Wimbledon:Anderson raubt Federer die Leichtigkeit

Wimbledon: Roger Federer: Schaut nun zu

Roger Federer: Schaut nun zu

(Foto: AFP)
  • Roger Federer scheitert überraschend im Viertelfinale von Wimbledon.
  • Gegen Kevin Anderson aus Südafrika sieht es erst nach einem gewohnten Dreisatz-Erfolg aus, doch dann bricht Federer ein.
  • Trotzdem verlässt Federer lächelnd den Court.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Es war kurz vor halb sechs am Abend in Wimbledon, die Spielzeit betrug 4:13 Stunden, als Kevin Anderson seinen letzten Aufschlag platzierte. Sein Gegner schaffte es nicht, eine Vorhand ins Feld zu bringen, und so konnte Anderson, die Nummer acht der Welt, 32 Jahre alt und aus Südafrika, die Arme hochreißen. Er steht erstmals im Halbfinale. Schon 2017 hatte er einen großen Erfolg, als er es bei den US Open bis ins Finale schaffte und dort erst Rafael Nadal unterlag. Aber das hier war größer.

Das war Wimbledon. Und sein Gegner, den er bezwang, war: Roger Federer.

Der 36-jährige Schweizer, der achtmal das Turnier im All England Club gewonnen hat und zu der Rasenveranstaltung gehört wie die Pubs zu den Briten, ist ausgeschieden. Anderson siegte 2:6, 6:7 (5), 7:5, 6:4, 13:11. Zum ersten Mal seit 2015 hatte Federer nicht auf dem Centre Court hier gespielt, sondern auf Court 1. Man konnte darin ein schlechtes Omen im Nachhinein sehen. Er hatte phasenweise wirklich so agiert, als fühle er sich nicht wohl. "Ich hatte meine Chancen, das ist enttäuschend", sagte Federer danach. Er war sehr gefasst. Klasse zeigt er jedenfalls in der Niederlage.

Es war eine Partie, die wie erwartet begann und dann an Dramatik zunahm. Federer nahm Anderson sofort dessen Aufschlagspiel ab und gewann den ersten Satz 6:2. Im zweiten Satz fingen die ersten Schwierigkeiten an. Bei 0:1 verlor Federer sein Aufschlagspiel, es war das erste Mal, dass er seinen Service nach 85 gewonnenen Aufschlagspielen in Serie in Wimbledon abgeben musste. Anderson erhöhte auf 3:0, Federer konterte, glich aus zum 3:3, war bei 5:6 und 0:30 dem Satzverlust nahe, rettete sich und holte den Tie-Break. Der dritte Satz war wieder offen, bei 5:4 hatte Federer Matchball. Hätte er ihn verwandelt, wäre es ein mühevoller, aber statistisch gesehen normaler Dreisatz-Erfolg für Federer gewesen. Doch diesmal surfte er nicht entspannt dem Sieg entgegen.

Ein Fan rief: "Ich muss Fußball schauen."

Anderson griff mutig an und verwehrte Federer den finalen Punkt. Er ging 6:5 in Führung, schlug auf, bei 0:40 hatte Federer drei Re-Breakchancen - und vergab auch diese. Im vierten Satz blieb der Charakter des Matches erhalten. Die vielen "Roger!!!!"-Rufe halfen nicht, Anderson, den auch viele mit "Come on, Kev" anfeuerten, setzte sich 6:4 durch. Fünfter Satz. Im Internet geisterte ein Ergebnis durch die sozialen Medien. 2011 hatte Federer einen 2:0-Sätze-Vorsprung verspielt, gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, in Wimbledon, im Viertelfinale, wie an diesem kühleren Julitag in 2018.

Der fünfte Satz, es war weiter nicht Federers gewohnte Leichtigkeit, die sich entfaltete, dazu ließ ihm der schlaggewaltige Anderson keine Möglichkeiten. 7:7, 8:8, 9:9. Ein Fan rief: "Ich muss Fußball schauen." Englands WM-Halbfinale stand ja an. Mit seinem ersten Doppelfehler im Match schenkte Federer Anderson einen Breakball, den der nutzte. "Mir geht's gut", sagte Federer. Er werde zurückkommen. "Das ist nicht wie ein nicht erfüllter Job jetzt hier für mich. Ich fühle mich so, als hätte ich hier in der Vergangenheit ganz gut den Job gemacht", sagte er - und lächelte doch.

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