Wettskandal in Österreich:Betrogene Betrüger

Am Telefon entschuldigte sich Bojan Filipovic vom Grazer SK Sturm für Tor und Sieg - doch die Polizei hörte mit.

Michael Smejkal

Eine asiatische Wettmafia, die in Deutschland aus dem Hinterzimmer eines China-Restaurants mit dem klangvollen Namen "Neue Freunde" agiert; ein kroatischer Fußballprofi, der seinerseits die Wettmafia abzockt; und die mühsame Suche nach Opfern und Tätern - dies ergibt die Geschichte eines versuchten Wettbetrugs in der österreichischen Fußball-Bundesliga, bei der kein noch so plumpes Klischee ausgelassen wird und die sich letztlich als Posse mit strafrechtlichem Hintergrund entpuppt.

Wettskandal in Österreich: Trainer unter Verdacht: Mischa Petrovic

Trainer unter Verdacht: Mischa Petrovic

(Foto: Foto: AP)

Begonnen hat alles im deutschen Eschborn, wo der dortige Regionalligaklub per Selbstanzeige eine sogenannte Wettmafia von vier Personen auffliegen ließ.

Die deutschen Ermittlungsbehörden gaben den österreichischen Kollegen einen Tipp, dass eine Spur nach Graz zum Bundesligisten SK Sturm führt.

Siehe da: Der Sturm-Trainer Mischa Petrovic und der Stürmer Bojan Filipovic sollen laut Grazer Sicherheitsdirektion in Wett-Manipulationen involviert gewesen sein: bei den Spielen von Sturm Graz gegen Austria Wien und gegen Red Bull Salzburg im Februar und März dieses Jahres.

Bis hierher klingt die Geschichte noch wie ein gewöhnlicher Betrugsfall, doch der Ablauf macht die Story skurril: Geschoben werden sollten zwei Partien, bei denen die abstiegsbedrohte Grazer Mannschaft ohnedies hoher Außenseiter war, nämlich gegen die beiden österreichischen Titelanwärter.

Offenbar wurden hohe Summen auf die zu erwartenden Niederlagen von Sturm gesetzt, Petrovic und Filipovic sollten das kleine Restrisiko ausschalten.

Angeblich erhielt Petrovic dafür 20.000 Euro und Filipovic 5000 Euro Anzahlung, was beide in einer eidesstattlichen Erklärung dementierten.

Doch es sollte anders kommen: Sturm errang bei Austria Wien überraschend ein 0:0. Nun sollte Anfang März beim Match gegen Salzburg alles ins rechte Lot gerückt werden. Wieder sollte Sturm papierformgemäß verlieren, wieder kam es anders: Angetrieben von einem starken Bojan Filipovic, der auch selbst das 1:0 erzielte, überrollte Sturm mit der stärksten Saisonleistung die Salzburger mit 4:0 und lieferte so die Sensation der Runde.

Die Polizei hörte mit

Danach dürfte Filipovic das schlechte Gewissen ordentlich geplagt haben: Er entschuldigte sich am Telefon für sein Tor und den Sieg - blöd nur, dass dieses Gespräch in Deutschland von der Ermittlunsgbehörde bereits abgehört wurde.

Trainer Petrovic verfolgte den im Abstiegskampf überlebenswichtigen Sieg seiner Mannschaft laut Tageszeitung Kurier mit den Gesichtszügen eines "Menschen, dem gerade sein Auto entwendet wurde".

Die beiden ungeplanten Überraschungen kosteten die Wettmafia offenbar mehr als 100.000 Euro Einsatz. In einem weiteren Telefonat soll Petrovic für seinen plötzlich treffenden Stürmer aber ein gutes Wort eingelegt haben: "Gebt Filipovic noch eine Chance."

Natürlich wurde sogleich der Ruf nach harten Konsequenzen erhoben, allein: Wen soll man strafen? Materiell geschädigt wurde nur die Wettmafia. Wie das Verhalten des Duos arbeitsrechtlich zu beurteilen ist, ist nicht weniger delikat zu beantworten.

Denn Petrovic führte Sturms junge Mannschaft aus der Abstiegszone, und bis zur Enthüllung durch die Grazer Sicherheitsdirektion samt Hausdurchsuchungen bei Petrovic und Filipovic wäre der Coach sogar Anwärter auf den Titel "Trainer des Jahres" gewesen.

Der Vorwurf des gewerbsmäßigen Betruges wurde zwar von den Behörden erhoben, doch betrogen wurden eigentlich nur die in Frankfurt in Haft sitzenden Anstifter selbst.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kommt für die ganze Bundesliga zum ungünstigsten Zeitpunkt: Weil in Österreichs Zehnerliga vier Durchgänge gespielt werden, gastiert Sturm am Samstag in Salzburg und empfängt eine Woche später Austria Wien.

Zwei Partien, die die Meisterschaft entscheiden können, werden nun unter Aufsicht der Sicherheitsdirektion gespielt. Bei beiden Partien wird Petrovic das Team trainieren. Der sonst so wortgewaltige Sturm-Boss Hannes Kartnig verzichtet vorerst auf Konsequenzen: "Können Sie mir bitte erklären, wie ein Trainer eine Partie schieben soll?"

Filipovic wird jedoch fehlen, er ist verletzt. Das wäre eine Chance für die "neuen Freunde" - wenn sie nicht selbst handlungsunfähig wären.

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