Werner Lorant in der Bezirksliga:"Hast Du'n Krampf im Arm?"

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Inzwischen Trainer in Waging: Werner Lorant (Foto: imago/MIS)

Werner Lorant sitzt keine Sekunde, kritisiert, gestikuliert, grummelt: Bei seinem Debüt als Trainer des Siebtligisten TSV Waging verliert der ehemalige 1860-Coach. Er zeigt aber: Sprüche hat er immer noch drauf.

Von David Weber, Waging am See

Das Fernsehen muss warten, das Radio muss warten, die Presse auch. Werner Lorant, 66, geht erst mal in den Kabinengang, kommt dann nach zwei Minuten wieder raus und setzt sich auf eine Bank. Anderthalb Stunden lang keine Zigarette in der Hand gehabt, ein bisschen mehr sogar, in der Halbzeitpause nämlich auch nicht. Jetzt wird geraucht. Werner Lorant, Schutzpatron der Kaffeetrinker und Raucher, der Nörgler und Stirnrunzler, lässt sich da nicht aus der Ruhe bringen. Zumal eine Niederlage verarbeitet werden will, im ersten Heimspiel mit dem TSV Waging am See, gegen Kolbermoor, den Tabellenzweiten. "Sie wissen, ich kann nicht verlieren", sagt Lorant.

Nach seinem Abschied von den Münchner Löwen im Jahr 2001 war Lorant in der Türkei und in Südkorea, auf Zypern und im Iran, in China und der Slowakei. Er drehte mit Oliver Pocher und ging fürs Privatfernsehen in die Berge, verdiente viel Geld, verlor viel Geld. Jetzt wohnt er in Waging am See, direkt am Campingplatz, nicht im Wohnwagen, sondern in einem Apartment am Strandkurhaus, in einem großen Apartment, das hat er jüngst in einem Interview betont. Und er ist zurück auf der Trainerbank. Kein Strandkorb, kein Sofa, kein Klapp-, Camping- oder Gartenstuhl. In der Bezirksliga sitzt man auf harten Holzdielen.

Oder steht direkt am Spielfeldrand.

"Was soll der Quatsch? Blödsinn, Blödsinn, Blödsinn. Blödsinn!"

Werner Lorant steht die ganze Zeit am Spielfeldrand, sitzt keine Sekunde. Lobt. Kritisiert. Gestikuliert. Grummelt. Sein neuer Job, das ist der Abstiegskampf. Sieben Spiele waren es vor diesem Samstag noch, zwei Punkte Abstand zum Relegationsplatz, vier zum Zwölften, der rettet sicher. Die erste Partie geht 0:2 verloren, der Abstand ist weiter gewachsen. "Eine Stunde war das in Ordnung, dann machen wir selbst die Fehler", sagt Lorant danach. Mitte der zweiten Halbzeit ist es passiert. Eckball für die Gäste, Lorant sieht noch, dass der Rückraum nicht besetzt ist und schreit: "Rückraum!". Verunglückte Kopfballabwehr, Volleyschuss, Tor. "Ich hab's noch gesagt: Rückraum! Kein Mensch da!", brummt er an der Seitenlinie.

In den nächsten zehn Minuten machen zwei weitere der ursprünglich fünf weißen Hütchen, die eine Coachingzone begrenzen sollen, mit Lorants Füßen Bekanntschaft. "Was soll der Quatsch? Blödsinn, Blödsinn, Blödsinn. Blödsinn!" Als das zweite Tor fällt, kratzt sich Lorant nur kurz am Kopf und bewegt sich dann gar nicht mehr. Er ist immer noch beim ersten: "Den Rückraum muss man immer besetzen."

Sechs Spiele noch. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt Stefan Hinterreiter, das ist einer der Innenverteidiger vom TSV: "Wir sind zuversichtlich". Der Herr Lorant habe sich in der ersten Trainingswoche vor allem bemüht, Spaß reinzubringen. Aber es ist jetzt "erst mal wurscht, wie der Werner Lorant sich macht", sagt Josef Hofmann, der Vereinsvorsitzende, in der Halbzeit. "Wichtig ist, was die Mannschaft macht, und man sieht ja, dass die Spieler sehr motiviert sind". Das muss der Werner Lorant-Effekt sein, von dem Willi Retter spricht. Der sitzt an der Kasse und hat heute geschätzt 500 Leute reingelassen, sonst sind es etwa 200. Der BR ist da, "und Fotografen, die ich hier noch nie gesehen habe", berichtet Retter. "Die Mannschaft kämpft heute richtig".

Als der Schiedsrichter eine Entscheidung zugunsten der Waginger fällt, fragt der Kapitän der Gäste: "Hast' Schiss?", und deutet auf Lorant. Das ist die Furcht vor dem Werner Lorant-Effekt. In der Tat hat Lorant sich schon hinlänglich mit dem Linienrichter bekannt gemacht. "Sag' mal! Hast Du 'n Krampf im Arm?", blökt er, als der arme Mann Abseits anzeigt. Das Publikum amüsiert sich köstlich. Lorant weiß, dass sie auf diese Sprüche warten. "Das war doch kein absichtliches Handspiel! Das seh' ich ohne Brille!". Ältere Herren kichern.

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Dann ist Schluss. Im Kabinengang sagt Werner Lorant irgendwas mit "Rückraum". Wird später gefragt, ob er nervös gewesen sei, vor seinem ersten Spiel, und ob das jetzt ein großer Unterschied war zwischen Bundes- und Bezirksliga. "Warum soll ich nervös sein? Fußball ist immer das Gleiche. Nur die Qualität ist anders."

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