Wetterprobleme bei der Biathlon-WM:Wie Butter auf der Herdplatte

Wegen der hohen Temperaturen in Ruhpolding sind nicht nur die Pistenwarte im Dauereinsatz. Auch die Athleten und ihre Wachs-Techniker tüfteln an der optimalen Taktik für den tiefen, nassen Schnee. Zu einem wichtigen Requisit der Biathlon-WM mausert sich das gute alte Breznsalz.

Heiner Effern, Ruhpolding

Biathlon-Fans jubeln ständig irgendwem oder irgendwas zu. So kam auch einer in den Genuss voreiliger Ovationen, auf dem in den sonnigen Tagen von Ruhpolding eine große Verantwortung lastet: Streckenchef Alois Reiter. Die Fans erfreuten sich an dem Bild, wie er auf der Ladefläche einer Pistenwalze saß und Breznsalz auf die Strecke warf wie ein Faschingsprinz Kamellen am Rosenmontagszug.

An unidentified biathlete skis during a practice session at the Biathlon World Championships in Ruhpolding

Tiefer, nasser Schnee macht den Athleten zu schaffen.

(Foto: REUTERS)

Doch die Gaudi für die Zuschauer hatte einen ernsten Hintergrund: Die starke Märzsonne setzt den Biathlon-Weltmeisterschaften so zu, dass schon am ersten Wettkampftag ungewöhnlich heftige Rettungsbemühungen um die Strecke nötig waren.

In der Sonne schmilzt der Schnee wie Butter auf der Herdplatte, die Athleten sorgen sich um faire Wettkämpfe. "Ich hoffe, dass das nicht zum Tiefschnee-Stapfen wird, wenn vorher die Männer drübergegangen sind", sagte Tina Bachmann. Am Samstag sind die beiden Sprints angesetzt, die etwa 140 Männer starten um 12.30 Uhr, die Frauen drei Stunden später.

Am Sonntag stehen die Verfolgungen auf dem Programm. Vier Rennen an zwei Tagen bei Höchsttemperaturen um 15 Grad auf einer Strecke, die schon in der Woche zuvor von Regen und Sonne malträtiert wurde, das zwingt die Veranstalter zur Reaktion. "Wenn es irregulär wird, muss man sich Gedanken machen", sagte der Wettkampfleiter Norbert Baier.

So sehen die Gedanken für die Rennen aus: In den beiden Sprints wird eine fünfte Startgruppe gebildet, in der schwächere Athleten auf der ramponierten Piste hinterherlaufen müssen. Die beste Strecke werden die ersten Zehn im Weltcup vorfinden: Sie dürfen sich wie immer eine Startnummer aussuchen. "Es macht sicher Sinn, vorne reinzugehen", sagt Magdalena Neuner, es sei klar, dass die Strecke mit der Zeit "nicht schneller wird". Unter diese Regel fallen aus dem deutschen Team auch Andrea Henkel sowie Arnd Peiffer und Andreas Birnbacher.

Für eine faire Strecke liefen hinter den Kulissen den gesamten wettkampffreien Freitag diverse Feldversuche. Streckenarbeiter präparierten Testabschnitte mit starker Sonneneinstrahlung auf verschiedene Arten: Sie belegten ihn mit frischem Schnee aus dem Depot, sie trugen die weichen, oberen zehn Zentimeter der Schneedecke ab und arbeiteten mit dem gesalzenen Schnee vom Donnerstag. Zu den Wettkampfzeiten der Sprints wurden zudem Luftfeuchtigkeit, Luft- und Schneetemperatur gemessen.

Erst am Samstagmorgen fällt - je nach Wetterlage und -prognose - die Entscheidung, welche Variante zum Einsatz kommt. Bis spät in den Freitagabend hinein sollten die Pistenraupen unterwegs sein, um den Nachtfrost zu nutzen. Ein Thema wird erneut auch Breznsalz sein.

110 Kilogramm Salz

Am Donnerstag vor der Mixed-Staffel streuten Reiter und seine Mitarbeiter 110 Kilogramm auf die Strecke, die für ein paar Stunden Feuchtigkeit aus dem warmen Schnee zogen. "Die haben gute Arbeit geleistet", sagte Neuner nach dem Rennen. Doch das Salz bleibt im Schnee, streut man es zu oft oder zu viel, bilden sich Kügelchen, die nicht mehr zu einer kompakten Oberfläche werden. Nur mit Wasser ließe sich das Salz-Schnee-Gemisch wieder lösen. Dann würde sich allerdings Eis bilden, auf dem Biathleten, die ohne Stahlkanten unterwegs sind, sich nur bedingt stabil halten können. Aus diesem Grund vereiste man die Strecken vor den Weltmeisterschaften auch nicht mit Wasser, wie es im alpinen Skisport üblich ist.

Magdalena Neuner hofft trotzdem, dass vor dem Frauenrennen noch Salz gestreut und an der Piste gearbeitet wird: "Sonst wird es richtig hart." Ihr Cheftrainer Uwe Müßiggang weiß vom Veranstalter, dass zumindest an den steilen Anstiegen vor dem Frauenrennen gesalzen wird. Viel mehr wird in der kurzen Pause nicht möglich sein, eine Fahrt mit der Pistenwalze würde den Schnee zwar glatt, aber noch weicher machen.

Die hohen Temperaturen und die Unwägbarkeiten der Streckenpräparierung stellen die Biathleten und vor allem ihre Wachs-Techniker vor Probleme. Seit zwei Wochen tüfteln sie herum, welche Skatingski bei den Weltmeisterschaften zum Einsatz kommen sollten. "Alle Tests sind nun hinfällig", sagt Tina Bachmann. Die Techniker verbrachten die vergangenen Nächte in Bad Reichenhall, wo sie Ski neu schleifen ließen, und testen diese nun ununterbrochen.

Bachmanns Teamkollegen Arnd Peiffer plagte bei der Mixed-Staffel noch ein anderes Phänomen, das man in Ruhpolding bei den Januar-Weltcups nicht kennt. Ihn blendete im Schießstand die Sonne so stark, dass er beim entscheidenden Stehend-Anschlag nichts mehr sah. Dass die Sonne im März höher steht und mehr Kraft hat als im Februar, dürfte indes auch für die Biathlon-Welt nicht überraschend gekommen sein.

Die Ruhpoldinger wiesen darauf hin, doch die IBU lehnte den Wunschtermin Anfang Februar ab. Die Faschingsferien am Ende des Monats, im Winter die einzige Woche neben Weihnachten, in der Ruhpolding volle Häuser hat, wollten die Veranstalter nicht opfern. So kam es zu einem Termin Anfang März, an dem es auch noch außergewöhnlich warm ist. Nicht mehr lange, hoffen aber die Veranstalter: Von Montag an soll der Frühling eine Pause machen, sogar ein paar Schneeflocken sind versprochen.

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