Wettskandal:Schutzsperre gegen Linienrichter

Im Wettskandal liegen dem DFB neue Beweismittel vor - der Kontrollausschuss verhört nun erste Spieler und bleibt skeptisch.

Thomas Kistner

Ein paar Tage lang hat der Deutsche Fußball-Bund stillgehalten, obwohl ihm die Verdachtslage bereits als "sehr stark erhöht" (DFB-Präsident Theo Zwanziger) erschien. Am Dienstag gab der Verband nun bekannt, er habe eine Schutzsperre gegen seinen Schiedsrichter Cetin Sevinc aus Waltrop verhängt; der 27-Jährige wird vorerst nicht mehr als Schiedsrichter oder Assistent angesetzt, teilte der DFB mit. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Cetin Sevinc

Cetin Sevinc wird vorerst nicht mehr als Schiedsrichter oder Assistent angesetzt

(Foto: Foto: Getty)

Erforderlich geworden sei diese Maßnahme durch den Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Bochum Ermittlungen gegen Sevinc wegen möglicher Spielmanipulationen eingeleitet habe, bestätigte DFB-Sprecher Stephan Brause auf SZ-Anfrage. Zudem lägen dem Verband "weitere belastende Fakten" vor, die über die erste Verdachtslage hinausreichten, welche sich gegen Sevinc vor zwei Wochen beim Zweitliga-Spiel RW Oberhausen gegen 1860 München (0:1) ergeben hätte.

Vor dieser Partie am 6. Dezember war Wettalarm wegen Manipulationsverdacht ausgelöst worden. Der Wettradar des europäischen Fußballverbands Uefa hatte auffällige Quotenveränderungen in Asien registriert, mehr als eine Million Euro soll dort auf eine Oberhausener Niederlage gesetzt worden sein. Die Uefa informierte kurz vor dem Anpfiff den zuständigen DFB-Direktor Helmut Sandrock, der wiederum Schiedsrichter-Beobachter Hellmut Krug instruierte, Spieler und die Schiedsrichter in ihren Kabinen über den Manipulationsverdacht und die strenge Beobachtung zu informieren, unter der die Partie stand.

Während diese Warnung vor Spielbeginn wie üblich ohne Namensnennungen erfolgte, lagen den Funktionären bereits Details zu dem Verdachtsfall vor. Dabei seien neben dem Namen Sevinc, der in jener Partei Linienrichter war, auch die von beteiligten Spielern genannt worden, sagt DFB-Sprecher Brause: "Wir hatten damals nicht nur Informationen über diese Bewegung am asiatischen Wettmarkt. Sondern auch, dass gewisse Personen, die aktiv an diesem Spiel teilnahmen, möglicherweise vorhaben, dieses Spiel zu manipulieren." Und: "Uns liegen Informationen vor, die auch Spielernamen enthalten könnten". Das hätte man damals auch Rot-Weiß Oberhausen erklärt.

Bei Analyse der Partie am 7. Dezember hatte die zuständige Task Force des DFB keine Auffälligkeiten festgestellt. Das Eigentor von RWO-Verteidiger Marinko Miletic, das den Münchner Gästen den Sieg bescherte, sei eben als "kurios" (Brause) betrachtet worden. Zur Frage, ob der Eigentorschütze zu den Genannten zählte, gab der DFB keine Auskunft. Jedenfalls, so Brause, "halten wir dieses Spiel auch nach aktuellem Informationsstand für nicht manipuliert".

Indes hätten sich weitere Belastungsmomente ergeben gegen den verdächtigten Referee, darunter die Eidesstattliche Versicherung eines Zeugen, der allerlei selbst Gehörtes zu Protokoll gegeben haben soll. Sevinc, der in Bild alle Vorwürfe als "völligen Unsinn" bestritt, war laut DFB in der laufenden Saison viermal in der Regionalliga Nord und einmal in der Regionalliga West im Einsatz. Als Assistent in der 2. Bundesliga war er fünfmal tätig, dazu kommen zwei Einsätze in DFB-Pokal und 3. Liga.

Da neben dem Referee, der in die DFB-Zuständigkeit fällt, beim Oberhausen-Spiel auch Profikicker ins Visier gerieten und sich der Zweitligist schon seinerzeit massiv über Vorverurteilung beschwert hatte, tobt hinter den Kulissen ein heftiger Zwist zwischen Deutscher Fußball Liga (DFL) und dem DFB. DFL-Chef Reinhard Rauball hatte noch vergangene Woche in den Medien energisch angekündigt, eine interne Klärung mit Zwanziger über das Vorgehen im Fall Oberhausen herbeiführen zu wollen.

Der DFB hingegen weist die Vorwürfe, er habe vor jener Zweitliga-Partie vorschnell einen Alleingang gestartet, entrüstet von sich. "Bei jenem Spiel ist de facto auch die Liga informiert gewesen, in Person von Geschäftsführer Holger Hieronymus", sagt Brause. Auch Hieronymus ist Mitglied der Task Force für den Wettspielkomplex.

Sumpfiges Geläuf

Und mit Hellmuth Krug, der vor dem Match in die Kabinen der Teams gegangen war, hat sogar ein Angestellter der DFL die Warnungen ausgesprochen - fragt sich also aus DFB-Sicht, wo die Liga da noch Klärungsbedarf sieht. Für DFB-Vize Rainer Koch, der seinerzeit selbst "erst 30 Minuten nach Spielbeginn über den Wettalarm informiert" wurde, ist das umso unverständlicher, als es seiner Beobachtung nach bei allen, die damals von der konkreten Verdachtslage erfahren hätten, kein Zweifel an der Notwendigkeit gegeben hätte, die kurzfristige Warnung auszusprechen.

Koch, im DFB für Rechtsfragen zuständig, stellt bereits in Aussicht, "dass unser Kontrollausschuss zu Jahresbeginn weitere Verfahren gegen Spieler einleitet". Vorfahrt hätten derzeit noch die Ermittlungen der Bochumer. Aber auch ohne die aktuellsten Entwicklungen, zu denen der DFB mit zusätzlichen Erkenntnissen etwa über Durchsuchungsfunde rechnet, bleibt genug aufzuklären.

Einige der im neuen Wettskandal schon verhörten Akteure - Spieler, ein Schiedsrichter - hätten vorm DFB-Kontrollausschuss die gegen sie erhobenen Vorwürfe der Spielmanipulation "nicht entkräften können", heißt es. Das Geläuf könnte sumpfig bleiben, das lässt nicht nur die Causa Oberhausen vermuten. Das Spiel fand übrigens zwei Wochen nach Ruchbarwerden der Wettaffäre statt.

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