Werder Bremen:Neuer Trainer, neues Pech

Eintracht Frankfurt v SV Werder Bremen - Bundesliga

Entsetzte Gesichter: Die Bremer Spieler nach der späten Niederlage gegen Frankfurt.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die ersten Verbesserungen und die hoffnungsvolle Handschrift von Florian Kohfeldt sind beim SV Werder am Freitagabend unverkennbar.
  • Doch der Last-Minute-Schock beim 1:2 bei Eintracht Frankfurt vergrößert die Not - und macht die Entscheidung in der Trainerfrage an der Weser noch schwieriger.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Milos Veljkovic hockte am Freitagabend auf dem Rasen der Frankfurter Arena und machte keinerlei Anstalten, wieder aufzustehen. Neben ihm stand Florian Kainz wie festgewurzelt, den Blick zum Videowürfel unter dem Faltdach gerichtet. Dort oben leuchtete das Ergebnis, das bei den geschlagenen Protagonisten vom SV Werder später wahlweise als "extrem bitter" oder "sehr enttäuschend" verortet wurde. Der Last- Minute-Gegentreffer zum 1:2 (1:1) bei Eintracht Frankfurt versetzte die Bremer Delegation eine ganze Weile im Stadtwald in eine Art Schockstarre. Dann schleppten sich die Spieler in den dunkelgrünen Jerseys zu den mehr als 3000 mitgereisten Fans, um ein bisschen aufmunternde Unterstützung zu empfangen.

Anders als noch fünf Tage zuvor bei einem dramatisch schlechten 0:3 gegen den FC Augsburg hatten Bremens Berufsfußballer tatsächlich nicht wie ein Abstiegskandidat gespielt. Sondern lange eine breite Brust herausgekehrt, die beinahe konträr zum Tabellenstand (17.) wirkte. "Wir waren in weiten Teilen mindestens ebenbürtig. Wir hatten keine Angst vor Ballverlusten, oft Überzahl im Mittelfeld und sind gut in die Zwischenräume gekommen. Aber dann bekommen wir einen langen Ball nicht verteidigt." Das sagte der junge Maximilian Eggestein, ein Musterschüler des Werder-Wegs. Der 20-Jährige bekundete, das soeben Erlebte sei "schwierig in Worte" zu kleiden - aber dem U21-Nationalspieler war das einigermaßen gelungen. Nur: Besser machte auch eine treffende Analyse die prekäre Situation nicht.

"Wir hätten mehr verdient"

In dieser vertrackten Gemengelage bemühte sich Interimstrainer Florian Kohfeldt um die passenden Worte: "Wir hätten mehr verdient. Wir haben verloren, und deshalb bin ich unzufrieden." Gleichwohl habe die Mannschaft einen leidenschaftlichen Auftritt hingelegt, der "in Zukunft auch belohnt wird", versicherte der 35-Jährige, der tatsächlich in Windeseile einen fußballerischen Fortschritt vorgeführt hatte.

Abwehrchef Niklas Moisander, der die Führung von Ante Rebic (17.) mit dem vorübergehenden 1:1 egalisierte (25.), lobte neben "Mentalität und Charakter" vor allem den von Kohfeldt vermittelten Matchplan, der in "eines unserer besten Spiele der Saison" gemündet hatte.

Der Trainer hatte Werder ein extrem flexibles, in dieser Saison noch nie praktiziertes 4-3-3-System verordnet, mit dem die hoch verteidigenden Gäste zur Pause "eigentlich mit ein, zwei Toren hätten führen sollen", wie der sich in herausragender Form präsentierende Eintracht-Torhüter Lukas Hradecky zugab. Auch sein Trainer Niko Kovac lobte "wendige, mobile, spielstarke" Bremer für ihre mutige erste Halbzeit.

Mahnmal für die Bremer

Die vielen Komplimente von Frankfurter Seite klangen nicht mal vergiftet, und doch hinterließ der Siegtreffer von Mittelstürmer Sébastian Haller, der nach einer Maßflanke von Taleb Tawatha verwaist vollstrecken durfte (89.), ein Mahnmal für die Bremer: Nur weil ein Trainertalent - immerhin Lehrgangsbester 2015 - mit überzeugender Rhetorik und einer ausgeklügelten Taktik erscheint, ist nicht gleich alles wieder gut. "Man kann nicht zufrieden sein", kritisierte Werder-Geschäftsführer Frank Baumann. "Es gibt für uns nichts zu verschenken. Wir hatten am Ende die Tendenz, zu passiv zu werden und nicht konsequent zu sein."

Der Druck auf die dreiköpfige Geschäftsführung in der ergebnisoffenen Trainerfrage wirkt gewaltig, wenn nach elf Spieltagen erst fünf magere Zähler - drei davon durch trostlose Nullnummern zustande gekommen - das Konto zieren. Es muss in der Länderspielpause eine Grundsatzentscheidung her, um die die Bremer Bosse nicht zu beneiden sind: Die Übergangs- zur Dauerlösung machen? Und damit das nächste Experiment wagen und nach Viktor Skripnik und Alexander Nouri den dritten U23-Coach befördern?

Auf die Symbiose zwischen Verein, Stadt und Anhängerschaft ist Verlass

Dafür spräche, dass beide in einer ähnlichen Situation den Klassenerhalt schafften; auch weil auf die besondere Symbiose zwischen Verein, Stadt und Anhängerschaft Verlass ist. Kohfeldt ist eloquenter und kommunikativer als seine beide Vorgänger, er ist mit einer angenehmen Mixtur aus Selbst- und Sendungsbewusstsein gesegnet, die Parallelen zu Julian Nagelsmann erlaubt, und er traut sich die Aufgabe zu. "Ich würde irgendwann gerne eine Bundesligamannschaft trainieren. Der Zeitpunkt ist nicht entscheidend."

Dummerweise ist in seinem Verein die Zeit für Experimente gerade verdammt knapp. Und der in Siegen geborene, in Delmenhorst vor den Toren Bremens aufgewachsene Kohfeldt gibt ja selbst zu, dass ihm Erfahrungswerte aus dem Profibereich fehlen, weshalb er den Ex-Nationalspieler Tim Borowski in den Helferstab geholt hat. Also doch eher eine nahe liegende Lösung wie der verfügbare Bruno Labbadia? Baumann wand sich vor dem Wochenende um zu viel Festlegung; dem 42-Jährigen dürfte sehr recht sein, dass nach der Rückreise am Samstag das nächste Training erst für Dienstag angesetzt ist.

Das bringt Zeitgewinn. Bei Kohfeldt kenne man die Qualitäten, und der Eindruck der vergangenen Tage fließe in den Entscheidungsprozess mit ein, verriet der Manager noch. "Florian ist die Benchmark bei der Entscheidung, ob wir einen neuen Trainer holen. Wenn wir jemand haben, muss er besser sein oder besser zu unserer Situation passen." Die nächsten Tage würden zeigen, "ob es uns gelingt, so jemand zu finden."

Zwischenstände würden nicht vermeldet, doch Baumann dementierte die These nicht, dass die Situation "ganz schwierig" geworden sei. Nicht nur in der Tabelle.

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