Werder Bremen:Schwieriger Spagat

Auch für das Geschäftsjahr 2014/15 weist der Bundesligist ein deutliches Minus aus. Der Klub will zugleich gesunden, sportlich aber den Anschluss nicht verlieren. Eine erhebliche Belastung stellt der aufwendige Stadionumbau dar.

Von Frank Hellmann, Bremen

Das Ambiente in der Werder-Halle vermittelt Bodenständigkeit: grüner Hallenboden, graue Stühle, weiße Papiertischdecken. Wo unweit des Weserstadions ansonsten Schülergruppen der Leichtathletik-Abteilung des SV Werder Bremen üben, wird Vorstandschef Klaus Filbry an diesem Montagabend auf der Mitgliederversammlung von einem schwierigen Spagat berichten. Wie bekommt ein Bundes- ligist die wirtschaftliche Gesundung hin? Und dies, ohne sportlich den Anschluss zu verlieren? Neben Bockwurst und Frikadelle wird eben auch die schwer verdauliche Tatsache serviert werden, dass das Geschäftsjahr 2014/2015 mit einem Minus von 5,9 Millionen Euro zu Ende ging.

"Wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen", erklärt Filbry: "Wir sind aber für die jetzt laufende Saison mit allen Maßnahmen deutlich in Reichweite, einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können." Der 48-Jährige will allen Anhängern des SV Werder die Sorge nehmen, "dass wir uns kaputtsparen". Allerdings klafft nun schon im vierten Geschäftsjahr hintereinander ein tiefes Loch in der Kasse der hanseatischen Kaufleute: Schon in den vorherigen Spielzeiten (2011/2012 bis 2013/2014) hatten sich die Fehlbeträge auf insgesamt 31,6 Millionen Euro summiert.

Das nun noch draufzurechnende Minus von 5,9 Millionen ergibt sich, obwohl der Gesamtumsatz der Werder Bremen GmbH & Co KGaA - inklusive aller Tochtergesellschaften - sogar über die 100-Millionen-Marke angewachsen ist. Zum Teil durchaus bedeutende Zuwächse sind im Spielbetrieb, beim Sponsoring, bei den Medienerlösen sowie den Transfers erzielt worden. Wobei nur die Verkäufe von Davie Selke (RB Leipzig/acht Millionen) und Nils Petersen (SC Freiburg/2,8 Millionen) in die Bilanz einflossen, nicht aber jener von Franco Di Santo (FC Schalke/sechs Millionen). Der Personalaufwand, der für alle Bereiche zuvor bei 47,8 Millionen Euro lag, konnte um einen siebenstelligen Betrag reduziert werden. Der Lizenzspieleretat soll jetzt bei nur noch 32 Millionen Euro liegen.

Ziemlich teuer sind Trennungen wie jene von Eljero Elia oder Ludovic Obraniak

Warum aber ist "der besondere Verein" (Filbry) dann finanziell derart in der Klemme? Das Dilemma steckt in den sonstigen betrieblichen Aufwendungen, die eine Größenordnung von rund 50 Millionen Euro haben. Die Bremer Bilanz schmälern besonders die sogenannten Kaderbereinigungskosten, also Irrtümer im Personalplan, die korrigiert werden mussten - zum Beispiel durch die Trennung von Eljero Elia und Ludovic Obraniak. Oder durch den Trainerwechsel von Robin Dutt zu Viktor Skripnik. Hinzu kommen die Abschreibungen bei Spielerverkäufen. Eine erhebliche Belastung stellte zudem der aufwendige Stadionumbau dar. Der verschlang letztlich 76 Millionen Euro und war damit im Grunde so teuer, wie es ein Neubau auf der grünen Wiese gewesen wäre. Die finanzielle Last, die so auf die zur Hälfte im städtischen Besitz befindliche Stadiongesellschaft zukommt, muss der SV Werder stemmen - damit werden die sonst so wichtigen Einnahmen aus dem Catering oder dem VIP-Bereich verrechnet. So hat die Innenstadtnähe und die Lage am Fluss ihren Preis. "Aber dafür gibt es kein Stadion in Deutschland, das mehr Identifikation ermöglicht und eine so perfekte Bühne für ein Fußballerlebnis bieten kann", behauptet Filbry eingedenk der Nähe zur Weser und zur Kneipenkultur im Steintorviertel.

Der einstige Adidas-Manager verteidigt auch die vergleichsweise hohe Zahl von rund 140 Mitarbeitern. So sei etwa das umfangreiche Sozialmanagement ebenso unverzichtbar wie das Investment in die Drittliga-Mannschaft, die Frauen-Bundesliga und die Förderung von Tischtennis, Handball, Schach. "Wir wollen ein Leuchtturm in der Gesellschaft sein", begründet Filbry das breite Engagement. Doch der Grat, auf dem die Grün-Weißen wandeln, ist schmal: Nur noch zwei Millionen stehen an Eigenkapital zur Verfügung - die einst in den Champions-League-Jahren aufgebauten Reserven sind fast aufgebraucht.

Welchen Folge das haben könnte? Bei einem verführerischen Angebot für Abwehrchef Yannick Vestergaard dürfte Werder kaum anders können, als den nächsten Leistungsträger ziehen zu lassen. Angesichts der Finanzkraft der Premier League glaubt Filbry an einen verstärkte Insel-Flucht. Filbry weiß aber auch: "Für uns kann darin eine Chance liegen." Man müsse eben clevere Transfers tätigen. Eine Politik, die er den Werder-Mitgliedern nun erklären muss.

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