Wettmanipulation im Fußball:Razzia im italienischen EM-Quartier

Der italienische Wettskandal erreicht die EM: Im Trainingslager der italienischen Nationalmannschaft durchsucht die Polizei Räumlichkeiten und vernimmt Verteidiger Domenico Criscito. Dieser verschwindet umgehend aus dem EM-Aufgebot. Zwei weitere Profis werden bei der landesweiten Großrazzia vorläufig festgenommen, auch der Meistertrainer bekommt Besuch.

Knapp zwei Wochen vor Start der Fußball-EM wird die italienische Nationalmannschaft in den Liga-Manipulationsskandal hineingezogen. Am frühen Pfingstmontag durchsuchten Polizisten das Trainingszentrum der Azzurri in Florenz und schreckten den italienischen Fußball damit endgültig auf.

Wettmanipulation im Fußball: Journalisten vor EM-Quartier der Italiener: Polizei durchsucht Zimmer

Journalisten vor EM-Quartier der Italiener: Polizei durchsucht Zimmer

(Foto: AFP)

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach übereinstimmenden Medienberichten gegen Nationalspieler Domenico Criscito vom russischen Club Zenit St. Petersburg wegen des Verdachts der Wettmanipulation. Auch sein Haus in Genua wurde durchsucht. Am Nachmittag gab Verbands-Vize-Präsident Demetrio Albertini bekannt, dass Criscito nicht für die EURO 2012 in Polen und der Ukraine (8. Juni bis 1. Juli) nominiert werde.

In einer landesweiten Razzia wurden 19 Personen festgenommen, darunter 13 Profi-Fußballer. "Das sind verheerende Nachrichten", sagte die italienische Trainerlegende Giovanni Trapattoni, der mit Irland an der EM-Endrunde teilnehmen wird. "Aber wenn die Behörden so handeln, dann meist aus gutem Grund."

Zu den Inhaftierten zählt auch der Kapitän von Miroslav Kloses Klub Lazio Rom, Stefano Mauri. Cremonas Staatsanwalt Guido Salvini eröffnete auch ein Ermittlungsverfahren gegen Juventus Turins Coach Antonio Conte. Er ließ das Haus des Meistertrainers durchsuchen. Als Trainer des AC Siena soll er in der vergangenen Saison an Ergebnisabsprachen in den Partien gegen Novara und AlbinoLeffe beteiligt gewesen sein.

Sein ehemaliger Spieler Filippo Carobbio hatte Conte schwer belastet. Auch gegen Sienas Club-Präsidenten Massimo Mezzaroma wurde ein Verfahren eingeleitet. Unter des festgenommenen Fußballern ist auch ein früherer Spieler des CFC Genua, der nun bei Padua in der Serie B spielt. Bei einem Profi vom Erstligisten Chievo Verona wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt.

Wie die Polizei in Cremona am Montagmorgen mitteilte, wurden auch im Ausland Durchsuchungen durchgeführt. Die Aktion richte sich gegen eine "international operierende Organisation". Da den Verdächtigten die "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel des Betrugs und des Sportbetrugs" vorgeworfen wird, drohen ihnen im Fall einer Verurteilung mehrjährige Haftstrafen.

Im Trainingslager der Nationalelf waren am Montag um 6:25 Uhr fünf Beamte vorgefahren. Sie übergaben Criscito den offiziellen Ermittlungsbescheid und durchsuchten Medienangaben zufolge Räume im Verbands-Trainingszentrum Coverciano. Bis zu dieser Razzia galt Linksaußen Criscito als gesetzt für den EM-Kader von Nationaltrainer Cesare Prandelli. Der 25 Jahre alte Verteidiger war zwischen 2008 und 2011 von Juventus Turin an den FC Genua ausgeliehen - er wurde von den Behörden verhört.

"Epizentrum der Wettmanipulation"

Bereits vor dem WM-Coup 2006 war der italienische Fußball vom Liga-Manipulationsskandal um Juventus Turin erschüttert worden. Damals waren aber keine Spieler der Nationalmannschaft verstrickt.

Wettmanipulation im Fußball: Ein Polizeiauto verlässt das EM-Quartier der Italiener in Coverciano: Zimmer durchsucht

Ein Polizeiauto verlässt das EM-Quartier der Italiener in Coverciano: Zimmer durchsucht

(Foto: AFP)

Die Staatsanwaltschaften Cremona und Bari haben seit dem vergangenen Jahr bereits Dutzende Personen wegen des Verdachts der Wettmanipulation festnehmen lassen. Darunter war im Dezember auch der ehemalige italienischen Nationalspieler Cristiani Doni.

Der frühere Kapitän von Atalanta Bergamo gehört auch zu den Angeklagten eines Prozesses, den der italienische Fußballverband (FIGC) ankündigte. Dabei werden 22 Vereine, 61 Spieler und Manager anklagt. FIGC-Chefankläger Stafano Palazzi bezeichnete Italien als das "Epizentrum der Wettmanipulation". Der Prozess soll nach der EM im Juli beginnen.

In Ungarn wurden zudem fünf Mitglieder einer Organisation um den Singapurer Tan Seet Eng verhaftet, der laut den Ermittlern einen asiatischen Wettring geleitet haben soll.

Die Staatsanwälte der norditalienischen Stadt Siena haben außerdem eine Untersuchung gegen den Präsidenten des italienischen Erstligisten AC Siena, Massimo Mezzaroma, aufgenommen. Sein Büro wurde durchsucht. Belastet wurde Mezzaroma von dem verhafteten Fußball-Profi Carlo Gervasoni, der mit dem Ex-Kapitän des Erstligisten Atalanta Bergamo, Cristiano Doni, zu den Drahtziehern des Skandals zählen soll.

Gervasoni hatte den Ermittlern erklärt, dass Mezzaroma anlässlich des Spiels Modena gegen Siena am 26. Februar 2011 zwei Modena-Spieler bestochen habe. Der Siena-Präsident wies die Vorwürfe entschieden zurück.

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