Wettbetrug im Fußball:Massig Arbeit für die Kommission "Flankengott"

Ante Sapina gibt sich geläutert, für seinen Wettbetrug muss er trotzdem fünf Jahre in Haft. Seine Verurteilung könnte ein Zeichen für künftige Richtersprüche am Landgericht Bochum sein. Bald beginnt der achte Prozess - erstmals mit ehemaligen Profis auf der Anklagebank.

Von Ulrich Hartmann

Ante Sapina schniefte, seine Augen glänzten, aber es war nicht ersichtlich, ob das Heuschnupfen oder Reue war. Deutschlands berühmtester Fußball-Wettbetrüger hatte am Montag nach viermonatiger Verhandlung das letzte Wort, bevor ihn das Landgericht Bochum wegen 19 Betrugsfällen aus den Jahren 2008 und 2009 zu fünf Jahren Haft verurteilte.

Dieses Urteil ersetzt jene Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren, zu denen ihn eine andere Kammer in Bochum schon vor drei Jahren verurteilt hatte, die der Bundesgerichtshof aber teilweise aufgehoben hat. Sapina tat geläutert. "Ich kann mich nur entschuldigen bei allen Fußballfans und bei meiner Familie", sagte der in Berlin lebende 38 Jahre alte Kroate und deutete an, sich mit seinem umfangreichen Branchenwissen jetzt auf die Seite der Guten schlagen zu wollen: "Ich will mithelfen, eine Software zu entwickeln, damit Wettmanipulationen in Zukunft schneller erkannt werden können."

Auch Sapinas Kumpan Marijo C., ein 38 Jahre alter Kroate aus Nürnberg, wurde am Montag im selben Wiederholungsverfahren mit einer sechsmonatigen Straferleichterung für 21 Betrugsfälle zu fünf Jahren Haft verurteilt und gab sich gleichermaßen demütig: "Mir ist absolut bewusst, was ich dem Sport angetan habe, mein Sohn spielt auch Fußball, und ich kann nur sagen, dass mir alles leid tut."

Neben dem moralischen Aspekt erschien es den beiden Wettbetrügern im Schlusswort besonders wichtig, zu betonen, dass sie von ihren Manipulationen unter dem Strich keinen finanziellen Vorteil hatten. Beide sind sich wegen Nachforderungen der Steuerbehörden in Privatinsolvenz.

Große Luxusgüter, führte der Richter Carsten Schwadrat aus, hätten sich beide im Laufe ihrer kriminellen Jahre nicht zugelegt, aber immerhin doch ein komfortables Leben geführt. Übrig geblieben sei davon jedoch offenbar nichts. "Ich wollte mit dem Wetten Geld verdienen", sagte Marijo C., "aber es war nur ein Kampf gegen die Schulden." Denselben Eindruck versuchte Sapina zu vermitteln: "Ich habe aus der ganzen Sache keinen finanziellen Gewinn gezogen, sondern einen Totalverlust erlitten."

Er besitze nicht, wie die Staatsanwaltschaft unterstellte, verschiedentlich auf der Welt noch gut gefüllte Konten: "Ich habe mir keine Millionen eingesteckt, es hat sich für mich alles nicht gelohnt." Als Sapina im Herbst 2009 festgenommen wurde, besaß er beim Londoner Wettmakler Samwo zwar noch ein Guthaben von 1,3 Millionen Euro, dieses wurde aber schon damals vom Wettmakler flugs in die Gerichtskasse überwiesen und soll nun in die Insolvenzmasse einfließen. Sapinas Steuerschuld beträgt etwa drei Millionen Euro.

100 000 Seiten Akten

Mit dem neuerlichen Schuldspruch ist Ante Sapina bereits zum dritten Male verurteilt worden. 2005 hatte ihn das Berliner Landgericht für Vergehen rund um den Hoyzer-Skandal zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt, wobei ihm nach Verbüßung der Hälfte der Rest auf Bewährung erlassen worden ist.

Weil Sapina spätestens 2008 aber wieder Spieler und Schiedsrichter bestach, Spiele manipulierte und mit teils sechsstelligen Beträgen vor allem in Asien wettete und man ihn zufällig bei einer anderweitigen polizeilichen Abhöraktion entlarvte, wurde er Ende 2009 wieder festgenommen, saß 17 Monate in Untersuchungshaft und wurde im Mai 2011 zum zweiten Mal verurteilt: diesmal vom Landgericht Bochum zu fünfeinhalb Jahren.

Im Gefängnis war er wegen der Revision seitdem aber keinen einzigen Tag. Nun, da dieses Urteil aus 2011 im rückläufigen Verfahren am Montag neu gesprochen und abgemildert worden ist, weil die Kronzeugenregelung stach, stehen für den jungen Familienvater Sapina noch 43 Monate Haft aus. Auch in diesem Fall besteht theoretisch die Möglichkeit, dass ihm ein Drittel der Gesamthaft wieder erlassen wird. Andererseits droht ihm noch mehr Haft, sollte das Landgericht Berlin den Hafterlass über knapp eineinhalb Jahre aus der ersten Strafe in 2006 widerrufen. Im für ihn angenehmsten Fall müsste Sapina effektiv bloß etwa zwei Jahre ins Gefängnis, im äußersten Fall etwa fünf Jahre.

Mit der neuerlichen Inhaftierung von Sapina, der als "Zockerkönig" aus dem Berliner "Café King" bekannt wurde, ist das Problem der Wettmanipulationen keineswegs hinfällig. Das Thema droht in Bochum vielmehr zu einer unendlichen Geschichte zu werden. Dort sitzt die Ermittlungs-Kommission "Flankengott", dort haben sich bislang mehr als 100 000 Seiten in den Akten angesammelt. Dort haben deshalb am Landgericht Bochum in den vergangenen drei Jahren schon sieben Verfahren stattgefunden, in denen 17 Täter zu addiert mehr als 40 Jahren Haft verurteilt wurden.

Und im Juni beginnt voraussichtlich bereits der achte Prozess. Angeklagte werden dann erstmals zwei ehemalige Fußballprofis sein: der vormals für Osnabrück und Köln aktive Thomas Cichon und der ehedem für St. Pauli aktive René Schnitzler. "Es wird weitere Prozesse geben", sagt Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann, der die je fünf Jahre Haft für die beiden Wettbetrüger am Montag deshalb als "deutliches Zeichen" für künftige Urteile wertete. Wettbetrug könnte für Bachmann, 48, ein beherrschendes Thema bis zur Pensionierung bleiben.

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