Werder Bremen:Tänzer im Flutlicht

Werder Bremen v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Seltenes Bild an der Weser: Eine Jubeltraube mit Jubeltrainer nebendran - Alexander Nouri (rechts) feiert in seinem zweiten Spiel den ersten Sieg.

(Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Die Klubführung steckt in der Zwickmühle: Kommt ein neuer Trainer - oder darf der junge Alexander Nouri nach dem emotionalen Sieg gegen Wolfsburg bleiben?

Von Javier Cáceres, Bremen

Wenn die Nacht über Bremen hereinbricht, wird das Weserstadion zu einem Ort für luzide Träume. Dann ist es, als würden Zehntausende imaginäre Türen aufstoßen, Mauern niederreißen und all das aus sich herauskehren, was sie in ihrer hanseatischen Diskretion für sich behalten hatten. Tage-, wochen-, monatelang.

Samstagabend zum Beispiel. Auf den Rängen und unten auf dem Rasen schien schon alles verloren zu sein, weil Werder sich nach überraschend ansehnlichem Spiel gegen Wolfsburg offenbar wieder mal selbst besiegt hatte. Verteidiger Robert Bauer hatte beim Abwehrversuch den Ball ins eigene Tor gedroschen (69.), Keeper Jaroslav Drobny schimpfte mit seinem Vordermann, ins Stadion zog für einen Moment resignative Stille ein. Wer sollte schon ahnen, dass Werders Elf wiederkommen würde? Sie, die alle vier vorangegangenen Spiele verloren hatte und schon das 15. Gegentor hinnehmen musste? Doch sie kam wieder. Und wie. Erst traf Lennart Thy (89.) mit fulminantem Drehschuss; in der Nachspielzeit köpfelte Theodor Gebre Selassie den Ball zum 2:1 ins Tor. Das Stadion bebte. Und Alexander Nouri, der Interimstrainer, tanzte in einem Flutlicht, das gleißender ist als anderswo und seit den Zeiten der legendären Werder-Wunder mythisch verklärt wird.

"Dass wir den Menschen, dem Verein, der Stadt, diese Momente schenken konnten, dafür bin ich sehr dankbar", sagte Nouri, 37, als er das Spiel noch gar nicht hatte sacken lassen können und nicht mal mehr wusste, ob er in den vergangenen Tagen gut oder schlecht geschlafen hatte. Das war freilich nur eine Seite dessen, was er bewerkstelligt hat in seinem nun zwei Spiele währenden, als Interregnum angelegten Ausflug in die Bundesliga. Die andere Seite ist eine veritable Zwickmühle für Werders Verantwortliche. Denn was sie nun tun müssen, ist ihnen noch immer nicht klar.

Denn einerseits schätzen sie ihn ja. "Ich kenne Alex seit langem. Er ist ein sehr emotionaler Trainer, der schnell in die Herzen und Köpfe der Spieler kommt", sagte Aufsichtsratschef Marco Bode. Und Manager Frank Baumann erinnerte daran, dass Nouri sich "unter schwierigen Bedingungen in der U23 behauptet" habe. Nur: Aus dem Bauch heraus haben sie bei Werder schon mal eine Entscheidung getroffen, die sie nun bereuen - pro Viktor Skripnik, dem vor Wochenfrist geschassten Trainer. "Wenn man dieser Logik folgen würde", sagte also Baumann und meinte die Logik der Emotion, "dann hätte man an Viktor festhalten müssen." Denn Spiele, die Bremen in einen Endorphin-Rausch tauchten, hatte es auch unter Skripnik gegeben.

Nouri wiederum versuchte, die Rolle des interessierten Beobachters so glaubhaft wie möglich zu spielen. "Mein Ego ist noch nicht so groß, dass ich mich jetzt unbedingt irgendwo sehen muss", sagte er, als er zum x-ten Mal darauf angesprochen wurde, ob er nicht die Ambition hege, längerfristig als Bundesligatrainer zu arbeiten: "Ich bin nicht so wichtig, es geht um den Verein und die beste Entscheidung." Ob er am Dienstag das Training der Profis leitet und womöglich auch gegen Darmstadt auf der Bank sitzt? Das könne sein, sagten Bode und Baumann; es könne aber auch sein, dass Nouri zur U 23 zurückkehrt - "und wir uns bis dahin für einen anderen Trainer entschieden haben", so Baumann.

Werders Sieg hatte viel mit Nouris Personalpolitik zu tun

Werder-Boss Klaus Filbry hatte zuvor eingeräumt, dass der frühere Hoffenheimer Markus Gisdol ein aussichtsreicher Kandidat sei, aber im Lauf des Sonntags wurde den Bremern dann doch immer klarer, dass es den Schwaben zu den deutlich finanzkräftigeren Hamburgern ziehen würde. Der Trainer sei im Verein "die wichtigste Person", sagte Baumann, daher müsse man "sehr sorgfältig prüfen, wer der beste Trainer ist". Das ist offenkundig mit Arbeit verbunden; an Initiativ-Bewerbungen habe es Werder jedenfalls nicht gemangelt. "Noch scheinen wir ein gutes Pflaster zu sein, auch wenn niemand das wahrhaben will", sagte Baumann.

Aus Werders Kabine kamen in jedem Fall Töne, die wie ein Flehen um einen Verbleib Nouris klangen. Sie sind dort dankbar, dass er sie emotional geweckt hat. "Motivation ist seine Sache. Man merkt schon, wie viel Energie er hat, wenn er spricht. Das habe ich noch nie erlebt", sagte Gebre Selassie. Doch Werder zeigte nicht bloß Emotion, sondern auch passablen Fußball.

Das hatte auch mit Nouris entschlossener Personalpolitik zu tun. Er setzte in Diagne, Kainz und Yatabaré drei Nationalspieler auf die Tribüne und vertraute auf Kicker wie Veljkovic, Manneh, Hajrovic, Schmidt oder Thy, die Skripnik in die Reserve verbannt hatte. Es sei kein Votum für oder gegen einen Profi gewesen, sagte Nouri; er kannte die U 23-Fußballer aus der Arbeit in der Werder-Reserve so gut, dass er wusste, wie er deren "Stärken gewinnbringend einsetzen" konnte. Noch ist offen, ob er sich in der Bundesliga weiter daran versuchen darf.

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