Wimbledon-Finalist Federer:Als sei er nochmal 25 Jahre alt

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Erst enorm konzentriert, dann wie aufgedreht: Roger Federer bezwingt Novak Djokovic und erinnert in seinem Wimbledon-Halbfinale an seine besten Tage. Am Sonntag hat Federer die Möglichkeit, an die Spitze der Tenniswelt zurückzukehren. Seine größte Jubelgeste hat er sich dafür noch aufgespart - sein Gegner im Endspiel ist der Schotte Andy Murray.

Michael Neudecker, London

Federer gegen Djokovic, Djokovic gegen Nadal, Nadal gegen Federer, so geht das jetzt schon seit ein paar Jahren im Tennis. Ist immer irgendwie das Gleiche, man könnte das für langweilig halten, aber das ist es nicht. Alle drei werden später zu den Besten gezählt werden, die diesen Sport je ausgeübt haben, und deshalb ist es jedes Mal begeisternd, ein Match zu sehen, in dem zwei dieser Drei gegeneinander spielen, wirklich jedes Mal. Natürlich war das auch am Freitag so, im Halbfinale von Wimbledon.

Wimbledon-Finalist Roger Federer: Kann am Sonntag wieder die Nummer eins werden. (Foto: AFP)

Federer gegen Djokovic, das war das erste Halbfinale am Freitagnachmittag, und weil Nadal ja schon in der zweiten Runde überraschend ausgeschieden war, traten danach der Brite Andy Murray und der Franzose Jo-Wilfried Tsonga gegeneinander an, Murray gewann in vier Sätzen, 6:3, 6:4, 3:6, 7:5, unter großem Jubel der Zuschauer. Andy Murray ist nun der erste britische Wimbledon-Finalist seit 1938. Als er nach zwei Stunden und 17 Minuten seinen ersten Matchball verwandelt hatte, da blickte er zum Himmel, er hatte Tränen in den Augen.

Wimbledon war ein bisschen aufgeregt am Freitag, wegen Murrays (am Ende erfolgreichem) Versuch, endlich das Finale zu erreichen, das zum einen; zum anderen aber auch wegen dieses Matches, wegen Federer. Sie lieben Federer in Wimbledon, die Zuschauer empfinden es als Ehre, bei einem seiner Auftritte dabei sein zu dürfen, und, gewiss, es gab schon spannendere Matches der großen Drei, engere. Aber gerade das war es ja, was nun begeisterte: Federer besiegte Djokovic in vier Sätzen, 6:3, 3:6, 6:4, 6:3. Er ist jetzt 30 Jahre alt, aber er spielte, als sei er wieder 25.

Novak Djokovic ist nicht unbeliebt in Wimbledon, im Gegenteil, sie sehen ihm gerne zu hier, er hat das Turnier im vergangenen Jahr gewonnen, da haben sie ihm zugejubelt. Aber Federer im Wimbledon-Finale, das ist etwas Besonderes, in diesem Jahr zumal. Er ist jetzt der Erste, der acht Mal das Wimbledon-Finale erreicht hat, er hat noch nie ein Wimbledon-Halbfinale verloren, und sollte er im Finale siegen, wäre er nach Pete Sampras der zweite Tennisprofi, der hier sieben Mal gewann. Und er wäre, als Zugabe, nach zwei Jahren wieder die Nummer eins der Weltrangliste.

Novak Djokovic war bis zu diesem Match gegen Federer äußerst souverän durch diese zwei Wimbledon-Wochen geschritten, er hatte nur eine einzige, ganz kurze Schwächephase gezeigt, das war in der dritten Runde, als er gegen den Tschechen Radek Štepanek den ersten Satz verlor. Die drei darauffolgenden Sätze gewann er jeweils 6:2, es war wirklich eine sehr kurze Schwächephase. Gegen einen wie Djokovic, das hat Federer vor dem Halbfinale gesagt, "ist das Match nie vorbei, bevor der Schiedsrichter den Endstand durchsagt". Roger Federer würde es schwer haben gegen Novak Djokovic, das stand außer Frage.

Und dann begann das Match.

Halbfinale von Wimbledon
:Außen feucht, innen fetzig

Das Dach ist wegen Regen zu und Roger Federer glänzt: Im Halbfinale von Wimbledon liefert sich der Schweizer ein umkämpftes Duell mit Novak Djokovic - wetterfeste Fans verfolgen das Match vor der Arena auf Leinwänden. Für Aufsehen sorgen zahlreiche Promis auf den Rängen.

Federer wirkte enorm konzentriert, er wirkt ja immer sehr konzentriert, zeigt kaum Regungen nach guten Schlägen oder Fehlern, und jetzt, so schien es, würde ihn nichts in seiner Konzentration stören können, nicht einmal die starke Vorhand von Novak Djokovic. Schon bald nach dem ersten Aufschlag gelang ihm das erste Break, nach nur 24 Minuten hatte er den ersten Satz 6:3 gewonnen. Djokovic suchte immer wieder nach einem Weg in dieses Match, aber Federer verstellte ihm die Sicht, wenn man so will. Erst im zweiten Satz war Djokovic da, sein Aufschlag funktionierte jetzt, seine Vorhand, seine Rückhand, Djokovic war wieder Djokovic, die Nummer eins der Welt: Er gewann den zweiten Satz 6:3.

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Von den letzten sieben Matches zwischen Djokovic und Federer hatte Djokovic sechs gewonnen; es war das sechste Spiel im dritten Satz, das andeutete, dass es dieses Mal anders ausgehen könnte. Federer hatte zwei Breakbälle, beide Male folgten beeindruckend lange Ballwechsel, einer mit 23, einer mit 26 Schlägen, beide Male gewann Djokovic den Ballwechsel, aber es war jetzt nicht mehr zu übersehen, dass Djokovic Mühe hatte, seine Aufschlagspiele zu gewinnen. Als Federer 5:4 führte und Djokovic erneut aufschlug, erspielte sich Federer noch mal zwei Breakbälle, er zeigte jetzt nahezu perfektes Tennis, mit langen und kurzen Schlägen, platziert, hart, Topspin und Slice, und Djokovic, er lief von einem Eck ins andere, aber er hatte Mühe, mit Federer mitzuhalten. Federer gewann den dritten Satz 6:4.

Im vierten Satz ging Federer 2:0 in Führung, Djokovic machte mehr und mehr Fehler, 3:0, 4:1, 5:2, so ging das weiter, und nach zwei Stunden und 19 Minuten hatte Federer Matchball. Er schlug auf, Djokovic hatte Mühe, den Ball zurückzuschlagen, der Ball flog ins Netz, und Federer riss seine Arme in die Luft. Nur kurz, dann ging er in die Kabine.

Warum er nicht mehr Emotion gezeigt habe nach diesem tollen Sieg? "Naja", sagte Roger Federer, "auf die Knie gehen und weinen, das hätte jetzt nicht gepasst." Er hat ja noch was zu erledigen, am Sonntag.

Dann kann er nur noch von Andy Murray gestoppt werden. Der Schotte zog mit einem 6:3, 6:4, 3:6, 7:5 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga als erster Brite seit Bunny Austin in ein Wimbledon-Finale ein.

"Ich fühle Erleichterung, Begeisterung, es ist schwer zu beschreiben", sagte Murray. Letzter britischer Champion im All England Club war Fred Perry 1936. "Alle erwarten Unglaubliches von mir", sagte Murray zum Druck auf dem Platz und fügte mit Blick auf das Finale hinzu: "Es wird eines der größten Matches meines Lebens."

Federer ist gewarnt: Im direkten Vergleich mit Ivan Lendls Schützling liegt er 7:8 hinten. Er meinte aber: "Ich spiele immer gern gegen den heimischen Helden".

Es ist Murrays viertes Grand-Slam-Finale, nachdem er bei den US Open 2008 sowie den Australian Open 2010 gegen Federer und 2011 gegen Djokovic verloren hatte.

(dpa/sid)

© SZ vom 07.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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