Wimbledon:Wimbledon: Serena Williams erreicht endlich Steffi Graf

Wimbledon Championships

Zwei auf Augenhöhe: Serena Williams und Angelique Kerber

(Foto: dpa)

Die US-Amerikanerin schlägt Angelique Kerber und holt ihren 22. Grand-Slam-Sieg. Beide zeigen hinreißendes Tennis. Doch gegen den Aufschlag von Williams ist die Deutsche machtlos.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Um 15.38 Uhr war klar: Jetzt konnte jemand Tennisgeschichte fabrizieren. Ein Punkt noch, und es könnte rumoren, der Applaus losdonnern, es knisterte, die Stille, die dann einsetzte, als Serena Williams ein letztes Mal aufschlug, nahm einem den Atem. Um 15.38 Uhr glückte der Amerikanerin dann tatsächlich der letzte Punkt. 7:5, 6:3, die 34-Jährige hatte ihre Jagd auf den 22. Grand-Slam-Titel endlich erfolgreich beendet. Ihre Gegner umarmte sie innig. Eine Deutsche hatte ja auch begeistert, in diesem Finale des bedeutenden Turniers von Wimbledon.

Aber an diesem 9. Juli 2016 verpasste sie es ihrerseits, ganz große deutsche Tennisgeschichte zu schreiben. Und doch war Kerbers erster Finaleinzug einer Deutschen seit 2013 und Sabine Lisicki ein Erfolg der speziellen Art.

Williams hat nun also mit ihren 22 Titeln in der Open Era (seit 1968) mit der bisherigen Rekordinhaberin Steffi Graf gleichziehen können. In den letzten zwei Grand-Slams war sie im Endspiel jeweils gescheitert. In Melbourne, bei den Australian Open, an: Kerber. In Paris an der Spanierin Garbine Muguruza. Fragen nach der Bestmarke, die sie seit einem Jahr jagt, beantwortete Williams vorher nicht, im Gegenteil, sie wies sie knurrig zurück. Sie ist diese Last nun los.

"Serena, du hast diesen Titel absolut verdient", sprach ergriffen Kerber bei der Siegerehrung. "Ich hatte hier die besten zwei Wochen in Wimbledon erreicht. Es ist eine Ehre, hier zu spielen." Sie hatte feuchte Augen. Williams erwiderte: "Angelique, ich liebe es, gegen dich zu spielen, es sind immer großartige Matches, und abseits des Platzes bist du so eine nette Person." Zu ihrem Rekord sagte sie, die Jagd sei nicht leicht gewesen, nun sei es "einfach wunderbar." Sie strahlte erlöst.

Es war ein qualitativ hochwertiges Finale in jedem Fall. Die Bilanz vorher sprach für Williams. Von sieben Duellen hatte sie fünf für sich entschieden. Das wichtigste aber hatte Williams verloren, das Finale in Melbourne. "Niemand schlägt Serena zweimal hintereinander", das meinte vorab Chris Evert, die frühere Nummer eins, auch ihre Ex-Rivalin Martina Navratilova sah bei den Vor-Interviews in der BBC die Vorteile auf Seiten von Williams: "Sie machte bislang einen sehr starken Eindruck." Nur einmal hatte Williams gewackelt, in der zweiten Runde benötigte sie gegen Landsfrau Christina McHale drei Sätze. Kerber spielte sich ohne Satzverlust ins Finale. "Sie hat auch Druck und muss die Form von Melbourne bestätigen", sagte Evert noch, und Navratilova ergänzte: "Wenn Serena nicht ganz ihre Topform bringt und Kerber an ihrem Limit spielt, kann aber alles passieren."

Kerber musste gleich drei Breakbälle abwehren

Wichtig war, wie Kerber ins Match starten würde. Williams ist eine souveräne Front-Runnerin, das heißt, führt sie einmal, läuft sie davon. Kerber musste also von Beginn an dagegenhalten, um diesen Kreislauf gleich zu unterbinden. Um 14.02 Uhr kamen sie auf den Centre Court, beiden hatten Blumensträuße in der Hand. Williams trug Kopfhörer. "Auch Serena wird ein bisschen nervös sein. Ich muss da rausgehen, als ob es ein normales Match ist und kein Finale", das war Kerbers Vorsatz gewesen. Das Match begann, Williams brachte ihr Aufschlagspiel durch, Kerber musste bei ihrem ersten zwei Breakbälle abwehren. Als sie das 1:1 geschafft hatte, brach Jubel aus. Die 15 000 Zuschauer wollten ein Match auf Augenhöhe sehen. Sie bekamen es.

Williams schlägt unfassbar gut auf

Williams hatte Probleme mit der Rückhand, Kerber schwächelte mit ihrem Aufschlag, bis 3:3 war alles in der Reihe. In der deutschen Box von Kerber saßen Trainer Torben Beltz, Physiotherapeutin Cathrin Junker, dahinter fieberte Bundestrainerin Barbara Rittner mit ihrem Freund Matthias Müller, dem VW-Chef, mit. Auch Kerbers Mutter und Schwester waren dabei. Bei 4:4, Einstand, knisterte es bei Aufschlag Williams, aber doch: 5:4, alles im Lot. Williams half ihre Geschwindigkeit beim Service, einmal erreichte sie 198 km/h. 5:5, das Niveau war extrem hoch, die beiden Besten hatten sich wirklich ins Finale gesiegt. Kerber lauerte auf ihre Chance, sie kam, 15:30, bei Aufschlag Williams. Zwei Asse, ein Servicewinner, weg war die Chance.

Wie aus dem Nichts hatte Williams zwei Satzbälle, 15:40. Den ersten wehrte Kerber ab, aber es folgte eine gnadenlose Rückhand cross, 7:5. Williams ballte aufgepumpt erstmals beide Fäuste. Auch Musik-Mogul Jay-Z und Beyoncé staunten auf der Tribüne, sie sind mit Williams befreundet. Big Business. In diesem Moment wurde sichtbar, wie sehr Williams unter Anspannung stand. Dass die Jagd auf den 22. Grand-Slam-Titel doch eine größtmögliche Stressituation ist. 21 Titel zuvor hin oder her.

Zweiter Satz. 88 Prozent betrug die Aufschlagquote von Williams, sie machte von 25 Versuchen 21 Punkte. Das war unfassbar gut. Kerber musste gegen diese Wucht ankämpfen. Und das kann sie, das immer Dranbleiben. 1:0 Williams, 1:1, 2:1. Als Kerber eine Rückhand die Linie entlang zimmerte, puschte sie sich und riss die Hände hoch. 2:2. Beltz sprang auf. Kerber agierte clever, sie hielt - wie in Melbourne - die Fehlerquote gering, gab Williams die Möglichkeit, Fehler zu machen. Sechs fabrizierte sie nur im ersten Satz. 3:2. 3:3.

Kerber macht am Ende zwei leichte Fehler

Dann plötzlich erster Breakball Kerber, ein Rückhandfehler Williams. Doch ein Ass folgte. Und noch eines. 4:3. Ein klasse Ballwechsel am Netz, Williams fragte, ob Kerber das Netz berührt habe. Die winkte ab. 4:4. So kurz und wenig spannend die Halbfinals waren: Diese Partie war eines Finals würdig. Kerber, die bis dahin nur zwei leichte Fehler im zweiten Satz zuließ, patzte dann folgenreich: Sie führte 40:15 und gab mit einem Rückhandfehler am Ende dieses Aufschlagspiel zum 3:5 ab.

Williams servierte zu Null aus und fiel auf den Rasen. Die letzte deutsche Siegerin bleibt Graf, die vor 20 Jahren im All England Club triumphierte.

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