Wintersport:Gespanntes Warten

Evi Sachenbacher-Stehle legt ihre Blutwerte offen - und erklärt damit ihre Schutzsperre von Olympia in Turin.

Thomas Hahn

Evi Sachenbacher-Stehle war nicht im Raum, wahrscheinlich traf sie gerade zu Hause in Reit im Winkl die letzten Vorbereitungen für die Reise zum Langlauf-Weltcup in Gällivare/Schweden, an dem sie trotz einer Rückenprellung am Wochenende antritt. Und trotzdem war sie da, denn diese Pressekonferenz des Deutschen Skiverbandes (DSV) in Planegg war ja auch ihre Pressekonferenz. Eine späte Reaktion nämlich auf die Affäre, die unmittelbar vor den Olympischen Spielen in Turin mit einem erhöhten Hämoglobinwert von 16,4 g/dl, einer Schutzsperre und dem dazugehörigen Dopingverdacht begonnen hatte.

Wintersport: Traurig bei den Olympischen Spielen: Evi Sachenbacher-Stehle.

Traurig bei den Olympischen Spielen: Evi Sachenbacher-Stehle.

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Evi Sachenbacher-Stehle redete sogar, und zwar über DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach, der eine Erklärung von ihr verlas. Sie versicherte ,,mit bestem Wissen und Gewissen'', nie gedopt zu haben. ,,Auch eine Manipulation durch Dritte schließe ich aus.'' Und dann öffnete sie eine Tür, die bisher fest verschlossen zu sein schien. ,,Um unberechtigte Verdachtsgründe auszuschließen, gewähre ich Einsicht in die mir bekannten und von den medizinischen Abteilungen/Experten der Fis (internationaler Skiverband, d. Red.) und des DSV zur Kenntnis gebrachten Hämoglobinwerte.''

Seltene Offenheit

So viel Offenheit ist selten im Profisport, und man darf sie als Zeichen dafür werten, dass Evi Sachenbacher-Stehle tatsächlich nichts zu verbergen hat. Jedenfalls hat sie jetzt alle Möglichkeiten durchdekliniert, ihre Beobachter davon zu überzeugen, dass ihr erhöhter Hämoglobin-Wert nach ihrem Wissen nichts mit Blutdoping zu tun hatte: Sie hat sich an Studien der Weltantidoping-Agentur Wada beteiligt. Sie hat sich ausdrücklich zu der neuen Athletenerklärung bekannt, nach der die Kontrolleure bei konkreten Anschuldigungen ihre DNA-Probe analysieren können. Und sie hat die Blutwerte, die seit 1997 bei ihr festgestellt wurden, öffentlich gemacht. Ein skrupelloser Doper handelt anders.

Allerdings ist durch diese Offenheit auch etwas deutlich geworden, das Evi Sachenbacher-Stehle und dem DSV nicht gefallen dürfte. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Fis ihr nicht die Ausnahmegenehmigung erteilt, um die sich ihre Ärzte seit geraumer Zeit bewerben, damit sie bei Hämoglobin-Konzentrationen über 16,0 keine fünftägige Schutzsperre wegen der Gefahr von Blutverklumpungen (und inoffiziell wegen Dopingverdachts) absitzen muss. Sie zeigt auch, dass sie in Turin über ihre eigenen Werte nicht gut informiert war, als sie den Eindruck erweckte, sie sei schon immer konstant bei 16 gewesen. Dass auch Mannschaftsarzt Ernst Jakob und Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle die Geschichte in ihren zornigen Plädoyers anfangs stark vereinfachten. Dass sie überhaupt zu laut schimpften, um vielleicht von eigenen Fehlern abzulenken.

Das Diagramm, das Evi Sachenbacher-Stehles Hausarzt von der Technischen Universität München, Bernd Wolfarth, an die Wand warf, zeigte eine Zickzacklinie, die sich aus 70 Hämoglobin-Werten von Evi Sachenbacher-Stehle seit 1997 ergibt. Acht davon reichten über den Grenzwert von 16,0 g/dl hinaus, zwei zwischen 1997 und 2000, einer 2001/02, zwei 2004, drei 2006, ansonsten schwankten die Werte im ,,hochnormalen'' Bereich, wie Wolfarth sagte.

Davon leiteten die DSV-Vertreter ein erhöhtes Risiko ab, dass ihre Werte über den Grenzwert hinausschießen könne und beantragten die Ausnahmegenehmigung. Das System des strategischen Testens, welche der mittlerweile aus Altersgründen zurückgetretene Antidoping-Chef Bengt Saltin bei der Fis einführte, geht aber davon aus, dass der Hämoglobinwert nur unter ganz bestimmten Umständen auf Werte über 16 steigt, in großer Höhe (über 2500 Meter), bei zu geringer Flüssigkeitsaufnahme, genetischer Veranlagung oder bei Blutdoping. Und weil die Kontrolleure alle gleich bewerten müssen, - den Blutdoper mit seinen entlarvenden Schwankungen genauso wie Evi Sachenbacher-Stehle mit ihren Extremreaktionen in Höhenlagen, die Wolfarth als erwiesen ansieht - kann man verstehen, dass Evi Sachenbacher-Stehle sich weiter nach dem Grenzwert richten muss. Außerdem sagt Bengt Saltin: ,,Es ist das leichteste der Welt, hohe Werte unter Bedingungen zu bekommen, die nicht standardisiert sind.'' Er kennt die Werte, sie beeindruckten ihn nicht.

Neue Sachlichkeit

Es war eine sachliche Pressekonferenz. Die Tiraden Behles, der Saltin kürzlich wieder der Lüge bezichtigt und die Abschaffung der Blutgrenzwerte gefordert hatte, klang irgendwo in der Ferne. Jakob war gar nicht da. Dass der DSV sein Auftreten in der Sachenbacher-Geschichte und manche Entgleisung gegen Saltin selbstkritisch betrachtete, war eher nicht zu erkennen. Es blieb auch bei der DSV-Darstellung, dass Paul Nowacki, der in Turin als Antidopingbeauftragter des DSV Jakob und Behle kritisiert hatte, nicht auf Druck des Verbandes zurückgetreten sei, wie Nowacki selbst sagt, sondern aus Altersgründen.

Aber immerhin schien der DSV verstanden zu haben, dass ein ruhiger Tonfall hilfreicher ist in der Sache. ,,Man muss das mal ein bisschen entemotionalisieren und entpersonalisieren'', sagte Bernd Wolfarth. Es war klar, auf welcher Seite er stand, aber er beteiligte sich nicht am wilden Zorn über die neutrale Instanz, die Fis, Saltin, das Bluttestsystem. ,,Ich maße mir kein Urteil darüber an'', sagte Wolfarth. Und am Ende hatte man den Eindruck, dass diese Affäre nun gar keine Affäre mehr um Evi Sachenbacher-Stehle ist, sondern eine Affäre um die Männer, die sie von Anfang an viel zu laut verteidigten.

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