Werder schlägt Hannover:Sommer im November

GER 1 FBL SV Werder Bremen vs Hannover 96 19 11 2017 Weserstadion Bremen GER 1 FBL SV Werde

Der Türöffner: Fin Bartels (rechts) gelingt das 1:0 für Werder gegen 96-Keeper Michael Esser.

(Foto: Ewert/Nordphoto)

Drei Tore von Max Kruse und die Wiedergeburt eines Sturmduos besonderer Güte bringen dem SV Werder Bremen im heimischen Weserstadion ein 4:0 gegen Hannover 96.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Es sind genau diese Abende, für die das Weserstadion einst gebaut worden ist, mitten hinein in die weite Kurve des gutmütigen Flusses, über den der Regen hereinzieht wie eine schwere, nasse Wolke. Das Flutlicht scheint hier noch von vier hohen Masten herunter, der Wind weht senkrecht, und wenn ein Tor fällt für den SV Werder Bremen, dann ertönt ein Nebelhorn, das die kleinen Kinder in der Nachbarschaft weckt. Dieser Ort, kalt und unwirtlich eigentlich im norddeutschen November und neuerdings geschützt von Flutmauern aus Stahl und Beton, kann an solchen Abenden der heißeste Ort auf dem Planeten sein. Das 4:0 (1:0) gegen Hannover 96 fühlte sich für die Fans von Werder Bremen an wie die Rückkehr des Sommers mitten im November.

Der sehr überzeugend herausgespielte Sieg gegen den niedersächsischen Nachbarn, der mit dem Etikett "Überraschungsmannschaft der Saison" die 100 Kilometer über die A7 angereist war, trug alle Züge einer klassischen Wiederauferstehung. Elf Mal hatten die Bremer in dieser Saison nicht gewonnen, nur vier Tore geschossen bis dahin: Mit allem möglichen hatte man rechnen können, aber kaum mit einer Leistung, die in allen Details an die formidable Rückrunde der vergangenen Saison erinnerte, in der die Bremer mit viel Spektakel vom Abstiegskandidaten zum Europacup-Anwärter aufgestiegen waren. Dreimal traf Max Kruse, (55., 59., 79. Minute), einmal Fin Bartels (39.), der zwei von Kruses Toren vorbereitete und dessen Führungstreffer in der ersten Halbzeit eben auch jener Kruse aufgelegt hatte. Die beiden waren es ja gewesen, die in der vergangenen Saison einen der besten Bundesliga-Angriffe dargestellt hatten, ehe sich der eine - Kruse - zu Beginn dieser Saison verletzte und der andere - Bartels - ohne seinen kongenialen Partner wie ein Waisenkind auf dem Platz nach Freunden zum Spielen suchen musste. Er fand aber nie welche.

Nun befand Kruse: "Die Mannschaftsleistung hat gestimmt, wir haben das erste Mal wieder richtig guten Fußball gespielt."

Florian Kohfeldt, Werders neuer Trainer, hat wenig Erfahrung, aber viel Selbstbewusstsein

Noch nie seit der Erfindung des Reset-Knopfs ist ein Neustart derart gelungen wie dieser der Bremer unter dem neuen Trainer Florian Kohfeldt. Kohfeldt ist in der Reihe der jungen Trainer der neueste Bewerber als Germany's next Nagelsmann, ein bubenhafter, kaum von den Balljungen zu unterscheidender Bundesliga-Neuling mit wenig Erfahrung, aber großem Selbstbewusstsein. Kohfeldt, 35, hatte geahnt, dass ein Derby wie dieses, "unter Flutlicht, was gibt es Schöneres?", die Chance sein könnte, das Bremer Publikum wieder hinter die Mannschaft zu bringen. Tatsächlich lag schon vorher wieder diese Spannung in der Luft, die sonst erst gegen Ende einer Saison entsteht: Die Ultras unter den Bremer Fans hatten beim Abschlusstraining in voller Montur Spalier gestanden, um die Mannschaft einzustimmen, und im Stadion herrschte Festtagsstimmung von dem Moment an, als klar war, dass Kohfeldt seiner Elf die Fesseln abgenommen hatte, mit denen sein Vorgänger Alexander Nouri zunehmend erfolglos versucht hatte, die Defensive der traditionell anfälligen Bremer zu stabilisieren. Dabei war jeglicher Witz aus dem Bremer Spiel getilgt worden.

Kohfeldt hatte dem Bremer Team auch wieder einen offensiven Matchplan mitgegeben, der darin bestand, den Gegner extrem früh zu pressen und aus dem starken Mittelfeld mit Bargfrede, Delaney, Junusovic und Eggestein immer wieder Anspielpartner für Kruse und Bartels in der Spitze nach vorne zu jagen. Weil auch Werders Torwart Pavlenka mit einer Großtat gleich nach der Pause, allein gegen Hannovers Angreifer Harnik, den Vorsprung verteidigte, aus dem ein Kantersieg werden sollte, war es von vorne bis hinten eine Leistung ohne Fehl und Tadel. Wenngleich Kohlfeldt mahnte, dass es "Phasen im Spiel gab, wo es anders hätte laufen können".

Aber Mann des Abends war dann eben doch nicht Kohfeldt, sondern Max Kruse, 29, der mit einem Hattrick alle Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren fast alleine umsetzte. Am Ende dieses, mal wieder, denkwürdigen Flutlichtabends blieben die Leute einfach im Stadion, den Regen ignorierend, den Wind mitten im Gesicht: Mission Befreiungsschlag gelungen!

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