Wettskandal im Fußball:Der Skandal und die Schuldfrage

Laut europäischer Polizeibehörde Europol sind zwischen 2008 und 2011 zahlreiche Fußballspiele in Europa manipuliert worden, darunter auch eine Champions-League-Partie. Inzwischen ist darüber eine Diskussion entbrannt, wie es dazu kommen konnte - wie Betrug von solchen Ausmaßen in Zukunft verhindert werden kann.

Nach der Aufdeckung des womöglich größten Fußball-Wettskandals gibt es in Deutschland die erste Forderungen nach Konsequenzen: So nimmt der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages, die Strafverfolgungsbehörden und die Verbände in die Pflicht. Die Grünen im Bundestag machen Fifa-Chef Sepp Blatter mitverantwortlich - und fordern indirekt den Rücktritt des Weltverbands-Präsidenten. Die privaten Sportwettenanbieter dagegen fürchten künftig eine weitere Verschärfung des Manipulations-Problems.

Karl-Heinz Rummenigge fordert nach den alarmierenden Untersuchungsergebnissen der Polizeibehörde Europol eine "lückenlose" Aufklärung. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern plädiert zugleich für eine "harte Bestrafung" überführter Betrüger. "Es geht um die Glaubwürdigkeit des Fußballs", sagte Rummenigge am Dienstag.

Das Thema schlage auch bei der aktuellen Vollversammlung der Europäischen Club-Vereinigung (ECA) in Katar "hohe Wellen", berichtete der ECA-Vorsitzende, der betonte: "Wenn die Leute ins Stadion gehen, müssen sie wissen, dass dort alles sauber und seriös vor sich geht."

Bosbach forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung von den Behörden nach Abschluss der Ermittlungen die Offenlegung der betroffenen Klubs und der verdächtigen Spiele. Ansonsten würden laut Bosbach "Spekulationen Tor und Tür geöffnet" sowie eine "große Zahl von Vereinen, Spielern und Schiedsrichtern unter Generalverdacht gestellt".

"Blatter ist selbst ein Teil des Problems"

Zudem müssen nach Ansicht Bosbachs die Verbände ihre Werkzeuge gegen Manipulationen auf den Prüfstand stellen. "Wir müssen dringend überprüfen, ob die von den Verbänden bisher installierten nationalen und internationalen Frühwarnsysteme tatsächlich effektiv sind", sagte der 60-Jährige.

Nach Ansicht der sportpolitischen Sprecherin der Grünen, Viola von Cramon "scheint es nicht ungewöhnlich, dass unter der Führung von Sepp Blatter das kriminelle Netz seit dem Wettskandal um Robert Hoyzer eher zu- als abgenommen hat." Für von Cramon kommt es darauf an, "den Sport immun gegenüber Angriffen von außen zu machen. Doch dafür muss erst die Führungsriege der Fifa um Sepp Blatter von Korruption bereinigt werden."

Wettskandal im Fußball: Wettanbieter locken mit Quoten.

Wettanbieter locken mit Quoten.

(Foto: AP)

Laut von Cramon ist Blatter selbst ein Teil des Problems. "Zwar spricht Sepp Blatter davon, im Kampf gegen Matchmanipulation helfen zu wollen, doch lässt er seinen Worten keine Taten folgen", sagte die Politikerin: "Notwendige Sanktionierungen gegen Verbände, die Spielmanipulatoren tolerieren, blieben bislang aus."

Nach Ansicht der Grünen seht der Weltverband vor einem existenziellen Problem. "Die FIFA muss den Kampf gegen Korruption und Sportwettenbetrug intensivieren, damit sie nicht jegliche Autorität verliert", sagte von Cramon. Für die Sportpolitikerin ist klar, dass die Ursache des Problems "auch in der oberflächlichen Auseinandersetzung der Führung des Fußballweltverbands mit dem Thema" liegt: "Aus unserer Sicht ist klar, dass es sich hier nicht nur um manipulierte Spiele handelt, sondern ebenso um skrupellose Verantwortliche."

Prävention als Werkzeug

Der Direktor des privaten Wettanbieters bwin, Jörg Wecker, sieht die Schuld im neuen Glücksspielstaatsvertrag, der die Wetter in den Schwarzmarkt treibe. "Die Zahl der Sportwettenlizenzen soll auf 20 begrenzt werden und für die lizenzierten Online-Anbieter gibt es weitreichende Einschränkungen. Damit sind ihre Angebote nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber Schwarzmarktanbietern. Viele Kunden werden sich daher den vermeintlich attraktiveren Schwarzmarktangeboten zuwenden", sagte Wacker dem Handelsblatt: "Wenn eine Betrugsprävention Erfolg haben soll, müssen so viele Spieler wie möglich hin zu den staatlich überwachten Anbietern kanalisiert werden. Das leistet der neue Staatsvertrag nicht, damit fördert er weiterhin den Schwarzmarkt."

Wie Europol hat auch Wacker vor allem Asien im Visier. "Das Hauptproblem bei Wettmanipulationen ist der nicht kontrollierbare Schwarzmarkt in Asien", äußerte Wacker. Dort würde auch kein Warnsystem funktionieren, weil sich die Wettanbieter nicht kontrollieren lassen und die Wetten zumeist mit Bargeld platziert werden.

Die europäische Polizeibehörde Europol hat am Montag bekanntgegeben, dass es zwischen 2008 und 2011 insgesamt 380 manipulierte Spiele in Europa gegeben haben soll. In rund 300 weiteren verdächtigen Partien, die zumeist außerhalb Europas stattgefunden haben, laufen derzeit Ermittlungen. Insgesamt sollen 425 Spieler, Schiedsrichter, Funktionäre und Kriminelle involviert gewesen sein.

Das kriminelle Netzwerk soll laut Europol von Singapur aus gesteuert werden. Die Korruptions-Expertin Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland, sieht den deutschen Profifußball allerdings nur bedingt gefährdet.

"Wo Spieler sehr gut bezahlt werden, ist es sehr viel schwieriger sie zu bestechen, als dort, wo Spieler - gerade in osteuropäischen Ländern - sehr schlecht oder manchmal gar nicht bezahlt werden, weil der Verein das Geld nicht hat. Und insofern ist es bei uns eher in den unteren Ligen ein Problem", sagte Schenk HR-Info.

Für Schenk ist Prävention das wichtigste Werkzeug im Kampf gegen Manipulationen. Schon junge Spieler müssten ausreichend geschult werden, damit sie für solche Machenschaften nicht anfällig seien. Laut Schenk müsse es zwar Sanktionen geben, Strafen allein aber würden die Probleme nicht lösen. Das hätten Erfahrungen aus dem Doping-Bereich gezeigt.

Derweil mehren sich die Berichte, dass es sich bei dem von Europol genannten Champions-League-Spiel auf englischem Boden um die Partie zwischen dem FC Liverpool und dem ungarischen Vertreter VSC Debrecen handeln soll. Das vermelden englische Blätter und die dänische Zeitung Ekstra Bladet. Die Begegnung fand am 16. September 2009 und endete 1:0 für Liverpool.

Die Spielergewerkschaft VdV rät indes allen Fußballern, "die Finger von Wetten zu lassen". Das sagte VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky am Dienstag nach den jüngsten Fahndungserfolgen von Europol. "Es muss in den Köpfen der Spieler anfangen. Aber da sind alle gefordert", ergänzte Baranowsky.

Er verwies auf die Regeln, die im deutschen Fußball gelten. So gibt es Wettverbote für Spieler, Trainer, Clubverantwortliche und Schiedsrichter. Keine dieser Personen darf Wetten auf die eigene Mannschaft oder die Wettbewerbe, an denen ihr Team teilnimmt, abgeben. Auch auf Spiele oder Wettbewerbe, an denen andere Mannschaften ihrer Vereine teilnehmen, dürfe nicht gewettet werden. Für Betroffene sei es schwer, aus der "Falle" des Wettbetrugs wieder herauszukommen, meinte Baranowsky.

Ähnlich wie Fredi Bobic, Sportdirektor des Bundesligisten VfB Stuttgart, geht auch er davon aus, dass die 1. und 2. Bundesliga nicht oder nur in Ausnahmefällen betroffen sein könnten. "Schwarze Schafe" seien indes nicht auszuschließen.

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