Wett-Skandal:Juventus fürchtet um die Trophäen

In der vorherigen Saison sollen 29 Juve-Spiele manipuliert gewesen sein - der Meistertitel wird nun womöglich aberkannt. Als wäre das nicht genug: Inzwischen hat die Affäre auch die Nationalmannschaft erreicht.

Birgit Schönau

Der FC Juventus Turin könnte am Sonntag seinen 29. Meistertitel gewinnen - doch die Siegesfeier wird sich vermutlich in sehr kleinem Kreis abspielen.

Juventus Turin, rtr

Au weia, wird sich auch Juve-Star David Trezeguet denken: Turin könnte der Meistertitel aberkannt werden.

(Foto: Foto: rtr)

Das liegt zum einen daran, dass es keinen Vorstand mehr gibt, nachdem Generaldirektor Luciano Moggi und Geschäftsführer Antonio Giraudo mitsamt der sie flankierenden Herren am Donnerstag geschlossen zurückgetreten sind.

Die Besitzerfamilie Agnelli hatte den Rücktritt kategorisch angeordnet, weil sich um Moggi und Giraudo derzeit gleich drei Staatsanwaltschaften kümmern. In Turin, Neapel und Rom wird wegen des Verdachts der Bilanzfälschung, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie des unlauteren Wettbewerbs mit Nötigung und Sportbetrug ermittelt.

Nur der frühere Juve-Torjäger Roberto Bettega, Dritter im Bunde der legendären Triade, die in den vergangenen zwölf Jahren sechs Meistertitel für Juventus holte, hat bislang noch keinen Ermittlungsbescheid erhalten.

Meistertitel 2004/2005 futsch?

Der Turiner Traditionsklub muss jetzt um die unter Moggis Ägide errungenen (oder erzwungenen?) Trophäen fürchten: 29 von 38 untersuchten Begegnungen der Saison 2004/2005 seien hauptsächlich durch Schiedsrichter manipuliert gewesen, hieß es am Freitag unter Bezug auf die Staatsanwälte in Neapel, wo Moggi einen Wohnsitz hat.

Konkret wurden die Partien noch nicht benannt. Was sich vor der Saison 2004/2005 abspielte, wurde bislang nicht untersucht. Der Meistertitel Nummer 28 könnte Juve abgenommen werden, doch damit nicht genug: Zum ersten Mal in 109 Jahren Vereinsgeschichte riskiert der erfolgreichste Klub Italiens die Relegation in die Serie B.

Der Skandal war vor 14 Tagen bekannt geworden, als Staatsanwälte in Turin den Fußballverband mit Ermittlungsakten über abgehörte Telefonate Moggis und der übrigen Beteiligten konfrontierten.

Affäre erreicht Nationalmannschaft

Inzwischen hat die Affäre auch die Nationalmannschaft erreicht. Die Turiner Tageszeitung La Stampa, die ebenso wie Juventus zum Fiat-Konzern gehört, berichtete am Freitag von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Davide Lippi, den Sohn des Nationaltrainers.

Lippi junior gehörte zu den Mitarbeitern der Vermittlungsagentur GEA, die mehr als 200 Spieler und Trainer unter Vertrag hatte und von Moggis Sohn Alessandro sowie einer Tochter des Großbankiers Cesare Geronzi (Capitalia) betrieben wurde.

Auf der Liste der Staatsanwälte steht auch GEA-Gründungsmitglied Giuseppe De Mita, ein Sohn des früheren christdemokratischen Regierungschef Ciriaco De Mita. Giuseppe De Mita war einst Pressesprecher bei Lazio Rom.

Die Agentur GEA soll mit Hilfe von Luciano Moggi systematisch Kunden und Konkurrenten unter Druck gesetzt haben. Auch Marcello Lippi selbst soll von Moggi aufgefordert worden sein, Spieler der GEA in die Squadra Azzurra zu berufen.

Für Torwart Buffon steht WM auf der Kippe

Der Nationaltrainer beteuerte allerdings seine Unabhängigkeit: "Meine Berufungen können alle kontrollieren", sagte er. Von 63 Spielern, die Marcello Lippi für seine Mannschaft aufstellte, werden tatsächlich nur neun von der GEA betreut, darunter auch Alessandro Nesta (AC Mailand) und Marco Materazzi (Inter Mailand). Diese beiden gehören voraussichtlich zum Weltmeisterschafts-Kader der Italiener.

Für Nationaltorwart Gianluigi Buffon steht die WM-Teilnahme auf der Kippe. Die Finanzpolizei in Parma und Turin hat unabhängig von der Moggi-Affäre ermittelt, dass der Juve-Schlussmann mit Hilfe eines Lagerarbeiters des Lebensmittelkonzerns Parmalat Wetten über 500 000 Euro abgeschlossen hat.

Außer Buffon waren an den Wetten die früheren Juve-Spieler Iuliano, Chimenti und Maresca beteiligt. Zwar wetteten die vier Profis offensichtlich nicht auf Begegnungen der Serie A, doch sind italienischen Fußballern Wetten aller Art verboten. Buffon, der gerade von einer längeren Verletzungspause zurückgekehrt ist, riskiert damit eine lange Sperre.

Auch gegen AC Florenz wird ermittelt

Wie La Stampa weiter berichtet, sind in die Ermittlungen um das "System Moggi", mit dem der Juve-Generaldirektor Italiens Fußball fast nach Belieben beherrschte, 58 Personen verwickelt. Dabei handelt es sich um 19 Schiedsrichter, die unter dem Verdacht stehen, in Moggis Auftrag gepfiffen zu haben, darunter der für die WM gesetzte Massimo De Santis.

Ermittelt wird auch gegen den Besitzer des AC Florenz, den Lederwarenindustriellen Diego Della Valle, und den Präsidenten von Lazio Rom, Claudio Lotito. Beide sollen über Moggi Vergünstigungen erhalten haben. Della Valle wird verdächtigt, von Moggi "Nachhilfe" für den knappen Klassenerhalt des Florentiner Klubs im Vorjahr bekommen zu haben. Auch der AC Mailand soll nach Angaben des Fernsehsenders RAI verwickelt sein.

Zu Moggis Dunstkreis gehörten überdies sieben teils hochrangige Polizisten und sieben TV-Journalisten, unter ihnen der populäre Aldo Biscardi, in dessen Show Der Prozess sich der Kommentator der Zeitlupe vor der Sendung Anweisungen direkt vom Juve-Manager geben ließ.

Fußball-Verbandspräsident Franco Carraro sowie sein Vize sind im Zuge des Skandals bereits zurückgetreten. Carabinieri nahmen am Freitag in der römischen Geschäftsstelle des Verbandes eine Hausdurchsuchung vor. Und Sonntag wird gespielt.

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