Wettskandal in Montpellier:"Was gibt es Schöneres als Wetten?"

Der Vorwurf des Wettbetrugs gegen neun Spieler des Handballmeisters Montpellier AHB erschüttert Frankreichs Sportszene: Zu den Beschuldigten gehört auch Nikola Karabatic, einst für den THW Kiel aktiv - und Werbepartner eines Wettanbieters. Der Fall macht selbst den Staatsanwalt fassungslos.

Peter Hacker

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Nach der Niederlage gegen Paris von der Polizei abgeführt: Der ehemalige Welthandballer Nikola Karabtic (li.)

(Foto: AFP)

Die Szene würde jedem Film noir gut zu Gesicht stehen: Polizisten in Zivil dringen nach Ende eines Handballspiels in die Umkleidekabine ein und nehmen mehrere Spieler fest. Was am vergangenen Sonntagabend nach dem Meisterschaftsspiel des Montpellier AHB bei Paris St. Germain begann, fand gestern in der Eröffnung von mehreren Strafverfahren seinen vorläufigen Höhepunkt. Mehreren Spielern des MAHB wirft die Staatsanwaltschaft in Montpellier vor, Wettbetrug begangen zu haben. Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, steht dem französischen Handball ein Skandal ins Haus, dessen Folgen noch nicht abzusehen sind.

Ob Brice Robin ein Handballfan ist, hat er nicht verraten;es ist jedoch wahrscheinlich. Schließlich machte der Staatsanwalt am Montag bei der Pressekonferenz in Montpellier aus seiner Fassungslosigkeit kein Hehl: "Ich habe mich am Anfang geweigert zu glauben, dass sich Spieler dieser Klasse zu derartigen Verfehlungen hinreißen lassen können." Seine Fassungslosigkeit teilt Robin mit der gesamten französischen Handball-Szene. Es ist nicht so sehr der Vorwurf des Wettbetrugs, der für Entsetzen sorgt - es sind vielmehr die Namen der Beschuldigten.

Einer von ihnen ist Nikola Karabatic, Welthandballer des Jahres 2007 und den deutschen Handball-Anhängern aus seiner Zeit beim THW Kiel bekannt. Der 28-Jährige ist in Frankreich eine Handball-Ikone und eine der Stützen der Nationalmannschaft. "Les Experts", wie die aktuelle Generation genannt wird, haben jüngst bei den Olympischen Spielen in London zum zweiten Mal Gold gewonnen. Karabatic, dessen Jahreseinkommen auf mehrere hunderttausend Euro geschätzt wird, besitzt zudem mehrere Werbepartner. Einer davon ist - und das ist die Pointe - ein Anbieter von Sportwetten, für den Karabatic noch bis vor kurzem mit dem Slogan "Was gibt es Schöneres als Wetten?" über die Fernseh-Bildschirme flimmerte.

Die Lust aufs Wetten dürfte Karabatic erst einmal vergangen sein. Er soll mit acht weiteren aktuellen oder ehemaligen Spielern des MAHB, unter ihnen sein jüngerer Bruder Luka, am 12. Mai das Punktspiel beim abstiegsgefährdeten Team Cesson-Rennes absichtlich 28:31 verloren haben. Zugleich sollen sie über Familienmitglieder und weitere Mittelsmänner insgesamt 87 880 Euro auf eine - tatsächlich eingetretene - Halbzeitführung von Cesson-Rennes gewettet und auf diese Weise 252 880 Euro Gewinn erzielt haben. Der Wettanbieter Française des Jeux alarmierte wegen der auffallend hohen Wetteinsätze am selben Tag die zuständigen Kontrollbehörden.

Karabatic-Brüder bei besagtem Spiel verletzt

Einige der insgesamt 20 Verdächtigen, darunter die Lebensgefährtinnen der Karabatic-Brüder, haben nach Angaben ihrer Anwälte die fraglichen Wetten inzwischen zugegeben. Die Spieler bestreiten jedoch weiterhin, absichtlich verloren zu haben. Die Karabatic-Brüder waren bei besagtem Spiel aus Verletzungsgründen nicht dabei.

Montpellier's Nikola Karabatic gestures during the EHF Champions League handball match against Flensburg in Flensburg

Stand beim besagten Spiel wegen einer Verletzung nicht auf dem Feld: Montpelliers Nikola Karabatic.

(Foto: REUTERS)

Wegen der Affäre droht den Beschuldigten seitens des französischen Handballverbandes, der allen Spielern das Wetten auf ihre eigenen Spiele untersagt, eine Spielsperre samt Geldbuße. Strafrechtliche Folgen müssen sie nur fürchten, wenn ihnen nachgewiesen wird, das Spiel gegen Cesson-Rennes absichtlich verloren zu haben. Davon ist Staatsanwalt Robin überzeugt, der in den Betrügereien gar einen "Pakt der Korruption" sieht. Schließlich seien die Wetten nicht nur in verschiedenen Büros aufgegeben worden, sondern hätten auch nie den Einsatz von 100 Euro überstiegen, bei dem Anonymität und die Barauszahlung des Gewinns garantiert sind. Einer der Beteiligten, ein Barbesitzer aus dem Raum Montpellier, habe nicht weniger als 250 Wettscheine ausgefüllt. Gegen ihn, die Brüder Karabatic, ihre Lebensgefährtinnen, drei weitere Wettbeteiligte sowie die Spieler Primoz Prost (MAHB), Mladen Bojinovic und Samuel Honrubia von Paris Saint Germain wurden gestern Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingeleitet, wie französische Medien berichteten. Für die betroffenen Spieler bedeutet dies, dass sie vorerst nicht mehr am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen dürfen.

Ganz egal, wie der Skandal juristisch ausgeht, ein Verlierer steht schon fest: Montpellier AHB. Der französische Serienmeister und Champions-League-Sieger des Jahres 2003 ist seit Jahren eine feste Größe im internationalen Handballsport. Präsident Rémy Lévy sieht seinen Verein gar in einer Existenzkrise, sollten Sponsoren abspringen. Der Klub kündigte bereits harte Sanktionen gegen die geständigen Spieler an und ließ verlauten, dass deren Wetten gegen das eigene Team durchaus einen Kündigungsgrund darstellten.

Der Skandal trifft MAHB zu einer Zeit, da ihm in Paris St. Germain, der Handballabteilung des gleichnamigen Fußballvereins, erstmals seit Jahren ein ernst zu nehmender Gegner gegenübersteht. Wie stark das vom katarischen Staatsfonds mit Millionenbeträgen aufgerüstete Team ist, bekamen die Südfranzosen am Sonntag zu spüren, als sie sich in Paris eine 24:38-Abfuhr abholten. Dem Handball in Montpellier stehen juristisch wie sportlich dunkle Zeiten bevor - dunkler als in jedem Film noir.

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