, rasen an Sponsoren-Toren vorbei, an aufblasbaren Sponsoren-Gummitieren, bremsen gerade noch vor Sponsoren-Absperrpolstern ab, reißen im Ziel ihre Skier vor die Linse der Fernsehkamera - und wenn sie schnell genug gefahren sind, dürfen sie sich vor eine Sponsorenwand stellen. Die Sieger weinen bei der Nationalhymne vor der ebengleichen Wand, wo sie natürlich Sponsoren-Mütze oder -Stirnband nicht vergessen dürfen. Der sogenannte Kopfsponsor ist ohnehin mit dem Athleten verbunden wie ein Muttermal. Oder wann hat Maria Riesch mal keine lila Mütze auf?

Wird das nicht langsam zu viel? Anscheinend nicht, der Weltverband Fis hat die erlaubte Werbefläche am Sportler-Anzug für die kommende Saison von 350 auf 400 Quadratzentimeter angehoben. Stephan Schröder, Sponsoring-Experte der Agentur Sport + Markt, sagt: "Die Wintersport-Zuschauer haben gelernt: Die Sportler haben alle eine Kopfbedeckung mit einem Sponsor auf. Ich glaube, die meisten Leute stört das nicht."

Dennoch können nur die wenigsten Athleten von ihrem Sport leben. Maria Riesch soll 1,5 Millionen Euro im Jahr verdienen, ihre Freundin Lindsey Vonn noch ein wenig mehr. Aber was ist mit den vielen Läufern dahinter? "Fahrer um Platz zehn sind auf jeden Sponsor angewiesen", erklärt Schröder.

Dabei sind die Werbetreibenden bei Wintersport-Ereignissen auch deshalb so omnipräsent, weil viele Institutionen ihren Teil erhaschen wollen. In Garmisch etwa: der Internationale Ski-Verband Fis, der WM-Veranstalter, die Nationalteams und die Athleten. Jeder mit seinen eigenen Geldgebern. Die Werbeflächen sind strikt aufgeteilt.

Jeder Quadratzentimeter am Sportler ist vergeben

In den Werbe-Richtlinien der Fis steht beispielweise, dass die Sponsorenaufschrift auf Arm und Bein zwölf Quadratzentimeter groß sein darf. Am Kopf sind es 50 Quadratzentimeter, daneben muss aber ein Logo des nationalen Skiverbands prangen mit neun Quadratzentimeter. Verboten sind Werbungen auf Brillengläsern oder Kinnschutz. Bei Siegerehrungen müssen die Athleten ausdrücklich darauf verzichten, Handys an dicken Halsbändern zu tragen oder eine Trinkflasche mitzubringen.

"Es funktioniert recht gut", sagt Marcel Looze, Event-&-Sponsor-Manager bei der Fis, "die Richtlinien für Werbung haben wir gemeinsam mit den Nationalverbänden entwickelt." Verbände und Athleten könnten sich dann noch auf Sonderreglungen einigen.

Mit der Marketingrichtung des Wintersports ist Looze "im Groben zufrieden, obwohl immer Platz für neue Initiativen da sein soll". Die neueste Initiatlive ist die Gründung der Fis Marketing AG 2009, jeweils knapp ein Viertel an der AG halten die Agenturen Infront und Tridem. Die AG hat sich bislang in erste Linie um Langlauf gekümmert und dort ein neues Konzept entwickelt: Sie hat die Marketingrechte den Nationalverbänden abgekauft und vermarktet den Sport nun zentral.

Der Wintersport erlebt durch die Dauerberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender eine lukrative Zeit. 37 Prozent der Deutschen sollen sich für die eine oder andere Disziplin interessieren - das ist ein höherer Wert als für die Formel 1. "Die Sponsoren treffen hier eine sehr breite Zielgruppe an", sagt Schröder, "und sie haben ein emotionales Umfeld. Wenn Maria Riesch krank ist und dennoch Bronze holt, dann ist das ein sehr emotionales Erlebnis." Im besten Fall werde dann auch der lila Kopfsponsor emotional wahrgenommen und am nächsten Tag eher aus dem Regal geholt als die Süßigkeiten-Konkurrenz.

Als zu Saisonbeginn viele österreichische Ski-Helden keinen persönlichen Kopfsponsor fanden, diskutierte die Öffentlichkeit, ob es vom Skigebiet Sölden nicht unpatriotisch sei, den Amerikaner Bode Miller zu unterstützen. Mit einer kolportierten Summe von 500.000 Euro pro Saison. Oder warum der österreichische Brause-Hersteller Red Bull ebenfalls nur ausländische Fahrer unterstützte.

Allgegenwärtige Mützen-Werbung als Dienst am Heimatland? 1972 noch war der damalige Ski-Held Karl Schranz von den Olympischen Spielen in Sapporo ausgeschlossen worden, weil er ein halbes Jahr zuvor bei einem Benefiz-Fußballspiel das Logo einer Kaffee-Firma auf dem Trikot trug und damit gegen das Amateurgesetz verstoßen hatte. 1985 drohten die Skifahrer, sich von der Fis zu trennen und eine eigene Rennserie zu starten, bis ihnen der Weltverband den Kopfsponsor erlaubte.

Die Skifirmen haben da schon viel Werbeboden verloren. Auch wenn sie durchaus findige Verträge abschließen. Manch ein Trainer oder Sportdirektor soll nur Interviews geben dürfen, wenn ein paar Ski an seiner Schulter lehnen. In Garmisch-Partenkirchen allerdings werden die Hersteller mit den Pistenplanern ein scharfes Wort gewechselt haben. Die Kandahar-Strecke war derart schwer, dass viele Athleten zu erschöpft waren, um in den Sekunden danach ihre Ski in die Kamera zu strecken. Manche stürzten gar. Aber immerhin mittenrein in ein lila Absperrpolster.

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